Montag, 16. Mai 2016

Allein aus Glauben- eine Condition des Heiles?

"Der Glaube des Menschen gehört in das Geschehen seiner Rechtfertigung durch  Gott hinein. Aber "per fidem" will nicht so verstanden sein,als ob der Glaube die Bedingung  wäre, die nun doch von Seiten des Menschen erfüllt werden muß, damit Gott ihn gerechtsprechen kann; als ob anstelle der Leistung von Werken nun eben die (womöglich als ein Kraftakt intellektueller Selbstüberwindung zum "Fürwahrhaltn" des Unbegreiflichen verstandene) Leistung seines Glaubens zu treten hätte. So kann der Glaube sich unmöglich selbst verstehen, weil er ja gerade dies ist: Sich schlicht gesagt sein lassen und sich daran halten, daß Gott in Christus bedingungslos annimmt." W. Joest, Dogmatik Bd.2 Der Weg Gottes mit dem Menschen, 1986, S.467.
Die hier praktizierte  Herabsetzung des Begriffes der Leistung verdankt sich offenkundig dem Alt68er Zeitgeist, die Polemik gegen das Verstehen des Glaubens als ein Fürwahrhalten dem modischen Trend zum Antiintellektualismus und es ist wohl keine zu arge Polemik, wenn wir bei dem Begriff des Unbegreiflichen spontan an  Theologiestudenten denken, die die Hochkultur des theologischen Denkens, von der Trinitätslehre angefangen bis hin zu den Versuchen, Theologie mit zeitgnössischer Philosophie ins Gespräch zu bringen, schlicht überfordert. Es kommen immer wieder in der Kirchengeschichte Zeiten, wo die Nachfolgenden von den Denkleistungen ihrer Vorgänger überfordert werden und sich nach großen Versimplifzierungen sehnen.
So viel als kleine Vorbemerkung. Nun zum Kernproblem! Selbstverständlich versteht die Verkündigung Jesu Christi den Glauben und zwar den wahren als die Bedingung für das Heil des Menschen. Aber dann müßte Luther konzedieren, daß der Mensch nicht allein aus Gnaden erlöst wird sondern nur, wenn er auch glaubt. Bedenke ich die Aussage: "Ein Mensch glaubt", dann ist daran der Mensch als Subjekt einer Tätigkeit gesetzt, die er hervorbringt, sonst wäre er nicht das Subjekt, das glaubt. Luther mußte also das Subjekt, das glaubt, eskamotieren, um des allein aus Glaubens willen. Das tat er auch, indem er bestritt, daß der Mensch das Subjekt seines Glaubens ist! Die Gnade glaubt durch uns und das soll dann unser Glaube sein. Oder Luther sagt, daß die Gnade den Willen des Menschen so determiniert, daß er glauben muß. Dann ist der Glaube nicht mehr sein freies Tuen, sondern die Gnade instrumentalisiert den Willen des Menschen, sodaß er glauben muß. 
Joest hat dies Problem vor Augen und versucht nun, den Glauben des Menschen so zu denken, daß er keine Leistung, kein Tuen des Menschen ist und er doch der Glaube des Menschen ist. Nur: Sich sagen lassen und sich daran halten sind nun mal menschliche Tätigkeiten und wenn das Sich sagen Lassen die Voraussetzung für die Rechtfertigung ist, dann muß der Mensch die "Leistung" vollbringen, das sich sagen zu lassen und dann daran festzuhalten. So kommt hier wieder das menschliche Subjekt zu stehen, das etwas tuen muß, damit es gerechtfertigt wird. Damit ist aber die Vorstellung einer bedingungslosen Annahme seitens Gottes schon negiert!
Wenn an dem Glauben als Bedingung des Heiles festgehalten werden muß, weil diese Bedingung bei diesem Versuch seiner Negation sich wieder neu einstellt als das Subjekt, das sich etwas sagen läßt, dann bliebe nur der ursprünglich lutherische Weg übrig, nämlich den Glauben als Tuen des menschlichen Subjektes zu negieren. Die göttliche Gnade affiziert das menschliche Subjekt so, daß es glauben muß. Die Gnade erfüllt so die Bedingung des Glaubens, weil das menschliche Subjekt den Glauben nicht selbst hervorbringt. 
Wenn Paulus also schreibt, nicht ich, sondern die Gnade mit mir (1.Kor. 15, 10), so macht die lutherische Theologie daraus: Die Gnade durch mich! und streicht somit faktisch den Subjektscharakter des Menschen, denn Subjektsein heißt, Träger freien Wollens und Tuens zu sein und nicht durch anderes determiniert zu sein, auch nicht durch die göttliche Gnade.
Die zeitgenössische lutherische Theologie neigt deshalb dazu, in Anlehnung an den reformieren Theologen Karl Barth, den Glauben nur noch als die Anerkennung des in Jesus Christus gewirkten Heiles zu verstehen und nicht mehr wie Luther als die Aneignung des Heiles. Jetzt gilt objektiv allen das Heil und die Gläubigen unterscheiden sich nur durch die Erkenntnis des Heiles von den Nichtgläubigen. Darum kann dann auch auf jede Mission verzichtet werden,weil jedem das Heil schon objektiv gilt. Jetzt wird erst jeder bedingungslos gerechtfertigt, weil nun der (wahre) Glaube für das Heil als überflüssig gilt. So transformiert sich das "Allein aus Glauben" zu einem "Ganz ohne Glauben"!               

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