Donnerstag, 17. Juli 2014

Der Syllabus- ein Pyrussieg über den Modernismus



1.Eine Augenblicksaufnahme






Stellen wir uns folgende Situation vor: in einem Seminar irgendwo in Deutschland an einer theologischen Fakultät verteilt der Dozent im Rahmen des Seminarthemas: „Christliche Missionsgeschichte“ einen anonym auszufüllenden Fragebogen zur Erhellung, wie die Seminaristen so über das Verhältnis der verschiedenen Religionen zueinander dächten. Da stünden dann unter der


Rubrik: stimme zu, stimme nicht zu:


Sind Sie der Meinung, daß jeder Mensch die Religion sich frei erwählen darf, die nach seiner Meinung die wahre ist?






Sind Sie der Meinung, daß im Prinzip in jeder Religion Menschen einen Weg zum Heil finden können?


Sind Sie der Meinung, daß der Protestantismus und der Katholizismus zwei Formen der einen christlichen Religion sind, so daß beide Gott wohlgefällig sind?






Kann daran gezweifelt werden, daß die Mehrheit der Voten alle vier Fragen bejahen wird und früge man eine beliebige Versammlung katholischer Geistlicher, und wenn ihnen diese Fragen nicht als zu spekulativ unpraktisch erschienen, auch dort die überwältigende Mehrheit „Ja“ sagen würde? Und genau diese vier theologischen Meinungen reprobiert der von Pius IX erstellte Syllabus 1864 unter den Nummern 15-18; Indifferentismus und Latiudinarismus1. Es drängt sich der Generalverdacht auf, daß die zumindest implizite Präsumption, daß alle Religionen in Hinsicht auf die Frage nach dem Seelenheil (wenn denn noch überhaupt über innerwltliche Heilsziele hinaus gefragt wird) das Fundament der innerchristlichen wie des Religionsdialoges mit anderen Religionen bildet. Die Auswirkungen dieses religiösen Indifferentismuses, des Zentralanliegens des katholischen Modernismuses, sind unübersehbar. Faktisch hat die Katholische Kirche die Mission eingestellt, bzw.


betreibt unter der Etikette der Mission nur noch sozialdiakonische Entwicklungshilfe2. Es ist eine nicht


leicht beantwortbare Frage, ob und inwieweit Texte des vatikanischen Reformkonziles über die


Religionsfreiheit, das Verhältnis der wahren Religionen zu den anderen diesem modernistischen Indifferentismus Vorschub geleistet haben.










2. Auf dem Irrweg zur Welteinheitsreligion?


Es sei daran erinnert, daß Kardinal Ratzinger einst, auch wenn er dies heute wohl nicht mehr so schreiben würde über die Pastoralkonstitution: „Gaudium et spes urteilt: „ Begnügen wir uns hier mit der Feststellung, daß der Text die Rolle eines Gegensyllabus spielt und insofern den Versuch einer offiziellen Versöhnung der Kirche mit der seit 1798 gewordenen neuen Zeit darstellt3 .Von der Vorstellung der Gleichwahrheit aller Religionen hin zum Ziel der Schaffung einer Einheitsweltreligion ist dann nur ein kurzer Schritt. W. Pietrek berichtet: „1995 findet in der presbyterianischen „Gnaden- Kathedrale“ in San Francisco zum 50. Jahrestag der UNO- Charta eine multireligiöse Zeremonie statt. Während dieser Feier verkündete der dortige Presbytaner-Bischof Swing, er werde eine Vereinigung aller Religionen gründen. An Dutzende von Gottheiten richten die Teilnehmer ihre Anrufungen...Einer der Hauptredner der Initiative zur Vereinigung aller Religionen4(U.R.I.) R. Müller führte dazu aus: „Die Vereinigten Nationen sind der Anfang des Gehirns der Menschheit... Wir Benötigen aber auch eine globale Seele,d.h. ein gemeinsames Gewissen und die einge Vereinigung mit dem ganzen Universum ...Unsere höchsten Interessen enthsalten die Vergöttlichung (Apotheose) des Menschengeschlechts..., schließlich haben die Hauptreligionen alle das gleiche Ziel.“5 Die modernistische Vergleich- Gültigung aller Religionen führt so entweder zu einem dialogischen Miteinander aller Religionen oder tollkühner zur Vorstellung, daß doch alle Religionen sich in einer Einheitsorganisation vereinigen könnten, in der es dann eine lebendige Pluralität von religiösen Sondertraditionenund Schulmeinungen geben könnte, die aber der Einheit der Religion keinen Abbruch täte.Im Ökumenejargon gesprochen hieße das: gelebte versöhnte Verschiedenheit. Auch wenn die Kirche deutlich auf Distanz zu solchen Welteinheitsreligionsvorstellungen geht, und das ist auch ein Anliegen des päpstlichen Schreibens: Dominus Jesus, kann nicht übersehen werden,daß seit dem 2. Vatikanischen Konzil eine Verunklarung des ökumenischen Anliegens eingetreten ist. Von was wird gesprochen, wenn es um die Einheit geht? Ist damit die Einheit der wahren Kirche Jesu Christi gemeint, (aber die ist in der Römisch- Katholischen Kircheverwirklicht), oder die erstrebte Einheit aller Christgläubigen oder die Einheit aller Religiösenoder meint es, daß die Einheit der Menschheit in und durch die wahre Kirche dargestellt undgewirkt werden soll? Amerio urteilt über den jetzigen Stand der katholischen Ökumene:„Der gegenwärtige Zustand des Ökumenismus, in dem sich de facto der Verzicht auf die Glaubensverbreitung zeigt, ist in den Ansprachen Johannes Paul II. auf seiner Nigeriareise 1982 klar zu erkennen. Von der Bekehrung zu Christus fehlt dort jede Spur, ja mehr noch,in der Sonderbotschaft an die Muselmanen, die ohne Anklang und Antwort blieb, wird ein-dringlich an das Einvernehmen zwischen den beiden Religionen appelliert, „um den Zusammenhalt Nigerias zu fördern“ und „einen Beitrag zur rechten Ordnung der Welt als einer neuenKultur der Liebe zu leisten“ (OR, 14.Februar 1982). Die Eintracht der Welt besteht, wie wir sagten, nicht mehr in der einen Religion , vielmehr in der einen Kultur oder, wenn man sowill, in der einzigen, natürlichen Religion der Weltgebundenheit und Diesseitigkeit.“6






