Montag, 19. Oktober 2015

Über die Lust an der Dezentralisierung der Kirche

Selten offenbart ein hehres Prinzip des Ordnungsdenken seinen banalen Charakter so offenkundig wie das des Subsidaritätsprinzipes. Das Licht der Welt erblickte dies Prinzip 1571 in Emden auf einer Synode der Reformierten Kirche und war keinesfalls als Ostfriesenwitz gedacht, auch wenn Emden zu Ostfriesland zählt, sondern es drückt sich dagegen ein archaisches Mißtrauen gegen "die da Oben" aus- man wolle das doch alles lieber bei sich Daheim entscheiden, und "die da Oben", die sollen sich in das Leben der Gemeinde vor Ort nur einmischen dürfen, wenn man vor Ort eben mal keine Lösung fände- sozusagen als betriebsfremde externe Berater für schwierige Fälle. Dabei wollte man sich dann eben auch reformierterseite gegen die hierarchisch strukturierte Katholische Kirche profilieren, aber auch gegen ein uf obrigkitsstaatliche Denken fixierte Luthertum. 
So gehörte dieses Prinzip in das kirchliche Selbstverständnis des Reformiertentumes und stand so auch vor den verschlossenen Toren der Katholischen Kirche.Wie kam nun dieser Fremdkörper in das Denken der Katholischen Kirche? Das wäre eine spannende Aufgabe, den Erfolg dieses Fremdlinges zu rekonstruieren. Aber der Grund seiner innerkatholischen Karriere ist so trivial, daß es nicht genauer Detailanalysen dazu bedarf.  Zwei Gründe: a) das Katholische Ideal ist der Staat, der sein Regieren nach den Vorgaben der Katholische Kirche ausrichtet. Nach dem Ende der innerchristlichen Religionskriege des 17. Jahrhundertes bildete sich die Idee des Nationalstaates heraus, der zu allen christlichen Kirchen Distanz hielt und höchstens noch das Christentum unter Absehung der konfessionellen Unterscheidungen als das Fundament des Staates ansah oder der sich ganz neu konzipierte auf der Idee der einen Nation, dem er Volksstaat sein wollte. Der Staat,der so das Ganze des Lebens gestalten wollte und dabei nicht mehr auf die Stimme der Kirche hören wollte evozierte nun eine kirchliche Verteidigungsstrategie: wenn wir schon nicht mehr die Kraft haben, daß das Ganze gemäß der Lehre der Kirche bestimmt wird, dann verlangen wir, daß der Staat Freiräume zulasse, in denen dann "freie Träger" nach ihren Vorstellungen wirken können- also daß es statt staatlicher Kindergärten Kindergärten in verschiedener Trägerschaft gebe, und so eben auch welche in kirchlicher. Das war der Verzicht auf den universalen Anspruch, um dem Staate gegenüber wenigstens particular den Eigenwillen durchzusetzen. Das Prinzip war so eine defensive Verteidigungsstrategie und gehörte in die Sprache der Außenkontakte der Kirche. Im Internen hatte dies Prinzip in der hierarchisch gegliederten Kirche keinen Platz!
Nun aber fordert nicht nur Kardinal Marx die Anwendung des Subsidaritätsprinzipes auf die Kirche selbst, so auch in seinem aktuellen Buch, Die Kirche überlebt! Warum? Der Artikel: "Pell gegen Ermessensspielräume für die nationalen Bischofssynoden" vom 19.10.2015 auf Kath net offenbart dies aufs anschaulichste. Das Lager der Reformer könne nicht mehr auf der Synode eine Mehrheit für ihre Agenda erwarten. Darum will es für nationale Bischofskonferenzen das Recht erstreiten, unabhängig von Rom für ihren Geltungsraum eigene Regeln für den Umgang mit Homosexuellen und Geschieden-Wiederverheirateten aufstellen zu können. Das Prinzip, das dabei appliziert wird, ist eben dies Subsidaritätsprinzip, daß nationale Bischofskonferenzen zuerst ihre Interna selbst zu regeln hätten und nur wenn das nicht gelänge, einen Support von Rom einzufordern hätten. Einfacher gesagt: wenn man die Reformagenda schon nicht für die ganze Kirche einführen kann, dann wenigstens für die fortschrittlicheren Länder. Dann bräuchte auf der "übernationalen Ebene", auf der römischen nichts geändert werden, solange man nur national Sonderwege beschreiten könne. Das wäre dann der Erfolg des Subsidaritätsprinzipes angewendet gegen Rom auf der nationalen Ebene.Dann würde eben es als Selbstverständlichkeit gelten, daß das, was im conservativen Polen eine Sünde und unerlaubt ist, im progressiven Deutschland erlaubt ist! Und genau deshalb erwärmen sich unsere Reformer so dafür, dies Subsidaritätsprinzip auf die eigene Kirche zu appliziern. Das das dann auch ein weiterer Schritt zur Selbstprotestantisierung der Kirche ist, wird dabei die Begeisterung für dies Prinzip nur noch steigern! Denn dies Prinzip dient immer nur der Schwächung der Kraft, auf die es angewandt werden soll, um die eigene Macht zu stärken- so schon in der Entstehung dieses Prinzipes, als die Reformierten Gemeinden eine schwache Kirche wollten, um selbst stark sein zu können.  

Corollarium 1
Das dem Subsidaritätsprinzip radical entgegengesetzte ist das von Lenin entwickelte Orgnisationsprinzip des demokratischen Zentralismus, daß Entscheidungen oberer Parteigremien von den den oberen Gremien subordinierten anzuerkennen sind. Man sagt, dies Prinzip habe Lenin von den Jesuiten entnommen , oder aus jesuitischem Geiste entwickelt. Könnte zwischen dem Erfolg der Jesuiten und ihres säkularen Bruderorganisation und diesem inneren Organisationsprinzip ein Zusammenhang bestehen?  

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