Mittwoch, 30. September 2015

Eine Szene aus dem islamisch-christlichen "Dialog"

"Und es ist wirklich wahr, Sihdi [Herr], daß du ein Giaur bleiben willst, ein Ungläubiger, welcher verächtlicher ist als ein Hund, widerlicher als eine Ratte, die nur Verfaultes frißt?"
"Ja". antwortete ich.
"Effendi, ich hasse die Ungläubigen und gönne es ihnen, daß sie nach dem Tode in die Dschehenna [Hölle] kommen, wo der Teufel wohnt; aber dich möchte ich retten vor dem ewigen Verderben, welches dich ereilen wird, wenn du dich nicht zum Ikrar bil Lisian, zum heiligen Zeugnis
[der Koran ist gemeint]bekennst. Du bist so gut, so ganz anderes als andere Sihdies , denen ich gedient habe, und darum werde ich dich bekehren, du magst wollen oder nicht."  Und zum Gericht Gottes: "Diejenigen mit überwiegend guten Werken kommen in das Paradies, die ungläubigen Sünder aber in die Hölle, während die sündigen Moslemim nur auf kurze Zeit bestraft werden. Du siehst also, Sihdi  was deiner wartet, selbst wenn du mehr gute als böse Taten verrichtest

Diesen "Dialog" verdanken wir Karl May. Durch die Wüste, 1Kapitel, Ein Todesritt.Er ist so befremdlich, daß es vonnöten ist, uns die Kernaussagen nochmals vor Augen zu führen. Es wird ein Gericht Gottes geben, in dem der Mensch entweder zur Hölle verdammt wird oder in das Paradies gelangt. Ob Paradies oder Hölle entscheidet allein die wahre Religion- für Sünder der wahren Religion gibt es befristete Strafen, dann aber werden sie eingelassen in das ewige Leben, während für den Ungläubigen (den Christen auch) gilt, daß auch wenn sie mehr gute als böse Taten vollbracht haben, sie nicht ins Paradies eingehen können. Und darum möchte der Diener seinen christlichen Herrn unbedingt zur wahren Religion bekehren, damit er, der doch so ein guter Effendi ist, nicht in die Hölle kommt. Man kann nicht umhin, daß hier Karl May eine Skizze des Anliegens jedes Willens zur  Mission gelungen ist und doch kann er darauf setzen, daß nicht nur seine damaligen Leser  diese Rede des "Hadschi Halef Omar" nicht ernst nehmen, ist er doch in dieser großen sechsbändigen Romanerzählung: "Der Schut" als komische Figur eingezeichnet.
Warum? Weil es dem deutschen wie jedem anderen Aufgeklärten eine Selbstzverständlichkeit ist, daß, wenn es überhaupt ein Gericht Gottes geben sollte, die Gretchenfrage: "Wie hältst du es mit der Religion?" noch Goethes Gretchen in seinem "Faust" zutiefst bewegte, aber Gott gleichgültig ist. Er wird, wenn überhaupt nur noch nach guten Werken und der darin sich mannifestierenden Gesinnung fragen, aber- schon aus Respekt vor der größten Frucht der Aufklärung, den Menschenrechten - nicht nach der Religionszugehörigkeit. Denn Gott wird doch keinen Menschen ob seiner Religion diskriminieren! Wie obskur erscheint da dieser Diener mit seinem Bekehrungseifer, und wie souverän reagiert da der Christ, der Held dieser Erzählung, indem er auf jeden Versuch der Missionierung seinerseits nun selbstverständlich verzichtet. 
Und der heutige christlich-islamische Dialog wird eben nur von denen geführt, die diesem Grundaxiom,daß Gott es gleichgültig ist, ob ich der christlichen oder der islamischen Religion  angehöre, zustimmen. Man frägt dann im Dialog nur noch nach der Möglichkeit, ob Christen und Muslime nicht gemeinsam gute Werke vollbringen könnten, auf die es genau genommen allein, wenn es denn ein göttliches Gericht geben sollte, ankommt. 
Nur eines sollte uns dabei doch- wenigstens für ein paar Augenblicke- beunruhigen. Woher weiß ich, daß Gott die Religion im Endgericht so gleichgültig ist? Und wir haben davon auszugehen, daß gerade die Vitalität der islamischen Religion in dem Nein zu der Vorstellung sich gründet, während  die Lauheit des Christentumes und auch gerade der Kirche in der Bejahung dieser Gleichgültigkeit ihren Grund hat. Nicht einzelne Lehren der Katholischen Kirche, auch nicht die viel geschmähte Ehe- und Sexualmorallehre macht die christliche Religion unattraktiv- sondern die Meinung, daß Gott selbst die Religion und damit auch die christliche GLEICHGÜLTIG sei!  

Corollarium 1
Nicht der Atheismus, sondern die Vorstellung eines der Religion gleichgültig gegenüberstehenden Gottes entkräftet das Christentum und läßt nur noch ein laues Christentum zu.    

Corollarium 2
Wer Karl May als großen Erzähler kennen lernen möchte, dem sei empfohlen: Der verlorene Sohn, Die Liebe des Ulanen und Waldröschen- alle Romane nur in der historisch-kritischen Ausgabe (Wiedenroth/ Wollschläger) vollständig erhaltbar!       

 Skizze des Willens zur Mission gelungen ist    

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