So heißt es in der deutschen Übersetzung (kosmopolitisch angehaucht?):


„Da aber die Kirche in Christus gleichsam das Sakrament bzw. Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott und für die Einheit des ganzen Menschengeschlechts ist“.7 Traditionell ist die wahre Kirche das neue Gottesvolk, das sich Gott aus allen Völkern heraus erwählt. In Lumen Gentium 4112 heißt es ja über das Gottesvolk: „ex omnibus gentibus convocatos“ und das heißt, daß der Kirche als dem Volke Gottes Menschen gegenüberstehen,


die nicht zur Kirche gehören. Wir tangieren damit das Mysterium der göttlichen Prädestination


und das besagt, daß nicht einfach die ganze Menschheit dazu erwählt ist, Kirche Gottes zu


werden. Und es ist zu befürchten, daß dort, wo Abschied genommen wird von der Konzeption


der Rückkehr der Abgefallenen in die eine wahre ungeteilte Kirche und wo Abschied genommen wird von dem Auftrag der Mission, daß dort die Vorstellung, man vereinige sich


zu einem dialogisch- kooperativen Miteinander aller Religionen als avantgardistischer Prolepse der Welteinheitsmenschheit, Sympathie und Zustimmung finden wird. Und waren die Friedensgebete zu Assisi nicht erste Vorboten eines solchen Irrweges?






Der Blick nach Innen



Eingedenk der immer noch treffenden Charakterisierung des Modernismuses durch Pius X


in seiner Enzyklika: „Pascendi dominici gregis“ vom 8. September 1907 kann ohne tiefschür-


fende Detailanalyse gesagt werden, daß der einst von der Kirche reprobierte Modernismus


das faktische Glaubensfundament der ökumenischen Bewegung bis hin zur Idee einer Welt-


Einheitsreligion bildet, auch wenn selbstredend konstatiert werden muß, daß sich der Moder-


nismus kontinuierlich selbst modernisiert, so daß ihm selbst das Zeitgemäß- Moderne von


Gestern zur avantgardistisch zur reformierenden Tradition geworden ist. Dann sei unter der


modernistischen Haltung verstanden, was M. Lings so beschreibt: „Es ist ein besonderes Merk-


mal unserer Zeit, daß man nicht nur in der Politik, sondern nun auch auf Seiten der Religion


die Frage, ob etwas „dem modernen Zeitgeist entspricht“ oder nicht, große Bedeutung


beimißt“8 Die Welt, so wie sie sich zu einem bestimmten Zeitpunkt selbst auslegt und versteht


wird so zu dem normativen Maß der notwendigen Umformung der Glaubenslehre der Kirche,


damit sie den Menschen zeitgemäß ansprechen kann. Die materialen Bestimmungen dessen,


was als zeitgemäß zu gelten hat, entnimmt so die Theologie dem Zeitgeistbewußtsein und daß


heißt für die Katholische Kirche erstmal: die Aussöhnung mit den Ideen der Aufklärung und der


Französischen Revolution. Ändert sich der Zeitgeist und offenkundig verweist der Selbstauf-


klärungsdiskurs der Gegenwart, unter der Betitelung der Postmoderne geführt, auf einen grund-


legenden Wandel im Zeitgeistbewußtsein. So seltsam es klingen mag, aber der Modernismus


müßte sich postmodernisieren, um modern im Sinne von Zeitgeistgemäßheit zu bleiben. Es sei


en passant angemerkt, daß die Idee der Welteinheitsreligion zutiefst den Idealen der Moderne


verhaftet ist, so daß gerade deshalb auch dies Konzept so eigentümlich hausbacken altmodisch


daherkommt. Unsere Zeitgeistreformer möchten die Katholische Kirche einem Geist anähneln, der


schon längst untergegangen ist, aber so geht es Reformern, die stets zu spät kommen. Das Leben


bestraft sie.






3. Der ökumenische Diskurs über die Eucharistie/ das Abendmahl als Muster des Triumphes des


Indifferentismuses






Es soll nun aus den unermeßlichen Weiten und Tiefen dieser Problematik sich auf eine Thematik kapriziert werden: Wenn die im Syllabus reprobierte These, daß der Katholizismus und der Protestantismus zwei für das Seelenheil gleich wahre Wege sind, was hat das für Auswirkungen für


das Innerkatholische Leben? Daß die These der Gleichwertigkeit der katholischen wie auch der protestantischen Christentumsauffassung den ökumenischen Dialog bestimmt, läßt sich ad hoc an


einem Phänomen verifizieren: Es ist der völlige Verzicht der katholischen Kirche auf jeden Versuch,


Evangelische zum Eintritt in die Katholische Kirche zu bewegen und die offenkundige Verlegenheit,


die sich in der Katholischen Kirche einstellt, wenn Protestanten konvertieren. In dem Zeitalter der


Ökumene gilt die Konversion als nicht mehr gewünschte Handlung. „K. Lehmann charakterisierte die verbreitete Einstellung mit den Worten: „Viele empfinden heute eine Konversion als eine überholte


Angelegenheit.“9 Scheffzcyk muß zugestimmt werden, wenn er resümiert: „Die heute führende Art


des Ökumenismus steht den Konversionen kritisch gegenüber und beurteilt sie negativ als Behinderungen des als weitaus bedeutsamer angesehenen Zieles der umfassenden Vereinigung der Christen oder bestimmter christlicher Gemeinschaften.“10






