Sonntag, 7. Juni 2015

Nichts sei christlicher als das Marktwirtschaftsssytem!

Die Kirchen betreiben oft eine „diffuse Dämonisierung“ der Marktwirtschaft. Das schreibt der Vorstandsvorsitzende des Rückversicherungsunternehmens „Munich RE“, Nikolaus von Bomhard (München), in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. „Unbestritten braucht die Marktwirtschaft einen staatlichen Ordnungsrahmen und auch Umverteilung, um sozial zu sein“, so Bomhard. Gerade in wirtschaftlich bisher schwachen Ländern habe sie aber stark zur Herausbildung einer Mittelschicht beigetragen. In Deutschland finanziere die Wirtschaft zudem einen „ausdifferenzierten Sozialstaat mit einer Vielzahl an Unterstützungsangeboten und monetären Leistungen“. Es gebe „kein Wirtschaftssystem, in dem christliche Werte besser zur Entfaltung kommen können als in einer marktwirtschaftlichen Ordnung“.

So konnte man es auf Kath net am 6.6. des Jahres um 10 Uhr in der Frühe lesen. Das war aber nicht als ein Spätfrühstückswitz gemeint! Was soll denn nun an dem System der Marktwirtschaft christlich sein? Es trage viel zur Herausbildung einer Mittelschicht bei. Dies impliziert, daß diese Marktwirtschaft eben auch eine Oberschicht und eine Unterschicht hervorbringt, versimplifiziert gesagt, daß es Nutznießer dieses Systemes gibt und Menschen, die wenig an den Vorzügen dieses Systemes profitieren, die Unterschicht. Aber  aus christlicher Sicht wäre die Mittelschicht das, worauf es ankäme, daß sie gestärkt würde.
Zudem: dies Wirtschaftssystem produziert eben auch soziale Probleme, etwa Menschen, deren Arbeitskraft nicht gebraucht wird, sodaß sie "arbeitslos" sind. Diese muß nun der Sozialstaat unterhalten, weil sie durch eine eigenständige Arbeit dazu nicht in der Lage sind. Den Sozialstaat finanziere nun die Wirtschaft auch durch ihr Steuerzahlen. Daß der Verursacher sozialer Probleme nun an der Finanzierung der Maßnahmen zur Linderung der Probleme sich mitbeteiligen, das ist doch nur ein Beispiel dafür, daß das Verursacherprinzip hier appliziert wird-die Profiteure des Systemes beteiligen sich an den Unkosten, hervorgerufen durch die Kollateralschäden des Marktwirtschaftssystemes. 
Ist nun das Marktwirtschaftssystem ein durch christliche Werte bestimmtes- oder nicht eher der Sozialstaat, der die Kollateralschäden der freien Marktwirtschaft wieder therapeutisch behandelt.
(Das Verhältnis der Kirche zum Sozialstaat ist nun ein etwas kompliziertes! In der Reformation übertrugen Städte, in denen die Reformation sich durchsetzte, die Armenfürsorge dem Staat, die "öffentliche Hand übernahm dort die Armenfürsorge, die sonst die Klöster und die Kirche leisteten. Dazu trug auch die reformatorische Kritik des Almosengebens als "gutes Werk" eine Rolle! Die Katholische Kirche brauchte so länger als der Protestantismus, um das Gut eines Sozialstaates aus christlicher Sicht zu erkennen, weil in ihm anfänglich eher die Konkurrenz gesehen wurde, daß den Klöstern damit ihre Aufgabe der Armenfürsorge
entzogen werden würde. Trotzdem muß die Sozialgesetzgebung Bismarcks aus christlicher Sicht als ein großer Schritt in die richtige Richtung gewürdigt werden. Auch darf man die Sozialpolitik Bismarcks nicht einseitig in ihrer Frontstellung gegen die revolutionären Intentionen der Sozialdemokratie gerichtet sehen, denn es gibt keinen ersichtlichen Grund, Bismarck als protestantischen  Christen abzusprechen, daß er diese Politik auch aus seinem christlichen Gewissen heraus gestaltete.)
Liest man den Kath net Text aufmerksam, dann reduziert sich ja- gegen die Aussageintention des Autoren- die Christlichkeit der Marktwirtschaft darauf, daß sie das Geld erwirtschaftet, das  für die Behebung  der sozialen Schäden,die dieses Wirtschaftssystem hervorbringt,notwendig ist.Was soll daranbesonders christlich sein? 

Etwas wehleidig heißt es dann im Kath net weiter:
"Der Starke könne den Schwachen nicht stützen, wenn man ihn – wie bei Managern – außerhalb der Gesellschaft stelle: „Eine Kirche, die für alle Menschen da sein will, darf sich nicht vor denen verschließen, die sich zur Wirtschaft des Landes zählen.“ Als Protestant bestürze ihn dieser Graben zwischen Kirche und Wirtschaft: „Hier wird getrennt, was meines Erachtens zusammengehört: unternehmerischer Erfolg, nachhaltiges Wirtschaften und solidarisches Handeln.“ Sind nun "unternehmerischer Erfolg" und  "nachhaltiges Wirtschaften" christliche Werte? Das behaupten nicht mal protestantische Sozialethiker! Und der Begriff der Solidarität entstammt der marxistisch orientierten Arbeiterbewegung und ist ein bewußt alternativ zur christlichen Nächstenliebe und der Tugend des Mitleides konzipierte Tugend. Im Hintergrund steht die marxistische Analyse der Klassengesellschaft, die durch den Klassenkampf bestimmt ist. Solidarität meint dabei die Einsicht, daß die Arbeiterklasse objektiv ein gemeinsames Interesse gegen die Herrschenden hat und definiert damit das solidarische Handeln als die Praxis, wo Teile der Arbeiterklasse im Wissen und in Übereinstimmung mit ihrem objektiven Klasseninteresse agieren. Vereinfacht gesagt: hat die Nächstenliebe und das Mitleid den Mitmenschen im Auge, so ist das solidarische Verhalten das eines vernünftigen Egoismus, der erkennt, daß wenn ich helfe, mir dann auch geholfen wird. Es ist selbst ein Zeichen der Entchristlichung der kirchlichen Morallehre, wenn sie lieber von Solidarität als von der Nächstenliebe spricht!
Nun spricht der Text von Starken und Schwachen, so als wäre es eine Naturkonstante, daß es das gäbe. Ausgeblendet wird dabei das einfache Faktum, daß das Marktwirtschaftsssystem ja erst die Starken und die Schwachen hervorbringt. Der erfolgreiche Unternehmer ist der Starke, der Insolvenz anmeldet, der Schwache, der eine gut bezahlte Arbeit bekommt, der Starke, der Arbeitslose der Schwache. Stark und Schwach sind innerhalb des Systemes der Marktwirtschaft einerseits Kompetenzen, die es ermöglichen, erfolgreich zu sein und andererseits Kompetenzen, die erworben werden, weil man stark ist. So ermöglicht das System der Marktwirtschaft erst diese spezifische Differenz von Stark und Schwach als Frage nach dem Vermögen und der Kaufkraft und daß nun die ungleich verteilte Kaufkraft dazu führt, daß mit mehr Kaufkraft Ausgestattete Armen etwas abgeben können von ihrer Kaufkraft, soll das Christliche sein? Daß dies System, wie wohl jedes Gewinner und Verlierer hervorbringt und daß dann die Gewinner den Verlieren etwas abgeben können, was soll daran christlich sein? Doch wohl höchstens die Mildtätigkeit der besser Verdiener, aber nicht das System, das Gewinner und Verlierer produziert!
Wenn man nun nach dem Wesen der Marktwirtschaft frägt, ist zu antworten, daß in diesem System alles zur Ware wird, die auf dem freien Markt zum Verkauf angeboten wird und daß das gesamte Leben so nach den Gesetzen des freien Marktes organisiert wird. Daß der Mensch selbst Ware ist, die sich auf dem Markt anzubieten hat und daß das auf alles übertragen wird, auf Kunst, Wissenschaft, und alle Dienstleistungen, ist das besondere dieser Ordnung- ihr quasi totalitärer Charakter. In der Marktwirtschaft muß so auch die Religion zu einer von der Kirche angebotenen Ware werden, die sie nach den Gesetzen des Marktes zu produzieren hat. Was das bedeutet, erleiden wir gerade exemplarisch in dem innerkirchlichen Streit um die Modernisierung der Ehelehre der Kirche. Der Markt kennt nur eine Wahrheit, die der Verkaufbarkeit einer Ware.
Darum wird die Kirche und die Religion immer notwendigerweise ob ihres Wahrheitsverständnisses mit dem Wahrheitsverständnis des Marktes in Widerstreit stehen!


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen