Dienstag, 25. Oktober 2016

Irritierendes - radicale Nachfolge und die Hierarchie

Wer kennt diese Aussage nicht: "Willst du vollkommen sein, so gehe,verkaufe, was du hast und gib es den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben;und komm, folg mir nach!"(Mt, 19,21) Wie nun aber, wenn der so Angesprochene respondiert hätte: "Ich bin verheiratet, habe 4 Kinder.Was soll aus meiner Familie werden, verkaufte ich alles, gäbe es den Armen?" Gibt es nicht soziale Verpflichtungen, denen sich auch und gerade ein Reicher nicht entziehen kann, ohne gegen das Gebot der Nächsteliebe zu verstoßen? Angestellte bekommen von mir ihr Gehalt, verkaufte ich alles, sie wären ihren Boterwerb los!
Ist diese hier von Jesus Christus geforderte Nachfolge nur etwas für Menschen ohne jede soziale Verpflichtungen? Oder was wäre das für eine "Vollkommenheit", würde ein Ehemann Frau und Kinder so verlassen, um so Jesus nachzufolgen? Wäre dies nicht eine zutiefst unmoralische Handlung?  
Muß man vollkommen sein in diesem Sinne,um Nachfolger Jesu Christi sein zu können und so ins Reich Gottes eingehen zu können? Wenn eure Gerechtigkeit nicht größer ist als die der Pharisäer, werdet ihr nicht eintreten in das Himmelreich (Mt 5,20), ist die Zentralaussage der Bergpredigt.Gehört zu dieser größeren Gerechtigkeit, daß man alles, was man besitzt, den Armen gibt, um so Jesus Christus nachzufolgen? 
Einfach könnte man es sich nun machen, urteilend, daß diese radicale Nachfolegpraxis nur einen Sinn mache, geht man davon aus, daß in kürzester Zeit das Ende der Zeit kommt und das Endgericht. Da nun aber das Eintreten des Reich Gottes wider die Naherwartung der Urgemeinde sich nicht erfüllt habe, brauchte man nun doch eine Nachfolgeethik, die mit den Notwendigkeiten des sozialen Lebens in Einklang zu bringen war. Anfänglich glich die Urgemeinde einer auf dem Bahnhof auf die Zugeinfahrt wartenden Gruppe,die nur eine kurze Wartezeit zu überbrücken hatte. Da konnte man Jesus radical nachfolgen, alles weggeben, weil doch gleich das Reich Gottes einbräche.Als aber die Wartezeit sich immer mehr verlängerte, brauchte man eine Lebensordnung für die Wartegruppe. Und da mußte eben die Nachfolge entradicalisiert werden.Der Reiche brauche nur ein Zehntel (als Kirchensteuer) abzugeben, und das genüge. Oder: Es käme nicht auf das äußerliche Verkaufen an, sondern an die innere Herzenseinstellung. Der Reiche dürfe sein Herz nicht an seinen Reichtum hängen, sondern es ganz allein auf Gott ausrichten. Das wäre das innerliche Sichlosmachen vom Reichtum und das wolle Jesus eigentlich. 
Es gibt Möglichkeiten, so Jesu Christi radicale Nachfolgeforderungen zu entdramatisieren und sie zu lebbaren Forderungen zu machen. Aber der Dorn dieser radicalen Nachfolge bleibt in der christlichen Religion- und zugleich das Wissen, daß nicht jeder so radical Jesus nachfolgen kann.Ohne diese geforderte radicale Nachfolge gäbe es kein christliches Mönchtum, aber würde die Kirche lehren, daß nur die so konsequent Nachfolgenden in das ewige Leben eingehen könnten, das wäre schwerlich noch mit dem Glauben an einen gnädigen Gott vereinbar. 
These: Die katholische Antwort ist die der Hierarchisierung! Weil einige wenige die Nachfolge so radical leben, kommt diese Nachfolge allen Gliedern der Kirche zu gute und ergänzt den Mangel der Nachfolge der Vielen. Das ist der Kerngedanke der Lehre  des Gnadenschatzes der Kirche, der allen Gliedern der Kirche zugute kommt. Diese Lehre nimmt die Radicalität Jesu Nachfolge ernst, weiß aber, daß so nicht alle nachfolgen können, etwa ein verheirateter Christ und ermöglicht es, daß so auch die nicht so radical Nachfolgenden in das ewige Leben eintreten können. Nicht als Einzelner, sondern als Glied der Kirche wird der Christ im Endgericht freigesprochen zum ewigen Leben. Die Hierarchisierung in der Kirche besagt also, daß nur wenige radical nachfolgen brauchen, damit diese gelebte Praxis dann allen Gliedern der Kirche zugute kommt. 
Das hieße, daß die einen wenigen vollkommen sind ob ihrer Nachfolgepraxis und daß die vielen anderen nur vollkommen werden dadurch, daß ihnen die Nachfolgepraxis der Wenigen zugute kommt, sodaß auch sie so vollkommen werden.       

                 

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