These: Wenn es in Hinsicht auf das Ziel des Seelenheiles nicht gleichgültig wäre, ob ein Mensch als Katholischer oder Evangelischer Christ leben würde, und das heißt ersteinmal, daß er Glied der Katholischen oder der Evangelischen Kirche ist, wenn also die evangelischen Glaubensge-meinschaften nicht katholischerseits faktisch als gleichwertig anerkannt werden würden, dann müßte es weiterhin eine Eintreten für die Konversion, für die Rückkehr zur wahren Kirche geben. Zu dozieren, daß zwar nur in der Katholischen Kirche die ganze Wahrheit lebendig präsent wäre, daß aber die in den protestantischen Gemeinschaften verbliebenen Wahrheiten ausreichend wären zur Erreichung des Zieles des Seelenheiles, hieße all das, was die Katholische Kirche an einem „Mehr“ an Wahrheiten in sich birgt, als für das Seelenheil irrelevant zu dysqualifizieren. Daß die implizit dabei präsumierte Vorstellung, daß es nicht eine Wahrheit gibt, sondern eine Anzahl von Wahrheiten, die additativ das Ganze bilden, daß aber zum Seelenheil nur die Affirmation eines Teiles der Wahrheiten nötig ist und daß andere Wahrheiten dann ruhig verneint, reprobiert werden können, ist eine äußerst fragwürdige Vorstellung von dem, was wahrer Glaube ist.






Wie können Differenzen in Glaubensfragen, die im 16. Jahrhundert zur Abspaltung von der Kirche geführt haben, weil die Lehrdifferenzen als unüberbrückbar galten, jetzt als überholt, nicht mehr kirchentrennend bezeichnet werden, ist erst zu erörtern, bevor gefragt werden kann nach den Auswirkungen dieses Indifferentismuses für das innerkatholische Glaubensleben.






These: Es liegt im Wesen der Differenz gegründet, daß jede Differenz, weil alles, was sich unterscheidet, immer auch etwas Gemeinsames hat, in Hinsicht worauf es sich unterscheidet, aufhebbar ist durch die Wahl des die Differenz aufhebenden Abstraktionsniveaus. Zur Veranschaulichung: Mann und Frau sind Menschen mit differentem Geschlecht. Beide haben ein Geschlecht, es gibt keinen geschlechtslosen Menschen, aber jede hat eines, durch das er sich von


dem anderen Geschlecht distinguiert. Die Differenz ist aufhebbar, in dem von dem bestimmten Geschlecht abstrahiert wird und gesagt wird: Mann und Frau sind Menschen mit verschiedenem


Geschlecht und jetzt betrachten wir Mann und Frau als Mensch unter der Absehung ihrer Geschlechtsdifferenz als immer irgendwie männlich oder weiblich bestimmte. Die Geschlechtsdifferenz verschwindet in der Abstraktion des puren Menschseins.






Ich kann die Lehrdifferenz zwischen der Lutherischen Lehre von der Realpräsenz Jesu Christi als wahrer Gott und wahrer Mensch in den konsekrierten Elementen der Eucharistie zu der Katholischen bestimmen als die zwischen der einer Einwohnung Christi in unter und zwischen Brot und Wein nach der Konsekration, das heißt, daß durch die Konsekration etwas dazu kommt und der Transsub-stantionslehre, die die Wesensverwandlung von Brot und Wein in Fleisch und Blut Christi lehrt. Diese


Differenz kann dadurch, daß unterschieden wird zwischen dem Glauben, daß Jesus Christus als wahrer Gott und wahrer Mensch in den konsekrierten Elementen gegenwärtig ist, und der Lehre, wie man sich seine Realpräsenz erklärt und daß man den Glauben an das Daß seiner Gegenwart für allein wichtig und die Lehre über das Wie des Erklärens seiner Gegenwart für unwichtig erklärt, aufgehoben werden. Die Abstraktion vom Wie der Gegenwart zum bloßen Daß der Gegenwart Jesu Christi in den konsekrierten Elementen der Eucharistie läßt so die Lehrdifferenz als unwichtig zurück. Wir sind uns einig, weil wir das, was uns bis zum irenischen Willen zur Ökumenischen Einheit trennte, schlicht als unwesentlich herabdeklarieren. Das und nur das ist die Substanz der ökumenischen Annäherung: die Flucht in blutleere Abstraktionen, in denen alle Unterschiede verschwinden. Kardinal Scheffczyk faßt die Intention des ökumenischen Anliegens der wechselsei-tigen Aufhebung der gegenseitigen Lehrverurteilungen so zusammen: „Das tiefere Anliegen liegt in dem versuchten Nachweis, daß sich in der gegenwärtigen ökumenischen Epoche eine Annäherung der Konfessionen in den bisher strittigen Hauptfragen (und vielen angrenzenden Nebenfragen) der „Rechtfertigung“, der „Sakramente“, und des „Amtes“ vollzogen hat, welche die wenigen noch verbleibenden Unterschiede als nicht mehr „kirchentrennend“ versteht, sondern nur noch als „theologische Schulgegensätze (II,24) betrachtet.“11 Das ist eine euphemistische Verschreibung der Tatsache, daß einfach der immer schon bestehende Konsens zwischen Lutheranern und Katholiken betont und die immer noch genauso wie im 16. Jahrhundert bestehenden Differenzen als bloße


Schulgegensätze entwertet werden. Konsens zwischen Lutheranern und Katholiken war immer, daß


Christus in den konsekrierten Elementen gegenwärtig ist, strittig war und ist das Wie seiner Gegenwart und der ökumenische Progress, die viel beschworene Annäherung besteht ausschließlich in der Einsicht, daß das Wie der Gegenwart gleichgültig ist, es reiche doch das Bekenntnis zum bloßen


Daß der Gegenwart. Selbstverständlich ist diese Abstraktion unvereinbar mit der Verurteilung der


Lutherischen Lehre über das Wie der Realpräsenz Christi durch das Trienter Konzil. 12






Froh gemut heißt es nun, daß Protestanten wie Katholiken an das Daß der Gegenwart Christi in der


Eucharistiefeier glauben, und das Wie des Sichvorstellens der Realpräsenz, das könne man dann ruhig


spitzfindigen Dogmatikern überlassen mit ihrer Vorliebe für Sophistereien. Aber da sind wir schon zu


vorschnell zu weiteren blutleeren Abstraktionen emporgeschnellt. Bisher hatten wir doch nur konstatiert, daß es eine gemeinsamen lutherischen und katholischen Glauben an die Realpräsenz


Christi in den konsekrierten Elementen gäbe unter Absehung der Lehre vom Wie des Sichdenkens dieser Realpräsenz. Das Abstraktionsniveau ist steigerbar: aus dem Glauben des Daß der Gegenwart


Christi in den konsekrierten Elementen der Eucharistiefeier kann abstrakter die Lehre des Daß in der


Eucharistiefeier gemacht werden unter Absehung der Differenz, ob Christus in den Elementen oder mit den Elementen präsent ist. Die klassische Lehrdifferenz zwischen der lutherischen und der reformierten Abendmahlslehre calvinistischer Prägung läßt sich reduzieren auf die Differenz zwischen der Lehre, der lutherischen, daß Christus in den konsekrierten Elementen präsent ist und der calvinistischen Lehre, daß er mit Brot und Wein, ohne daß eine Veränderung an oder in dem Brot und


Wein geschähe, von den Gläubigen empfangen wird. Die innerprotestantische Aufhebung dieser Lehrdifferenz besteht nun einfach in der solennen Deklaration, daß man allein es für wichtig hält, daß


Christus in der Abendmahlsfeier gegenwärtig ist und daß das Wie seiner Gegenwart als theologische Spitzfindigkeit entwertet wird. Ob der Christ in den Elementen oder mit ihnen Christus empfängt, das


ist nun nach der innerprotestantistischen Versöhnung als gleichgültig erklärt worden.






4. Die Leuenberger Konkordie: oder die Freuden an polyinterpretablen Texten






Die Leuenberger Konkordie als die Versöhnung zwischen dem lutherischen und reformierten Protestantismus gilt aber in ökumenisch engagierten Kreisen als das Muster gelungenen Dialogisierens. Schließlich ist damit ein 400 Jahre währender innerprotestantischer Konflikt aufgehoben worden und jetzt wird Abendmahls- und Kanzelgemeinschaft praktiziert, so erfolgreich,


daß es ein Wunder ist, findet man einen Lutheraner oder Reformierten, der noch von den einstigen


Lehrdifferenzen etwas weiß. Kardinal Scheffczyk weist aber zu recht auf die Problematik dieses


Lehrkonsenses hin!13 Die Konsensformel heißt: „Im Abendmahl schenkt sich der auferstandene Jesus Christus in seinem für alle dahingegebenden Leib und Blut durch sein verheißenes Wort mit Brot und Wein. So gibt er sich vorbehaltlos allen, die Brot und Wein empfangen.“14 Wie wurde hier nun aus zwei unvereinbaren Lehrbestimmungen eine innerprotestantische Wahrheit?


Stellen wir die Antithesen gegenüber:






Lutherisch: In Brot und Wein nach der Konsekration ist Jesus Christus als wahrer Gott und wahrer


Mensch gegenwärtig und wird von allen (zum Heil oder Unheil) durch den Mund aufgenommen. „Das


Heilige Abendmahl ist das von Jesus Christus eingesetzte Mahl, in dem er seinen Leib und sein Blut unter Brot und Wein der Gemeinde zum Essen und Trinken darbietet.“15 Zu unterstreichen ist das


„unter“.



Reformiert: Jesus Christus wird mit dem Brot und dem Wein geistlich aufgenommen, d.h. wie Brot und


Wein mit dem Munde leiblich aufgenommen werden, wird Christus geistlich im Glauben


aufgenommen. Zusatz: Da Jesus Christus als wahrer Mensch zur Rechten Gottes sitzt,


kann er nicht als wahrer Mensch zugleich im Abendmahl präsent sein, so ist er es nur


nach seiner göttlichen Natur. Nur vermittels des Heiligen Geistes kann der Gläubige aber


auch partizipieren am Menschen Jesu.16






Ist Jesus Christus in dem konsekrierten Brot und Wein oder hat er sich spirituell so mit dem Brot und


dem Weine verbunden, daß gilt, daß, wann immer ein Gläubiger Brot und Wein in der Abendmahlsfeier empfängt, er im Glauben aber nur im Glauben ihn empfängt?






Wird Jesu Blut und Fleisch empfangen oder Jesus nur nach seiner göttlichen Natur?


Offenkundig handelt es sich hier um unvereinbare Vorstellungen!






Die Konsensformel wirkt überladen und eigentümlich konfus! Jesus Christus schenkt sich mit Brot und Wein, dieser Zentralsatz der Einigungsformel ist eindeutig reformiert: nicht: in sondern mit.


Die These, er schenke sich durch sein verheißenes Wort, ist dagegen ein von Lutheranern und


Reformierten geteilte Lehre und bezieht sich auf die Lehre vom Wort Gottes und isb. auf das


Predigtwort! Im Predigtwort begegnet der Gemeinde der Herr selbst. Damit wird der Schwerpunkt auf das evangelische Verkündigungswort gelegt, das gläubig gehört, die Aufnahme Christi ist. Nicht die konsekrierten Elemente sondern das Wort bringt Christus der Gemeinde! Die Aussage, daß Christus sich in seinem Leib und Blut durch sein Wort gibt, kann nun aber auch so ausgedeutet werden: Durch


die Einsetzungsworte werden Leib und Blut Christi so präsent, daß in den konsekrierten Elementen,


wo mit dem Brot der Leib Christi, und wo mit dem Wein Blut Christi ist, mit Brot und Wein Christi


Leib und Blut kommuniziert werden. Dann muß das „mit“ nicht als ein Sein außerhalb der konsekrierten Elemente bezeichnen, sondern eine Verbundenheit von Brot und Leib Christi, von


Wein und Blut Christi im jeweiligen Element. Der Lutheraner empfängt dann im konsekrierten


Brot mit dem Brot den Leib Christi, der Reformierte empfängt mit dem Element Brot den Leib Christi


als spirituell außerhalb des Elementes Seiendes. So kommen wir zu dem verblüffenden Ergebnis,


daß der Satz so polyinterpretabel formuliert worden ist, daß beide Lehrstandpunkte in ihn wiedergefunden werden können! Und fragen wir nun, was wird empfangen, Jesus nur in seiner göttlichen Natur oder er als Gottmensch, so bleibt hier die Konsensformel eindeutig uneindeutig.


Daß Jesus Christus sich in seinem Worte schenkt, spricht eher für eine spiritualistische Vorstellung,


daß er also nur nach seiner göttlichen Natur empfangen wird, betont man das: in seinem Leib und Blut, eher die lutherische Position. Aber man kann auch lesen, daß Jesus seinen Leib und sein Blut uns durch sein Verkündigungswort zukommen läßt und dann absorbiert das Wort die menschliche Natur. Also, man legt hier eine polyinterpretable Konsensformel vor, in der jeder, wenn er will, seine


Tradition wieder finden und meinen kann, daß sich im Wesentlichen sein Standpunkt durchgesetzt


hat. Man kann die Formel aber auch als Konsens feieren und einräumen, daß die Aussage unterschiedlich gelesen werden könne, daß dies aber die erzielte Einmütigkeit nicht tangiere.


Diese Polyintrerpretabilität der Aussage, der bewußte Verzicht auf Klarheit ist so gesehen die Art und


Weise, wie sich in der innerprotestantischen Ökumene der Geist des Indifferentismuses manifestiert.


Durch polyinterpretable Texte zur Einheit, welch ein Pyrrussieg ökumenischen Dialogisierens!


Man beachte: Dieser Konsens hat zur Folge, daß ein lutherischer Pfarrer glaubt, daß er in der Kommunion dem Gläubigen den Leib und das Blut Christi in, unter und zwischen den konsekrierten


Elementen austeilt, während der reformiert Gläubige glaubt, nichts als Brot und Wein zu empfangen aus der Hand des Pfarrers und daß er, wenn er dies empfängt durch den Heiligen Geist mit Christus verbunden wird. Aber trotz dieser Differenz sollen beide ein Abendmahl feiern, wobei es ihnen gleichgültig ist, ob im Brot und durch das Brot Christus empfangen wird oder ob er durch den Heiligen


Geist empfangen wird, während man ißt und trinkt. Kann da überhaupt noch von einer Gemeinschaftsfeier gesprochen werden angesichts solcher unüberwundenen Lehr- und Glaubensdifferenzen?


Welche Auswirkungen zeitigt nun diese innerprotestantische Versöhnung für den Katholisch- lutherischen Dialog?






5. Der Katholisch- lutherische Ökumenediskurs der Eucharistie



Die Lutheraner bieten uns nun das zweigesichtige Schauspiel, den Reformierten zu erklären, daß ihnen die Frage, ob Christus in oder nicht in sondern nur mit Brot und Wein empfangen wird, gleichgültig ist, um der Ökumene willen und daß der selbe Lutheraner dem Katholiken sagt, daß es ihm wichtig sei, daß er wie der Katholik glaubt, daß Christus in den konsekrierten Elementen gegenwärtig ist, aber die Frage des Wies mit dem Katholiken zusammen für gleichgültig hält. Die Erklärung der Gleichgültigkeit der bisher als gewichtig angenommenen Differenzen zugunsten der Betonung der abstrakteren Gemeinsamkeit ist so die Quintessenz allen ökumenischen Progresses. Die heutige Ökumene ist nichts anderes als praktizierter Indifferentismus, wobei durch die Unterscheidung vom Was- Glaube und dem Wie des Sicherklärens und Denkens jede Differenz zum Verschwinden gebracht wird.






So könnte man irenisierend urteilen, daß alle Religionen das Daß Gottes glauben, aber im Wie des


Sichvorstellens Gottes sich unterscheiden, so daß das Wie der Gottesvorstellung angesichts des


ökumenischen Konsenses des Daß des Glaubens an Gott irrelevant sei. Das ist dann die Welteinheitsreligion, die nur noch innereligiöse akzidentielle Differenzen kennt.






Hat der ökumenische Dialog mit seiner Freude am Vergleichgültigen einst bestehender Lehr- und


Glaubensdifferenzen im Geiste irenischen Indifferentismuses Auswirkungen für das innere Leben


der Katholischen Kirche? Die ernste Warnung aller Päpste vor dem modernistischen Indifferentismus


läßt uns vermuten, daß gerade hier weitsichtig Gefahren für das Glaubensleben gesehen worden sind!






Verharren wir noch etwas in dem ökumenischen Vorzeige- und Musterdiskurs der Abendmahls/


Eucharistielehre. Ließt man da nicht regelmäßig, daß Übereinstimmung in fast allen Punkten erzielt


worden sei, so daß nun die progressive Basis schon zum ökumenischen Abendmahl dränge, während


im Besitzstandssicherungsdenken Verhaftete immer noch versuchen, die längst mögliche Mahlgemeinschaft zu sabotieren. Lassen wir dieses Gerede auf sich beruhen und stellen Fragen.






Nach Katholischer Lehre ist für die Realpräsenz Christi in den konsekrierten Elementen eine unbedingte Voraussetzung ein gültig geweihter Priester. Durch die sakramentale Weihe wird er dazu befähigt, das Wunder der Transsubstantion zu wirken und so Gott das ihm wohlgefällige Opfer darzubringen.










Nach Lutherischer Lehre kann jeder gültig Getaufte gültig das Abendmahl zelebrieren. Kurz und prägnant heißt es deshalb: „D. h., die Taufe ist die Priesterweihe der christlichen Kirche.“17


Die Ordination ist ein rein kirchenrechtlicher Akt, in dem den Zuordinierenden das Recht zum Vorsitz der Abendmahlsfeier zugesprochen wird. Dieses Recht kann auch Nichtordinierten erteilt werden und wird regelmäßig noch nicht ordinierten Vikaren (Pfarrer zur Ausbildung) erteilt, so daß im Protestantismus regelmäßig Laien gültig der Abendmahlsfeier vorstehen. „daß nur die Träger des


Amtes befugt sind, die allen Christen gemeinsame Befähigung öffentlich wahrzunehmen“ demonstriert die Differenz von Befähigung und Berechtigung und ordnet der evangelischen Taufe


die Befähigung zum Priesterdienst und die Berechtigung dazu der Ordination zu.18 In erfreulicher


Klarheit formuliert die EKD in ihrer Erklärung „Das Abendmahl. Eine Orientierungshilfe zu Verständnis


und Praxis des Abendmahls in der evangelischen Kirche“ : „Nach evangelischem Verständnis ist die Ordination zum Pfarramt keine Weihe, die eine besondere Fähigkeit im Blick auf das Abendmahl und


seine Elemente vermittelt. Jeder Christenmensch könnte die Feier leiten und die Einsetzungsworte


sprechen, weil er durch die Taufe Anteil an dem ganzen Heilswerk Christi bekommt und ohne einen


besonderen priesterlichen Mittler unmittelbar Zugang zu Gott hat (das „allgemeine Priestertum aller Glaubenden).“19


.


Was soll nun ein in der Ökumene engagierter Katholik glauben? Er müßte sagen, daß in einer Katholischen Kirche unbedingt ein geweihter Priester der Eucharistiefeier vorstehen muß, weil nur


ein sakramental Geweihter über die Konsekrationsvollmacht verfügt, so daß Jesus Christus wirklich


sich vergegenwärtigt durch die Wesensverwandlung von Brot und Wein, während er von den protestantischen Kirchen glauben soll, daß in ihnen ungeweihte Laien der Eucharistiefeier vorstehen


können und da genauso Jesus Christus gegenwärtig ist wie in der Katholischen Meßfeier! 20


Ein etwas vorlauter aber nicht unintelligenter Schulbub frug im Religionsunterricht angesichts solcher


Konfusionen: „Woher weiß denn der Jesus, daß er sich in jeder Kirche (in evangelischen und in katholischen) immer anders zu benehmen hat? So müße er in der Evangelischen erscheinen, auch


wenn ein beliebiger Laie die Konsekrationsworte betet, in der Katholischen aber nur, wenn ein Priester


bete, in der Evangelischen habe er sich gleich nach dem Mahl aus Brot und Wein zurückzuziehen nach


der Kommunion, in der Katholischen Messe verbleibe er dagegen in den konsekrierten Elementen bis


ultimo! Wenn da der Heiland mal vergessen würde, sich an die verschiedenen Kirchenlehren zu halten!






Offenkundig ist es Irrsinn, einerseits katholisch die Eucharistie zu glauben und zu feiern und gleichzeitig für die Evangelischen genau das Gegenteil für wahr zu halten! Entweder ist für die Realpräsenz Christi ein gültig geweihter Priester von nöten, dann muß das im Katholizismus wie


im Protestantismus gelten oder es bedarf keines geweihten Priesters, dann muß das aber auch im


Protestantismus wie im Katholizismus gelten. Nicht kann gesagt werden, daß im Protestantismus


es geweihte Priester gibt, denn die Weihe beinhaltet einen sakramentalen Akt, in dem dem Zuweihenden ein charakter indelebilis vermittelt wird, eine unauslöschliche und unverlierbare gnadenhafte Befähigung, die Befähigung zur Konsekration , während der Protestantismus nur


einen rein kirchenrechtlichen Akt kennt, in dem dem zur Abendmahlsfeier befähigten Laien das


kirchliche Recht zum Vorsitz in der Abendmahlsfeier verliehen wird. Deshalb ist theologisch betrachtet


jeder evangelischer Pfarrer kein ordnungsgemäß geweihter Priester, weil ihm die priesterliche Befähigung zur Konsekration fehlt. Denn nach evangelischer Lehre befähigt die Ordination nicht zur Heilsvermittlung.21 Nach katholischer Lehre gilt: „Inhaber der Konsekrationsgewalt ist nur der gültig


geweihte Priester:“22






So soll unser in der Ökumene engagierter Katholik glauben, daß das, was in seiner Kirche nur der


geweihte Priester vermag, in evangelischen Kirchen jeder Getaufte kann ! Die evangelische Taufe


befähigt jeden zum Vorsitz in der Eucharistie, die katholische Taufe verweigert dagegen den Täuflingen diese Befähigung. Wie armselig ist da doch die katholische Taufe in der Vergleichung zur evangelischen, in der gleich jeder zum konsekrationsvollmächtigen Priester geweiht wird. Daß es


nur eine christliche Taufe gibt, wird so zur Absurdität; es gibt eine evangelische Taufe, die die Weihe


zum Priester inkludiert und eine katholische, die diese Weihe nicht inkludiert. Wenn nun irgendwer


in Anlehnung an Pontius Pilatus die Frage aufwirft: „Was ist Wahrheit?“ muß er angesichts der Konfusionen resigniert verstummen. Es ist keinem Gläubigen zumutbar, glauben zu sollen, daß


die von Christus gestiftete Taufe im Protestantismus anders wirkt als in der Katholischen Kirche,


daß im Protestantismus Laien das Wunder der Vergegenwärtigung Christi wirken (als Zweitursache


