Freitag, 17. Juli 2015

Das Gute=das Nützliche?

"Schon das Kind kann die erlebte Welt zunächst nur begreifen und verstehen, wenn es sie klassifiziert und durch umfassende Abstraktionsleistungen auf das eigene Ich bezieht und wertend interpretiert.
Hobbes hat diese Vorgänge unnachahmlich trocken und englisch nüchtern schon vor 300 Jahren durchschaut: Das entstehende feste Weltbild teilt die Personen und Phänomene in solche, die dem Subjekt nützen und ihm angenehm sind und solche, die ihm schaden und unangenehm sind. Erstere bezeichnet er als gut,letztere als böse." (Soweit Klaus Kunze, Mut zur Freiheit-Ruf zur Ordnung. Politische Philosophie auf dem schmalen Grat zwischen Fundamentalismus und Nihilismus, 1995,S.51) Nur: wenn ich heute Geld stehle, um mir etwas sonst Unerschwingliches mir damit zu kaufen, dann wäre dies Stehlen etwas Gutes, wenn mir dann aber das gestohlene Geld gestohlen wird, dann ist das etwas Böses-wenn Hobbes recht hätte.Ist das Subjekt  der Einzelmensch, der das ihm Nützliche das Gute und das ihm Schadende das Böse bezeichnen würde, dann gibt es kein Gut und Böse mehr- alles löste sich auf in den Interessengegensätzen der Individuen. Hobbes legt hier eine Entlarvungsstrategie der Moral vor, die nur die Moral aufzulösen weist und dann die Akteure auf ein vernünftiges Aushandeln ihrer Interessengegensätze verpflichtet.
Im "Sommerloch" beschäftigen sich ja Journaillen gern mit der Mode für junge Frauen: wie attraktiv dürfen sie sich bei hochsommerlichen Temperaturen kleiden, oder unbekleidete Haut zeigen. Da erheben dann auch ältere Frauen ihre Stimme und fordern gesittete Kleidung für die Madels. Ein moralischer Überton verdeckt da aber kaum die Stimme des Neides! Im Konkurrenzkampf aller gegen alle: Spieglein an der Wand-sprich, wer ist die schönste im ganzen Lande?- erleiden nun mal die Ü50er eine Niederlage nach der anderen-nicht nur auf dem freien Arbeitsmarkt- und dann fordern sie im Namen der Moral, daß junge Frauen ihre Konkurrenzvorteile nicht ausspielen dürfen! Hier gilt wirklich: Gut ist das mir Nützliche- das Verbot "unlauteren" Wettbewerbs unter Frauen durch attraktives Sichkleiden im Sommer etwa mit sehr kurzen Röckchens! Aber, eines ist offenkundig, daß hier die Moral mißbraucht wird, um egoistische Interessen durchzusetzen. Aber machen es die jungen Frauen nicht genauso, daß sie die Kleidermoral für gut erachten, die ihnen nützlich ist, daß sie sich so kleiden dürfen, daß sie ihre natürlichen Vorzüge dann ausspielen dürfen? Und mit dieser Frage stehen wir schon vor dem Scherbenhaufen dieses Moralansatzes im Geiste Hobbes.
Aber vielleicht haben wir hier zu schnell geschossen! Wie, wenn nicht das Einzelsubjekt sondern die Menschheit oder der Mensch an sich das Subjekt ist, das Alles danach wertet: nützt oder schadet es dem Menschen? Eine rein humanistische Moral früge also nach dem Guten und Nützlichen für den Menschen und würde dabei das Interesse des Einzelindividuums dem des Menschen subordinieren. Aber da offenbart sich die prinzipielle Schwäche des angelsächsischen Denkens. Sie denken alle nominalistisch, sodaß es für sie nur Einzelmenschen mit Einzelinteressen gibt und nicht den Menschen, der sich in vielen Einzelwesen individuiert, aber doch und gerade so eine Einheit bildet.
Wenn nach dem gefragt würde, was dem Menschen nützlich und gut ist, dann könnte daraus eine natürliche Lehre vom Guten und Bösen sich generieren. die als allgemein vernünftig zu qualifizieren wäre. Seit dem die traditionelle Lehre des Naturrechtes außerhalb der Kirche fast nirgends mehr anerkannt wird und selbst in ihr kaum noch bejaht wird, kann diese ihre Funktion, einen Raum zu bieten für die Lösung moralischer Fragen, der von allen Diskutanten anerkannt wird, nicht mehr erfüllen. Ob dann Hobbes Ansatz weiterhelfen könnte, wenn man statt das Individuum den Menschen, das Menschsein setzt als dem Punkt, von wo aus zu fragen ist: nützt es oder schadet es? Bedenkenswert wäre es!

Corollarium 1
Machiavelli urteilt: "Ohne Macht setzt niemand seine Moral durch: Man muß Macht haben, um moralisch handeln zu können. Wer auf sie verzichtet, liefert die Welt den Bösewichtern aus." (zitiert nach Kunze, Mut zur Freiheit, S.61). Wenn die Moral zum Recht des Staates wird, dann wird sie zur mit Statsmacht durchgesetzten Moral- aber dafür muß sie verrechtlicht werden und hört so auf, eine Moral zu sein. Die Moral setzt sich dagegen durch ihre Überzeugungskraft durch und nicht durch staatliche Macht. Die Konstantinische Epoche war so die Epoche der Teilverechtlichung der christlichen Moral- die Postmoderne trennt wieder das staatliche Recht von der christlichen Moral!

Corollarium 2
Die christliche Ethik ist die Antwort auf die Frage, wie habe ich zu leben, um das ewige Leben zu gewinnen? und ist so gesehen auch eine Ethik der Nützlichkeit! Nur daß das Nützliche, das Erreichen des ewigen Lebens, nicht ein immanentes Ziel des ethischen Handelns ist, sondern Gott als Belohnung für das ethische Leben gibt. So kann das Ethische weltimmanent betrachtet nutzlos sein (warum sollte es für mich nützlich sein, meine Feinde zu lieben und ein Almosen Armen zu geben?), aber es ist in Hinsicht auf das Ziel, das ewige Leben auch und gerade nützlich. Wenn aber diese Zielausrichtung der Gesamtethik außer Acht gelassen wird, dann erscheint die christliche Ethik als sinnwidrig  und nutzlos, aber nur, weil ihr Ziel nicht beachtet wird!        
        

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