Mittwoch, 27. April 2016

Eine provokannte Frage zu Gott - Lesefrüchte

"Ein angemessener Ausgangspunkt wäre die folgende Schellingsche Frage gewesen: Was bedeutet die Menschwerdung Gottes in Gestalt Christi, sein Herabsteigen aus der Ewigkeit in das zeitliche Reich unserer Wirklichkeit , für Gott selbst?"Diese für wahr  irritierende Anfrage verdanken wir: Slavoj Zizek, Ost und West begegnen sich, in: Die Puppe und der Zwerg. Das Christentum zwischen Perversion und Subversion, 2003, S.14. Die Frage stört in unserem anthropozentristischen Denken, das selbst die zeitgenössische Theologie bestimmt mit ihrer permanenten Frage nach der Relevanz jeder theologischen Aussage für das Leben des Menschen, als  wäre der Mensch, ich, der Mittelpunkt des Universums, sodaß alles nur ist, wenn es eine Relevanz für mich hat. Die Antworten nach der Relevanz lautet dann, welch eine Einfalt moderner Theologie auch immer gleichlautend, daß jede theologische Aussage immer nur ein Appell an den Menschen sei, human zu leben, solidarisch, emphatisch, auf den Nächsten schauend....Der Begriff der Nächstenliebe ist irgendwie in Mißkredit geraten, vielleicht weil er nur noch als fader Aufguß wirklicher Liebe, der erotisch- geschlechtlichen empfunden wird. Daß Theologie aber die Lehre von Gott ist, und darum die Inkarnation als ein Ereignis Gottes auch und zuvörderst für Gott selbst zu begreifen hätte, das ist der zeitgenössischen Theologie völlig abhanden gekommen. 
Slavoj gibt nun im Geiste Schellings, auch wenn dieser Antwortversuch hegelianisch anmutet, was aber bei diesem Hegelkenner nicht verwunderlich ist, diese Antwort, die nicht kompatibel ist mit der herkömmlichen Gotteslehre.
" Was, wenn das, was uns sterblichen Menschen als Herabsteigen Gottes zu uns erscheint, vom Standpunkt Gottes aus ein Aufstieg wäre? Was, wenn die Ewigkeit, wie von Schelling impliziert, weniger wäre als die Zeitlichkeit? Was, wenn die Ewigkeit ein steriler, ohnmächtig-impotenter, lebloser Bereich reiner Potentialitäten ist, der eine zeitliche Existenz durchlaufen muß, um sich zu aktualisieren? Was, wenn Gottes Herabsteigen zu den Menschen, weit davon entfernt, ein Akt der Gnade gegenüber den Menschen zu sein, für Gott die einzige Möglichkeit wäre, volle Aktualität zu erlangen und sich von den beklemmenden Zwängen der Ewigkeit zu befreien? Was, wenn sich Gott nur dadurch aktualisiere, daß er von den Menschen anerkannt wird?" (S.14) Leicht könnte man es sich nun machen, und all diese Fragen als häretisch abzuurteilen. Man wird auch theologisch qualifizierter auf das Vergessen der Trinität und damit des innergöttlichen Lebens verweisen können und so mit der Gegenfrage antworten, ob diese Anfragen nicht nur einen Monotheismus träfen, dem das innere göttliche Lieben, reflektiert in der Trinitätslehre nicht bekannt ist. Aber doch bleibt da ein Rest an diesen Fragen übrig, die uns zu einem Weiterdenken nötigen. Veranschaulichen wir uns die Problematik an einem einfachen Beispiel aus dem Leben: Ist ein Künstler auch dann ein Künstler, wenn er nie ein Kunstwerk schüfe? Wäre Thomas Mann der große Künstler, als der er rechtens gilt, hätte er nie eines seiner literarischen Werke geschrieben? Thomas Mann wäre  nur der Potentialität nach ein Künstler, erst durch die Aktualisierung seiner künstlerischen Potentialität in seinen Kunstwerken wurde er  zum realen Künstler.  Wäre Gott, hätte er die Welt nicht geschaffen, auch nur der Potentialität nach der Schöpfergott und gehört es nicht zum Gottsein dazu, Schöpfer zu sein, wie es zum Künstler wesentlich dazugehört, Kunstwerke herorzubringen? Die christliche Religion beinhaltet als ihre Spitzenaussage, daß Gott aus Liebe zu dem von ihm Geschaffenen seinen Sohn dahingab, um seine Schöpfung zu retten. Gehört diese göttliche Liebe zu etwas Anderem als sich konstitutiv zu Gott, oder genügt es für Gottes Gottsein, sich selbst liebend zu sein, sodaß sein Liebe zu Anderem als sich selbst für ihn selbst keine Bedeutung hat? Aber was ist von der Liebe eines Mannes zu halten, der zu einer Frau spräche: Freue dich, daß ich dich liebe, auch wenn es mir nichts bedeutet, dich zu lieben, denn mir reicht meine Eigenliebe vollkommen zu meinem Glück? Und wie erklärt sich dann dieses Liebesengagement Gottes, daß er gar seinen eigenen Sohn opferte, um uns Menschen zu erlösen, wenn ihm seine Liebe zu uns eigentlich gleichgültig sein müßte, weil Gott sich vollkommen in seiner Selbstliebe genügt?  Könnte man es so denken, daß es zur göttlichen Liebe konstitutiv dazugehört, über sich selbst hinaus auch Anderes zu lieben, und daß er so die Welt schuf, damit er in seinem Lieben Anderer erst sich als göttliche Liebe vollendet? Ein ungewohnter Gedanke, aber einer, der versucht, dem Gedanken der Liebe Gottes zu uns Menschen gerecht zu werden, indem nun danach gefragt wird, was denn diese Liebe für Gott selbst bedeutet, in der Meinung daß ohne eine Antwort auf diese Frage die Vorstellung von der Menschenliebe Gottes etwas Unbegriffenes bleibt!    

Slavoj Zizek sei hier ausdrücklich jedem empfohlen, der Freude an anspruchsvollem und geistreichen Denken hat- keine leichte Kost, aber sehr nahrhaft für jeden Nachdenklichen! Leider kann man das meiste Geschreibsele zeitgnössischer Theologen nicht so empfehlen.          

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