natürlich) und in der Katholischen Kirche dies ausschließlich geweihten Priestern (als Zweitursache) möglich ist!
Offenkundig verlangen die ökomenischen Konsense, daß Katholiken einerseits katholisch glauben sollen (z.B., daß nur ein geweihter Priester das Wunder der Konsekration vollziehen kann) und andererseits sollen sie glauben, daß der dem entgegengesetzte Lehrstandpunkt der Evangelischen,
daß jeder getaufte Laie konsekrationsvollmächtig ist, auch wahr ist. Unvereinbares als gleich wahr zu
glauben, das ist das Absurde der Ökumene, die den Indifferentismus, ist doch alles irgendwie gleich-gültig, aus sich heraussetzt und zum Lebensprinzip gelebter Ökumene werden läßt.
Wenden wir uns mit Grauen ab von diesen ökumenischen Absurditäten im Gebiete der Eucharistie undfragen prinzipieller, was die These der Gleichgültigkeit der protestantistischen mit der katholischen Christentumsauffassung für das innerkatholische Leben für Folgen aus sich heraussetzt .
Offenkundig führt die Haltung des Indifferentismuses dazu, daß die Differenzen zwischen der katholischen und der protestantischen Auffassung des Christentumes wahrgenommen aber als
unbedeutend erachtet werden. Kardinal Lehmanns Äußerung: „In der Frage der Eucharistie scheinen mir die Differenzen vor allem mit den lutherischen Kirchen nicht mehr so groß zu sein.“23 ist so ein
bedauerliches Musterbeispiel des Indiffferentismuses, der alle weiterhin unverändert bestehenden Grunddifferenzen einfach als bedeutungslos erklärt. In welcher Hinsicht unbedeutend? Traditionell formuliert würde die Antwort lauten, daß die wahrgenommenen Differenzen keine Bedeutung für das Seelenheil haben, moderner würde man sagen, daß beide Auffassungen trotz ihrer Differenz als wahre Ausdeutungen des Christentumes gewertet werden können.

Das bedeutet nun für den gläubigen Katholiken, daß er einerseits glauben soll, um bei der Thematik
der Eucharistie zu bleiben, in dem das Problem des Indifferentismuses hieran veranschaulicht werden soll: es soll wahr sein, daß die Eucharistie, wie sie die Katholische Kirche lehrt und praktiziert, wahr ist, und gleichzeitig soll gelten, daß die evangelische Abendmahlsfeier auch wahr ist! Wenn diese beiden Aussagen wahr sind, drängt sich der Gedanke auf, daß die Schnittmenge, das, was sowohl in der Eucharistie als auch im Abendmahl identisch ist, das Wahre und das, was nicht gemeinsam Unwichtige ist. Wenn die Katholische Kirche lehrt, nur ein Priester könne die Eucharistie gültig feiern und die Protestanten urteilen, daß jeder Getaufte gültig der Abendmahlsfeier vorstehen kann, was kann dann da die gemeinsame Wahrheit sein? Miteinander unvereinbare Aussagen haben keine gemeinsame Schnittmenge. Die Lösung des Indifferentismuses kann nur lauten, daß es gleichgültig ist, ob ein geweihter Priester oder ein getaufter Laie der Feier vorsteht. Die Vergleichgültigung der
Differenz kann nun durch einen herbeizitierten Christozentrismus erreicht werden: Der wahre Spender der Sakramente sei Christus selber und da er das eigentliche Subjekt der Spendung sei, sei es unwichtig für die Gültigkeit, ob ihm ein Priester oder Laie sekundiert. Aus der Bestimmung, daß nurein geweihter Priester gültig die Eucharistie spenden kann, wird so die Abstraktion, daß Christus der Grund der Gültigkeit der Sakramentenspendung sei und daß es nur eine Frage des individuellen Geschmackes der Konfessionen sei, daß sie dann entweder nur Priester oder Pfarrer und beauftragte
Laien zu Vorstehern der Eucharistiefeier berufen.

Abstrakter formuliert: Alles, worin das Katholische sich vom Protestantismus und der Protestantismus sich vom Katholizismus unterscheidet, muß um der These der Gleichwahrheit beider Konfessionen als akzidentieles Beiwerk herabgewürdigt werden und von Bedeutung habe nur das Beiden Gemeinsame.Dem gläubigen Katholiken zerfällt so sein katholischer Glaube in etwas wesenhaft Wahrhaftiges, und das ist das diffus unbestimmte Christliche in beiden Konfessionen, und in etwas sekundär Dekoratives, dem, was das Katholische in seiner Differenz zum Protestantismus ausmacht. Und gerade das spezifisch Katholische, das soll nun dem ökumenisch eingestellten Katholiken das Unwichtige sein. Das viel diskutierte Wort, daß in der Römisch- Katholischen Kirche die wahre Kirche subsistiert wird im Geiste des ökumenischen Indifferentismuses dann notwendigerweise so verstanden: nur das Christliche, das was auch im Protestantismus, ja in jeder christlichen Gemein-schaft ist, das ist das wahre Christentum, daß in der Katholischen Kirche von Unmengen von katholischem Sondergut ummantelt ist, aber gerade diese Umkleidung ist nicht die wahre Kirche, das ist nur das Gemeinchristliche, daß in allen christlich sich verstehenden Gemeinschaften lebendig ist.

In einem Worte: dem Katholiken wird so das Katholische das Unwichtige, weil ihm nur noch das Christliche das Wahre ist und das ist das kleinste Gemeinsame unter allen Christgläubigen. Offenkundig wird so der gläubige Katholik seiner Religion entfremdet, indem ihm doziert wird, daß gerade das Katholische, das, was es von allen anderen Christentumsauffassungen distinguiert, ihm
 eigentlich unwichtig sein sollte; es sei nur unnötiges Dekor. Es bedarf keines großen Nachdenkens, um die Folgen eines solchen modernistischen Indifferentismuses bestimmen zu können: gerade die spezifisch Katholischen Lehren und religiösen Praktiken werden als eigentlich unwichtige ihres Lebens beraubt; es bleibt ein ausgedörrtes, blutleeres Christentum des kleinsten gemeinsamen Nenners übrig. Das kann dann als folkloristische Beigabe ökumenisch Engagierten vorgeführt werden, aber nur noch unter der Voraussetzung, daß das alles völlig bedeutungslos ist. Gerade das aber ist der Zentralangriff des Indifferentismuses : das Katholische wird vergleichgültigt im Sinne von, daß es doch egal sei, wie man Christ sei, ob katholisch, orthodox oder protestantisch, es zählt das konfessionslose  bloße Christsein und dahinter stehen schon die Verkünder des interreligiösen Dialoges mit ihrer Parole, daß es gleichgültig sei,ob man christlich,muselmanisch sadistisch oder jüdisch an Gott glaube, es käme nur darauf an, daß an Gott geglaubt würde24. Diese Vergleichgültigung zerstört nun aber jedenlebendigen Glauben. Und das ist das lau gewordene Christentum in der Ägide der Ökumene.

6. Resümee

Der Triumphalismus des Indifferentismuses, der sich in dieser Art von Ökumene manifestiert, gründet sich in der Geisteshaltung des Modernismuses mit seiner Zentralthese, daß alle Religionen auf ihre Weise wahr und gleichwertig sind. 25 Und gerade das macht den Modernismus so attraktiv und gef ährlich in den Zeiten der Globalisierung mit der Tendenz zur Kreierung einer Welteinheitsreligion, in der alle bestimmten Religion untergehen zu drohen.

Uwe Christian Lay


Fußnoten:

1 Vgl: Syllabus § 3, 15. „Es steht jedem Menschen frei, diejenige Religion anzunehmen und zu bekennen, die man vom Lichte der Vernunft geführt, für wahr erachtet. 16. Die Menschen können im Kult jedweder Religion den Weg zum Heil finden und das ewige Heil erlangen. 17. Wenigstens muß man gute Hoffnung für das Heil all jener hegen, die sich überhaupt nicht in der wahren Kirche Christi befinden. 18. Der Protestantismus ist nichts anderes als eine unterschiedliche Form derselben wahren christlichen Religion, in der es ebenso wie in der katholischen Kirche möglich ist, Gott zu gefallen.“ DH 2005 40.Auflage, 2915- 2918.
2 Vgl, Amerio, R., Der Ökumenismus, in: Jota Unum, 2000 S.537- 567.
3 Kardinal Ratzinger, Theologische Prinzipienlehre, 1982 S.399.
4 Pietrek, W., Die vielen Völker und das eine Gottesvolk, in: Kirche, Zeitgeist, Nation ,Hg: Dewald, W. , Motschmann, K. 2006 S.184.
5 Zitiert nach: Pietrk, W., a.s.O. S. 185.
6 Amerio, R., Der Ökumenismus, in: Jota Unum, 2000 S.566f.
7 DH, 2005 40.Auflage 4101.
8 Lings, M. zitiert nach: Kirche, Zeitgeist, Nation , Hg: Dewald, W., Motschmann, K., 2006 S.7.
9 Kardinal Scheffczyk, Ökumenismus und Konversionen, in: Scheffczyk, Ökumene, 2004 S.338.
10 Kardinal Scheffczyk, Ökumenismus und Konversionen, in: Scheffczyk, Ökumene, 2004 S.339.
11 Kardinal Scheffczyk, Das Problem der Aufhebung der Lehrverurteilungen, in: Ökumene 2004 S.234.12 Vgl: DH 2005, 40. Auflage 1652. Bezeichnenderweise wird diese Verwerfung im ökumenischen Dialog einfach überlesen, verurteilt sie doch die Lehre, daß nach der Konsekration die Substanz des Brotes und Weines erhalten bleibt, also die genuin lutherische Lehre.
13 Vgl: Kardinal Scheffczyk, Das Problem der Aufhebung der Lehrverurteilungen, in: Ökumene 2004 S.234f.
14Zitiert nach: Kardinal Scheffczyk, Das Problem der Aufhebung der Lehrverurteilungen, in Ökumene 2004 S.235.
15D. Lange (Hg), Überholte Verurteilungen? 1991 S.89.
16Vgl: Heidelberger Katechismus Frage 75- 79. In Frage 76 wird deutlich, daß nach reformierter Lehre das Essen und Trinken des Leibes und Blutes Jesu Christi nichts anderes meint, als an ihn zu glauben. Die Kommunion ist nur eine äußere Handlung, die auf die innere spirituelle Speisung durch Christus verweist: „ Darüberhinaus will er uns durch dieses sichtbare Zeichen und Pfand gewiß machen, daß wir so wahrhaftig durch seinen Heiligen Geist an seinem Leib und Blut Anteil bekommen, wie wir diese heiligen Wahrzeichen mit unserem Mund zu seinem Gedächtnis empfangen.“ Frage 79, zitiert nach: Evangelisches Gesangbuch, 1996 Verlagsgemeinschaft S.1636.
Zu beachten ist, daß nicht durch Brot und Wein sondern in einer Parallelaktion der Heilige Geist das Herz des Gläubigen speist, während der Mund nur Brot und Wein als Verweiszeichen auf die eigentlichspirituelle Kommunion empfängt.
17Lange, D. (Hg), Überholte Verurteilungen, 1991 S.116.
18Lange, D. (Hg), Überholte Verurteilungen 1991 S.116.
19Zitiert nach: Theologisches Sept/Oktober 2007 Sp. 358.
20Der Liturgiewissenschaftler F. Nikolasch folgert aus der Tatsache, daß katholischerseits nicht eine heilsame Gegenwart Christi in der protestantischen Abendmahlsfeier bestritten wird: „Dann müsse das gleiche auch für die
Katholiken gelten; folglich sei eine Eucharistiefeier ohne Priester möglich.“ in: R.Schermann (Hg), Wider den Fundamentalismus- Kein Zurück hinter das II. Vatikanische Konzil, 1990 S.69.
21Vgl: Lange, D. (Hg), Überholte Verurteilungen 1991 S.119.
22Ott, L., Grundriß der Dogmatik, 2005 11.Auflage S.543.
23Zitiert nach: Theologisches Sept/Oktober 2007 Sp.360.
24„Müssen wir christologisch abrüsten, um interreligiös dialogfähig zu werden?“ frug der evangelische Dogmatikern Bernhardt laut: Die Tagespost vom 23. 12.06. zitiert nach: Theologisches 9/10 2007 Sp.328. 
25Vgl: Pius X, Pascendi Dominici Gregis, Hg Th. Jentzsch 2005 S.36- 39.

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