Samstag, 10. Februar 2018

Zwischen Gesetzesrgorismus und Gewissensanarchie

Jetzt, wo wir in der Morallehre der Katholischen Kirche einen Paradigmenwechsel erleben und erleiden, vorangetrieben durch den jetzt amtierenden Papst, daß nach der Zulassung von Geschieden- Wiederverheirateten zum Empfang der hl. Kommunion, natürlich nur "im Einzelfall" jetzt wohl die Zulassung von künstlichen Verhütungsmitteln - natürlich auch nur "im Einzelfall" ansteht und auch die Segnung von Homopaaren- auch nur "im Einzelfall", steht die Klärung des Verhältnisses von einem allgemeingültigen Gesetz  und dem "Einzelfall" als Ausnahme auf der Tagesordnung des theologischen Denkens.
Ein Beispiel für ein rigoristisches Gesetzesverständnis:
Ein Sankafahrer transportiert einen Schwerstverletzten ins nächst gelegende Spital. Ein Verkehrsschild sagt: Hier darf nicht schneller als 70 gefahren werden. Darf nun der Sankafahrer schneller als 70 fahren, wenn der Fahrer die Verkehrslage und sein fahrerisches Fahrvermögen so einschätzt, daß er hier schneller als 70 fahren kann, um den Verletzten schnellstmöglich ins nächste Krankenhaus zu fahren.
Ein rgoristisches Gesetzesverständnis würde nun so urteilen: Die Ordnung des Straßenverkehrs muß von jedem Teilnehmer am Verkehr eingehalten werden, denn erlaubte man das Übertreten auch nur einer Bestimmung, würde sich in Bälde Niemand mehr an die Regeln halten, natürlich immer mit dem Argument, daß zwar im Prinzip die Straßenverkehrsordnung einzuhalten sei, aber im Einzelfalle dürfe davon abgewichen werden. 
Das hieße für diesen Fall, daß der Sankafahrer die Geschwindigkeitsbeschränkung einhalten muß, auch wenn dann ob der späteren Ankunft im Spital (hätte der Fahrer sich nicht an diese Verkehrsregel gehalten, wäre er früher angekommen) der Schwerstverletzte verstorben ist. Dem Fahrer träfe dann daran keinerlei Schuld, weil er sich gesetzeskonform verhalten mußte.  Der Grundsatz der rigoristischen Moral lautet eben, daß das Gute und Richtige zu tuen ist, auch wenn die Welt daran zu Grunde geht!
Den extremen Gegenpol bildet der Gewissensanarchismus: Die Straßenverkehrsordnung bildet nur einen vorgeschlagenen Rahmen für das: Wie verhalte ich mich im Straßenverkehr, aber in der Praxis sagt letztendlich nur mein Gewissen, was ich zu tuen und was ich zu lassen habe. Ein Beispiel zur Veranschaulichung: Wenn mir mein Gewissen sagt, daß ich auch noch nach 3 ausgetrunkenen Maß Bier Autofahren kann, dann darf ich das auch, denn das allgemeine Gesetz des Straßenverkehrs kann ja gar nicht meinem individuellen ganz persönlichem Falle gerecht werden.
Beide Extreme sind Fehlwege für die Moraltheologie, aber es kann nicht übersehen werden, daß die Kirche unter Papst Franziskus zum Gewissensanarchismus tendiert. Faktisch wird aber diese Neigung zum Anarchistischen aufgefangen durch das Faktum, daß die ach so individuell entscheidenden Gewissen eingeordnet sind in die öffentliche Meinung, dem Gerede, und so im Regelfalle so entscheiden, wie man es jetzt für allgemein richtig hält. Die Moraltheologie im Geiste Papst Franziskus emanzipiert den Gläubigen so von der Morallehre der Kirche, um ihn dann dem allgemeinen Gerede, was man für gut  und was  für böse man hält, unterzuordnen. Was gut und was böse ist, definiert in den westlichen Gesellschaften die politische Korrektheit. So ist die Realität der Gewissensfreiheit nur die Herrschaft dieser Ideologie über den Einzelnen. 
Allerdings setzen conservative Kritiker dem nun auch oft nur einen Gesetzesrigorismus entgegen, der in seiner Treue zum Buchstaben des Gesetzes dem Gesetz selbst nicht gerecht wird. Was fehlt ist eine ausgefeilte Kasuistik, die ausgehend von höchsten Prinzipien zeigt, wie in bestimmten Klassen von Fällen, etwas Unmoralisches doch sogar geboten sein kann. Ein Beispiel: Wenn ein Christ einen anderen Christen nur durch einen Meineid vor der Todesstrafe wegen Blasphemie in einem islamischen Land retten kann,  dann muß ein Meineid erlaubt sein. Denn durch das Unterlassen eines Meineides würde ein Schaden entstehen, daß ein Christ zu Tode verurteilt wird, weil er den Islam kritisiert hatte, der viel größer wäre als der des Meineides. Hier darf die Entscheidung nicht einfach dem Gewissen überlassen werden- es bedarf einer Kriteriologie, wie eine Entscheidung zu treffen ist, wenn durch ein gesetzeskonformes Handeln ein nicht rechtfertigbares Leid entsteht, das aber nur durch ein Unrechttuen verhinderbar ist.          
   

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