Samstag, 31. März 2018

Dem Leiden Sinn geben?

Sinn, ist das etwas, was der Mensch entdeckt als etwas einem Inhärierendes oder gibt er etwas einen Sinn? Wer so frägt, präsumiert, daß es entweder so oder so ist. Wie nun, wenn Beides wahr sein könnte? Der Apostelfürst Paulus schreibt im Kolosserbrief: "Jetzt freue ich mich in den Leiden für euch, und ergänze das an meinem Fleische,was an den Leiden Christi noch mangelt für seinen Leib, welcher die Kirche ist." (1,24). 
Fragen wir: Ist jedes Leiden von Christen eines, das ergänzt, was am Leiden Christi für die Kirche noch fehlt? Oder sollte gar das "an meinem Fleische" so gelesen werden, daß nur ein physisches und nicht etwa ein seelisches Leiden einen solch ergänzenden Charakter hat? Fragen wir weiter. Wenn Christus am Karfreitag für uns sein Kreuz erleidend genug gelitten hat zur Sühne unserer Schuld, warum leiden dann noch Christen nach Karfreitag, erleiden ihre Karfreitage in der Nachfolge Christi? Offensichtlich versucht hier der Apostelfürst auf diese letzte Frage eine Antwort: Warum leiden Christen noch, wenn Christus doch schon das Kreuz erlitten hat? Eine mögliche Antwort ist: Weil Jesus Christus hinreichend gelitten hat und das nicht nur am Kreuze des Karfreitages, dann ist nach dem jedes andere Leiden ein sinnloses geworden. Kein Christ bräuchte mehr zu leiden. Wenn er trotzdem leidet, dann ist es seine Aufgabe im Geiste der Liebe zu sich selbst, dies so sinnlos gewordene Leiden zu beseitigen, soweit es ihm möglich ist. So handhabt es ja auch jeder Christ im praktischen Leben. Leide ich an schwerem Kopfweh, nehme ich Tabletten zur Beseitigung dieses Leidens oder suche bei anhaltendem Weh einen Arzt auf. Wer käme da auf die Idee sich zu sagen: "Nun ergänze ich mit meinem Leiden das Leiden Christi und darum will ich meine Kopfschmerzen in Geduld ertragen, wie auch der Sohn Gottes, obgleich er als Allmächtiger jederzeit von dem Kreuze herabsteigen und so sein Leiden beenden hätte können, sein Kreuz bis zum bitteren Ende ertrug."
(Zusatz: Spontan kapriziert man sich beim Betrachten des Kreuzes auf das körperliche Leiden Jesu-das gerade so beeindruckend Mel Gibsons Film: "Die Passion" uns vor Augen führt, aber übersieht dann das seelische Leiden des Sohnes im Wissen, daß dieser grauenhafte Kreuzestod der Wille seines göttlichen Vaters ist: Mein Vater will meinen Tod, diesen  Kreuzestod, den Tod seines einzigen Sohnes.)
Nein, die Praxis Jesu vor Augen, Leidenden zu helfen, er machte Blinde sehend und nicht sagte er zu einem Blinden: Ertrage dein Leiden, denn so büßt du deine Sünden ab!, ist auch die erste Praxis des Christen auch in der Nachfolge Jesu, eigenes Leiden zu vermeiden und wenn ein Christ leidet, etwa an einer Krankheit, einen Arzt zu konsultieren, um dem Leiden ein Ende zu bereiten. Aber es gibt nun noch eine zweite Praxis, die ihren Grund in dem Faktum nicht mehr sanierbaren Leidens hat. Ich leide und mein Leiden ist nicht mehr beseitigbar.
Jetzt könnte man an die kluge Unterscheidung in der stoischen Philosophie denken (aus der das Urchristentum so manches rezipierte, etwa das berühmte paulinische als ob nicht- 1.Kor 7,29-31): Was du ändern kannst, das ändere -sofern es dir Leiden verursacht- und das, was du nicht ändern kannst- obgleich es dir Leiden bereitet- das lerne hinzunehmen, wie es ist.  Wo ich leide und mein Leiden nicht mehr beseitigen, therapieren kann, da muß ich es als Fatum hinnehmen. Aber als Christ kann ich dies schicksalshafte Leiden jetzt vom Kreuze Christi her deuten als: Gott gibt mir dies Leiden, damit ich es als meine Teilhabe am Leiden Christi deute und bejahe. Wenn ich es bejahe als Ergänzung des Leidens Christi, dann und nur dann wird mir dies Leiden zu einem sinnerfüllten. In diesem Nach-Karfreitagsleiden steckt sozusagen die Potentialität, es als ergänzendes Leiden zu deuten und so ihm Sinn zu geben. Es ist sozusagen ein performativer Akt: Gott, nimm mein Leiden als ergänzendes Opfer an! Der Gläubige opfert sein Leiden auf paulinisch zum Nutzen der Kirche.
So sagt ja der Engel zu den Seherkindern von Fatima: "Bringt dem Herrn immerwährend Gebete und Opfer dar als Sühne für die vielen Sünden, durch die er beleidigt wird". (Hochsommer 1916) Von daher könnte Paulus so verstanden werden: Es gibt für uns Christen die Möglichkeit, das Leiden, das wir nicht therapieren können, als Opfer Gott darzubringen. Wir treten damit in die Nachfolge Jesu Christi, der durch sein Leiden die Welt erlöste, indem er uns so in seinen Dienst stellt als seine Mitarbeiter. Dann hieße dies zuerst so befremdliche Vorstellung des Mangels am Leiden Christi, daß Jesus an seinem Kreuz uns einen Platz freiräumte, in dem wir unser Leiden als Opfer einbringen können zum Gnadenschatz der Kirche. Gott will uns nicht nur als Empfänger des am Kreuz gewirkten Heiles, er würdigt uns auch, Mitarbeiter am Heilswerk Christi zu sein. So gesehen wäre gerade der stigmatiserte und heilig gesprochene Pater Pio das Musterbeispiel für solch einen "Ergänzungsdienst" im Sinne des Paulus. Stigmatisiert durch die Wunden Christi, die er an sich trug, ergänzte er das Leiden Christi für die Kirche.           

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