Dienstag, 9. Februar 2016

Das Ende der Moraltheologie -die autonome Moral

"In der römisch-katholischen Kirche wird seit einigen Jahrzehnten das Märchen von Hase und Igel gespielt: Wer das Evangelium von dem Gott, der Menschen zu ihrer Freiheit ermutigt, auf konkrete Fragen bezieht, rennt in die stacheligen Arme des Amtsigels, der im geschliffenen Pastoraljargon verkündet: „Gut gerannt, aber das ist Anpassung an den Zeitgeist!“ – „Diktatur des Relativismus“ und „Wider die göttliche Schöpfungsordnung“ sind synonyme Schlagworte, was nur zeigt, dass immer noch nicht erlernt ist, was Freiheit meint: sich selbst ein Gesetz zu sein und nicht auf etwas Vorgeordnetes schielen zu dürfen. Aber auch nicht zu müssen. Das darf gelebt werden, was andere Menschen nicht zum Mittel eigener Bedürfnisse degradiert.
Eine solche Freiheit ist anspruchsvoll, sich selbst und anderen gegenüber. Und sie ist kritisch gegenüber dekretierenden Normvorstellungen, die zudem ihre Herkunft aus patriarchalen Sozialstrukturen, die nicht mehr die einer modernen Gesellschaft sind, kaum übersehen lassen."So tönt der Modernist Magnus Striet in: Christ&Welt 50/2014 unter der Überschrift: "Bischof, tu was!" Die Hauptthese ist klar: Alles darf gelebt werden, daß den anderen Menschen "nicht zum Mittel eigener Bedürfnisse degradiert". Das ist und kann nur noch der einzige Gehalt einer zeitgemäßen Morallehre sein. "Dekretierte Normvorstellungen", zumal wenn sie "aus patriarchalen Sozialstrukturen" entstammen, sind so als mit der Autonomie des Menschen nicht vereinbar abzulehnen. Damit ist faktisch die gesamte kirchliche Morallehre gemeint. Ganz aktuell will der Fundamentaltheologe in diesem  Essay die Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe aushebeln, indem er sie als eine zeitbedingt entstandende und heuer so keine normative Bedeutung mehr haben könnende entlarvt. Das kennen wir zur Genüge: Weil etwas in einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort gelehrt worden ist, ist es zeit- und ortsbedingt und hat deshalb für eine andere Zeit und einem anderen Ort keine normative Bedeutung mehr. Denn alles ändere sich im Laufe der Zeiten und von Ort zu Ort. 
Aber wie verhält sich denn dazu die Norm, daß der Mitmensch nicht zum Mittel der Befriedigung eigener Mittel degradiert werden darf ? Ist das denn nicht auch eine im Geiste Kants dekretierte Norm und so zeitgeistbedingt im aufklärerischen Humanismus? Wo Menschen Macht über andere haben, degradieren sie oft ihre ihnen Untergebenen zu Mitteln ihrer Bedürfnisbefriedigung. Was ist denn sonst eine Servicekraft, altmodisch ein Diener anderes als ein zum Zwecke der Bedürfinsbefriedigung angestellter Mitmensch. Die Arbeitskraft wird dafür entlohnt  und weil sie den Lohn für den eigenen Lebensunterhalt bedarf, nimmt sie so eine Erwerbstätigkeit an, in der sie für die Bedürfnisse eines anderen arbeitet, nicht für die eigenen, um den Lohn zu erhalten. Man kann deshalb mutmaßen, daß dieser kantsche Imperativ:" Behandle nie einen Mitmenschen nur als Mittel zu deiner Bedürnisbefriedigung" im Anfang der Zeit entstand, als das Lohnarbeitsverhältnis zur Regelform des Arbeitslebens wurde und sollte einen humanen Umgang mit den Angestellten so einfordern.  Aber im Prinzip ist jedes Angestelltenlohnverhältnis eines, in dem eine Arbeitskraft eingestellt wird, um für die Bedürfnisse des Arbeitgebers zu arbeiten. Worin soll dann das bestehen, was ein so geartetes Lohnarbeitsverhältnis nicht zu einer Degradierung des  Mitmenschen zur bloßen Arbeitskraft im Dienste der Bedürfnisbefriedigung des Anstellers werden läßt? Der bloße Arbeitsvertrag, der dem Mitmenschen, der seine Arbeitskraft verkauft, dafür einen Preis, den Lohn gewährt? Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, als wenn diese "Freiheitsmoral" geradezu das voraussetzt als Lebenspraxis, was sie eigentlich verneinen möchte. Der "Arbeitsvertrag" zwischen dem Freier und der Prostituierten macht dieses nur überdeutlich klar: Sie verkauft ihren Körper, damit der Mann seine erotisch-sexuellen Bedürfnisse mit ihm befriedigt und sie erhält dafür ihr Honorar, ihren Lohn. (Dieser Vertrag gilt nun vom Gesetzgeber gesehen nicht mehr als sittenwidrig, sodaß die Prostituierte ihren Lohn gerichtlich einklagen kann, wenn der Kunde nicht bezahlen will). An diesem Extremarbeitsvertrag wird aber doch nur überdeutlich, was in jedem Arbeitsvertrag enthalten ist: das Versprechen, für jemand anders zu arbeiten für dessen Bedürfnisse, um einen Lohn zu erhalten! So reduziert sich dieses Moralgebot auf die Banalität, daß der Arbeitgeber in seinem Angestellten nicht nur die für ihn arbeitende Arbeitskraft sehen soll, sondern auch den menschlich zu behandelnden Mitmenschen. Ob des faktischen Primates der Ökonomie im Arbeitsleben überwiegt dann aber doch die Reduktion der Wahrnehmung der Angestellten auf nützliche oder weniger nützliche Arbeitskräfte, die je nach Knjunktur ein- oder ausgestellt werden. Und das soll nun die traditionelle Morallehre der Kirche ersetzen: die Hypostasierung des Arbeitsvertrages zu dem Modell autonomer Moral!   
Was diesem Moralverständnis völlig fehlt ist das Begreifen des Wesentlichen der christlichen Morallehre!  Jede religiöse und somit auch die christliche Morallehre ist eine Antwort auf die in Psalm 15 aufgeworfene Frage: "Herr, wer darf Gast sein in deinem Zelte, wer darf weilen auf deinem heiligen Berge?" (15,1). Die Antwort auf diese Frage ist niemals weltimmanent konstruierbar, sondern muß von Gott selbst gegeben werden, denn er nur allein setzt die Bedingungen, wie ein Mensch sein muß, damit er Gott wohlgefällig ist. Gott als Freiheit ist dabei selbst an keine Vorgaben gebunden, wie Wilhelm Ockham es so tiefsinnig im Durchdenken des Begriffes der göttlichen Freiheit erfaßt hat, und darum kann eine autonome menschliche Moral keine Antwort auf diese Psalmfrage sein, die den Grundstein jeder religiösen Moral bildet. Sie muß so immer theonom sein!   

