Donnerstag, 16. April 2015

Tragische Fälle in der Ehemorallehre Teil 1

Ein einfacher Fall: der Ehemann läßt sich von seiner Frau scheiden, weil er eine andere Frau liebt und sie von ihm ein Kind erwartet. Er will seine Geliebte heiraten. Nun sind beide katholisch und haben auch ordnungsgemäß kirchlich geheiratet. Die geschlossene Ehe kann nicht als nichtig erklärt werden, weil dafür es an Beweisen für die Nichtigkeit fehlt, etwa daß der Mann vor der Eheschließung erklärt hätte, daß er eine Scheidung für sich vorsieht, wenn die Ehe ihn nicht mehr zufriedenstelle. 
Der Ehemann läßt sich scheiden und heiratet dann nur standesamtlich und gründet dann mit seiner neuen Frau eine Familie. Daß er nun nicht mehr zu den Sakramenten der Kirche zugelassen ist, stört ihn  nicht weiter, weil er seit seiner kirchlichen Verheiratung sowieso nie mehr eine Messe besucht hatte.
Aber nun die Ehefrau, von der sich der Mann hat scheiden lassen. Ehen werden heuer nach dem Zerrüttungsprinzip geschieden. Dies ersetzt das Schuldprinzip. In dieser Causa wäre eindeutig der Mann der Schuldige. (Nun mag es auch Gründe  für das sog. Scheitern der Ehe bei der Ehefrau geben, aber nicht jeder Grund ist eine Schuld. Wenn etwa der Ehemann aussagen würde, er liebe jetzt nur noch seine Geliebte, weil sie schöner, jünger und anziehender sei, dann ist das keine Schuld der verlassenen Frau.)
Sie ist so schuldlos geschieden. Weil sie das ist, darf sie jetzt nicht noch mal heiraten (das wäre dann ja Polygamie, da sie weiterhin mit ihrem Ehemann gültig verheiratet ist, denn eine sakramentale Ehe ist nicht scheidbar!) und sie darf auch keine eigenen Kinder bekommen, denn es wäre ein Ehebruch, wenn sie jetzt von einem anderen Manne ein Kind bekäme. Zudem dürfte sie nur in einer gültig geschlossenen Ehe ein Kind bekommen, aber sie kann keine gültige Ehe schließen, weil sie zwar geschieden ist, aber das Eheband weiter gültig ist. 
So wird in diesem Falle diese Frau doppelt bestraft: sie kann nicht mehr eine neue gültige Ehe eingehen und sie muß auf eigene Kinder verzichten. Sie hatte ja geheiratet, weil sie eine Familie gründen wollte und nun ist sie kinderlos, da die Scheidung erfolgte, bevor das erste Kind kam. Und an dieser Scheidung ist sie schuldlos. Er wollte sich ja von ihr scheiden lassen, um eine andere zu ehelichen.
Dem Gerechtigkeitsempfinden widerstrebt dies: die verlassene Ehefrau kann ja nichts dafür-im schuldhaften Sinne, daß ihr Mann jetzt eine andere heiraten will und sie trägt nun die unverschuldeten Folgen im Gegensatz zum Ehemann, der selbstverschuldet die Folgen auf sich nimmt um der neuen-nun kirchlich geurteilt- unerlaubten Zweitehe willen.  
Wie ist nun moraltheologisch ihr Kinderwunsch zu bewerten? Diese Frage ist eindeutig respondierbar:
Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehret euch". 1. Mose, 1,28. Es geht hier also nicht um einen reinen Privatwunsch, sondern um das erste Gebot, das Gott den Menschen gab. Die Ordnung der Ehe ist nun als Mittel zum Zweck der Fortpflanzung dem Ziele der Fortpflanzung subordiniert. Der Auftrag zur Fortpflanzung gehört zur prälapsarischen Schöpfungsordnung Gottes. Das bedeutet, daß nicht, weil der Mensch sterben muß, er sich fortpflanzen soll, um so seine Gattung wider den Tod zu erhalten- sondern das Gebot: vermehret euch! wird Eva und Adam gegeben, obwohl sie noch nicht dem Sterbenmüssen unterworfen waren, denn der Zweck der Fortpflanzung ist vor dem Sündenfall nicht die Arterhaltung, sondern der Auftrag der Schöpfungsbeherrschung! Und weil ein Ehepaar allein schwerlich die ganze Schöpfung beherrschen kann, sollen sie sich vermehren. Also, dieses Gebot ist keine Akkomodation an den dem Tode verfallenden Menschen, sondern gehört zu seiner Primärbestimmung. 
Nun haben wir den Fall, daß die Ordnung der Ehe dieser verlassenen Ehefrau zum unüberwindlichem Hindernis wird, diesem Gebot Gottes, dem ersten, das Gott uns Menschen gab, Folge zu leisten. Moraltheologisch gefragt: darf die Ordnung der Ehe einer Frau eigene Kinder verbieten, wenn sie selbst ohne eigene Schuld nicht gemäß der Moral- und Ehelehre der Kirche eigene Kinder bekommen kann?
Ein tragischer Fall?
   
Wenn dem so wäre, wäre diese Causa tragisch zu nennen, weil hier eine von Gott gewollte Ordnung, die der Ehe es verunmöglicht, daß ein Mensch  dem ersten Gebot Gottes Folge leisten kann. Als Auflösung böte sich an, daß Gottes erstes Gebot den Zusatz trüge, daß der Mensch sich nur in der Form der Ehe fortpflanzen dürfe, sodaß eine Fortpflanzung außerhalb der Ehe unerlaubt sei. Eine andere Lösung böte sich an, wenn man die Ehe als das Mittel zum Zweck betrachtet und urteilt, daß der Zweck der Ordnung der Ehe wichtiger ist als die Ordnung, die diesem Zwecke subordiniert ist. Das ist die Lösungsstrategie der Bibel: immer, wenn eine Ehe kinderlos blieb, soll sie um des Kindersegens willen punktuell relativiert werden, sodaß der Mann sich eine-um es modern auszudrücken- Leihmutter nahm, um so zu einem ehelich legitimen Nachkommen zu kommen. 
Da aber eine zweite gültige Ehe für die Verlassene ausgeschlossen ist, da das sakramentale Eheband weiterhin besteht und nicht durch die staatlich gültige Scheidung aufgelöst wurde, bliebe dann nur noch als Lösung für diese verlassene Ehefrau  übrig: a) ein uneheliches Kind. Das widerspricht eindeutig der Ordnung der Ehe, würde aber der Tendenz der Bibel gerecht, daß um des Nacheuchses willen die Ordnung der Ehe relativiert werden kann, und b) die etwas abstrus wirkende Möglichkeit, daß der einstige Ehemann eine Samenspendung seiner früheren Frau zur Verfügung stellt, sodaß sie sich so künstlich mit dem Samen ihres Mannes befruchten lassen ließe. Auch das widerspricht der Ordnung der Ehe, wäre aber kein Ehebruch, da der Samen vom Ehemann stammte-aber unglücklicherweise verbietet die Morallehre eine künstliche Befruchtung, auch wenn der Grund die moralische Unmöglichkeit für die Frau wäre, mit dem Mann, der sie verlassen hat, um eine andere zu heiraten, noch natürlich ein Kind zu zeugen! 
Eine offensichtliche Parallele fällt dazu ad hoc ein: der Konflikt um die Ordnung des Sabbates zwischen den Pharisäern und Jesus Christus!
Die Sicht der Pharisäer: Gott verbietet um der Sabbatheiligung willen das Arbeiten. Auch heilen ist eine Arbeitstätigkeit. Deshalb darf am Sabbat nicht der Arzt seinen Beruf ausüben. Es gibt nun aber Fälle, in denen, wenn der Arzt nicht am Sabbat tätig wird, es für den Patienten so schwerwiegende Folgen hat, das das nicht mehr dem Patienten zumutbar ist. Gemeint ist, daß in Fällen akuter Lebensgefahr der Arzt auch am Sabbat tätig werden darf, sogar muß, um  das Sterben des Patienten zu verhindern. Einem chronisch Kranken dagegen ist es zumutbar, daß er auf seine Behandlung bis nach dem Sabbat warten muß, denn wer schon so lange krank war, dem ist ein weiterer Tag zumutbar, damit der Arzt den Sabbat halten kann. 
Jesu Sicht: die Ordnung des Sabbates ist für den Menschen von Gott gesetzt worden. Sie soll für ihn gut sein. Er frägt nun: ist es für einen chronisch Kranken gut, am Sabbat geheilt zu werden oder nicht? Wenn es gut für ihn ist, dann darf und soll der Arzt am Sabbat heilen. 
Die Pharisäer sehen im Sabbat eine Ordnung, der sich der Mensch unterzuordnen hat, und das wäre dann gut für den Menschen, während Jesus in der Ordnung des Sabbates  etwas sieht, das zum Guten des Menschen ist und darum so praktiziert werden muß, daß das Wohl des Menschen im Vordergrund steht. Und darum arbeitet er als Arzt am Sabbat, auch wenn der Buchstabe der Ordnung des Sabbates das in der Regel verbietet und nur Notfallbehandlungen zuläßt! 

Zwei Lösungsmöglichkeiten

Könnte so geurteilt werden, daß der so verlassenen Frau doch eine Möglichkeit gewährt werden muß, ein eigenes Kind zu bekommen-gerade weil sie selbst schuldlos geschieden worden ist- entweder in der Form einer künstlichen Befruchtung mit dem Samen ihres Ehemannes oder doch in Form des Ehebruches, wie es das Alte Testament vorsieht, daß Männer in kinderlos bleibenden Ehen eine "Leihmutter" /Zweitfrau nehmen, um so ein legitimes eheliches Kind zu bekommen? 

Oder doch tragisch?

Tragisch wäre es aber wahrlich, wenn die so schuldlos Geschiedene ihr Leben lang damit bestraft würde, kein eigenes Kind mehr bekommen zu dürfen ob der Ordnung der Ehe, die es ihr gerade unmöglich macht, ehelich ein eigenes Kind zu bekommen. Zu beachten ist dabei, daß der Wunsch nach einem eigenen Kínd nicht ein fach ein reiner Privatwunsch ist, sondern die Antwort auf das erste Gebot, das Gott den Menschen gab. Die Frau, die ein eigenes Kind will, gehorcht gerade darin Gott, dem ersten Gebot Gottes!   

Corollarium 1
Der Pharisäer urteilt: Gott will, daß der Arzt heilt, aber nur unter Berücksichtigung der Sabbatordnung. Das einem Menschen Gutes Tun wird somit der Sabbatordnung subordiniert. Jesus Christus urteilt, daß die Sabbatordnung zum Guten des Menschen ist und darum es kein Widerspruch zu dieser Ordnung sein kann, wenn ein Arzt am Sabbat etwas Gutes tut, nämlich heilen.   Müßte so auch die Eheordnung dem guten Zweck, zu dem sie ist, subordiniert werden?             

1 Kommentar:

  1. ... und sie darf auch keine eigenen Kinder bekommen, denn es wäre ein Ehebruch, wenn sie jetzt von einem anderen Manne ein Kind bekäme.

    Zu diesem Punkt habe ich eine Frage an die kirchlichen Experten für eheliche Liebe und Sexualität.

    Folgende Kasuistiken mögen in Betracht gezogen werden.

    1. Die Frau verliebt sich in einen anderen Mann, heiratet ihn standesamtlich und bekommt mit ihm die heiss ersehnten und geliebten Kinder. Die Sachlage ist klar. Da sie in ehebrecherischer, unzüchtiger also sündiger Gemeinschaft mit einem Mann zusammenlebt, ist sie von den Sakramenten ausgeschlossen, muss sich also am Sonntag erst gar nicht in die Kirche bemühen.

    2. Die Frau bleibt alleine, lebt keusch und züchtig, bis auf eine Ausnahme auf einem Betriebsfest, bei dem sie einen so genannten "one night stand" hat und prompt schwanger wird.
    Sie hat, in der Firma, auch weiterhin beruflichen Kontakt zu diesem Mann, der sich auch bereit erklärt für sein Kind materiell und ideell aufzukommen, also an der Erziehung mit zu wirken, sich um das Kind mit zu kümmern und auch grosszügigst Unterhalt zu bezahlen, ansonsten aber getrennte Wege gehen zu wollen, wie das vernünftige Menschen eben in Freundschaft so machen.

    Das war ja nun eine einmalige Sünde, der sprichwörtliche "Fehltritt", den man bereuen, beichten und abbüssen kann (vielleicht sogar noch einen vollkommenen Ablass der allfälligen Sündenstrafen erwirken, nach Massgabe des Ablassbriefes der Grosspönitentiarie) und dann wieder im Stand der Gnade sein kann, wie vorher.

    Diese Frau müsste dann doch trotz unehelichem Kind, oder bei mehrmaligen Fehltritten auch Kindern (jedem Räuber, Mörder, Vergewaltiger, Kindsmissbraucher steht das Busssakrament nicht nur für ein einziges Verbrechen, sondern immer und immer wieder zur Verfügung, durch die übergrosse Gnade Gottes), jederzeit an den Sakramenten teilnehmen können, wenn Sie mit dem Vater der Kinder nicht in Unzucht und Sünde zusammenlebt und sich ansonsten auch, bis auf die einzelnen Fehltritte, um ein keusches Leben bemüht.

    Wäre das nicht ein Ausweg für Frauen, die schuldlos geschieden sind, trotzdem Kinder haben wollen und weiter an den Sakramenten teilhaben wollen?

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