Der antichristliche Charakter dieser Autonomiemoral zeigt sich ja schon überdeutlich im despektierlichen Tonfall des Begriffes der Schöpfungsordnung. Daß Gott der Schöpfer und der Herr seiner Schöpfung ist, zeigen ja gerade die von Gott dem von ihm Geschaffenen eingeschriebenen Schöpfungsordnungen. Das sind die göttlichen Ideen der Strukturiertheit seines Gesamtschöpfungswerkes. Ordnungen im Geschaffenen zu erkennen,heißt den göttlichen Plan, die göttliche Idee der Ordnung in ihnen wiederzuerkennen. Nur zu beachten ist, daß die göttlichen Ideen der Ordnungen für das Kreatürliche selbst freie Setzungen Gottes sind. Aber Gott schrieb der Welt diese Ordnungen ein, damit der Mensch sie in diesem ersten Lesebuch Gottes, die Welt erkenne und gemäß ihnen lebe.   

Corollarium 1
Das Ideal der autonomen Moral ist es, daß jeder zwischen Parteien geschlossene Vertrag gültig ist, völlig unabhängig vom Gehalt, wenn er nur von allen Vertragspateien freiwillig geschlossen wird. Den sittenwidrigen Vertrag darf es dann nicht mehr geben, weil dieser Begriff auf eine dekretiere Moralvorstellung basiert. Zur Veranschaulichung: so wäre ein Mitvertrag dann nicht mehr sittenwidrig, wenn der Vermieter als Miete sexuelle  Dienste des Mieters verlangte.                          

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen