Freitag, 17. April 2015

Krieg den alten Werten

V. Palko  spricht in seinem Buch: "Die Löwen kommen. Warum Europa und Amerika auf eine neue Diktatur zusteuern" von der "euro-amerikanischen Kulturrevolution". "Ziele und Erfolge der Revolution-Umwertung aller Werte". Aus Nietzsches Antichrist wird da zitiert: "Wir selbst, wir freien Geister, sind bereits eine leibhaftige Kriegs-und Sieges-Erklärung an alle alten Begriffe von wahr  und unwahr." (S. 244) Nietzsche ist so nicht der Prophet des Nihilismus, sondern der, der den Untergang des alten Werte- und Normenhimmels (über Europa, dem einstigen christlichen Abendland) verkündet, weil ein neuer Wertehimmel auferbaut werden soll. Der Nihilismus wäre so gesehen eine Phase im Kriege der neuen Werte mit den alten, in der die alten im Prozeß der Entwertung sich befinden und die neuen noch nicht sich etabliert haben. Der Nihilismus wäre so eine herrschaftsfreie Phase, weil die alten Mächte abdanken und die neuen sich noch nicht etabliert haben.  Der Begriff der Kulturrevolution entstammt dabei erstmal dem Maoismus und bezeichnet eine Phase in der Geschichte des kommunistischen Chinas. Der Begriff soll andeuten, daß nach der erfolgreichen politischen Revolution die Kommunisten die Kultur Chinas noch der politisch-ökonomischen Entwicklung noch bürgerlich war und so revolutioniert werden sollte. Palko appliziert diesen  Begriff nun  auf die Strategie der Linken in Europa und Amerika nach der Implosion des real existierenden Sozialismus, indem er zeigt, daß die Linke nun auf ihr Projekt der revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft verzichtet, im Sinne einer Überwindung der kapitalistisch-bürgerlichen Ordnung und sich kapriziert auf eine Revolutionierung der Kultur!  Die neuen Projektbezeichnungen macht das deutlich: vom Gendermainstream  über Multikulti und dem Ideal der multiethnischen Gesellschaft, der Politischen Korrektheitsideologie- und im Vordergrund: die Propagierung der sexuellen Revolution. Und im Raume der Kultur haben die Linken nun gesiegt in Europa und in Amerika. Die "Diktatur" richtet sich nun gegen die Vertreter der alten Kuktur-sie sollen unterdrückt werden und ihre Werte abgeschafft werden. Davon gibt ja das Buch "Die Löwen kommen" einen sehr treffenden Überblick.  
Auf diese Lage kann nun falsch reagiert werden. Der verbreiteste Irrtum in conservativ-katholischen Kreisen ist nun das Wahrnehmen der Auflösung der alten Werte und das gleichzeitige Nichtwahrnehmen der neuen Werte. "Unsere Zeit kennt keine Werte mehr", wird dann geklagt und somit wird die Gegenwart völlig verkannt. Schon der Begriff des Wertes hätte Conservativen verdächtig sein müssen, denn der Wert von etwas ist immer etwas Instabiles, dem Wandel Unterworfenes. Zur Veranschaulichung: der Wert des gekauften Autos sinkt mit jedem Jahr, in dem ich es benutze.  Der Wert von etwas steigt und sinkt je nach der Nachfrage. Wert ist ein Begriff aus dem Vorstellungsraum des Handels auf dem freien Markt, wo es keine Festpreise gibt. Was wir so erleben, ist sozusagen ein für das Marktgeschehen ganz natürlicher Vorgang: etwas verliert an Wert und anderes steigt im Wert. Nietzsche wußte schon, warum er von Werten sprach-gerade weil sie für Instabilität sprechen. Der Wertbegriff ist so das erste Anzeichen, daß vom theologisch-religiösen Begriff des Gesetzes Gottes, der göttlichen Gebote Abschied genommen wurde, um etwas Flexibeleres anstattdessen zu setzen. Werte- und der Wert von etwas kann steigen und sinken. Entchristlichung bedeutet dann einfach nur, daß die christlichen Werte an Wert verlieren und daß die Menschen sich stattdessen nach anderen Werten anfangen zu orientieren! 
Zu leicht machte man es sich mit der Erklärung dieser Lage auch, wenn man nun einfach eine Verschwörungstheorie konzipierte, mit deren Hilfe man dann den Sturz der christlichen Werte erklärt.
Eine einfache Frage bleibt nämlich in der Regel dabei unbeantwortet: warum waren die sich verschworen habenden Hintermänner mit ihren Manipulationen so erfolgreich? Warum konnten sie die alten Werte so leicht stürzen? Daß die Kulturrevolution inzwischen stattgefunden hat und daß die Linke die Kultur bestimmt, das kann nun wahrlich nicht übersehen werden. Und auch die aufmerksamste Lektüre des Buches, "Die Löwen kommen" findet da keine Antwort. Die Linken haben einfach Erfolg und die "Christlichen" kapitulieren einfach, indem sie sich dem linken Zeitgeist unterwerfen. Daß die EKD und zusehens auch die Katholische Kirche Deutschlands sich so auch dem linken Zeitgeist unterwirft, ist auch nicht zu übersehen- daß aus den einstigen Bastionen des Conservatismus Zeitgeistgetriebene geworden sind. 
Wie begann denn Nietzsches Kampf der Freigeister gegen die alten Werte und warum war er so erfolgreich? Mit Nietzsche selbst- und ab wann und warum war dieser Kampf dann  so erfolgreich? Man wird wohl 1968 als den Zeitpunkt des Anfanges der Auflösung der conservativ-bürgerlichen Kultur in Amerika und Europa ansehen müssen.  Es könnte einen Zusammenhang geben zwischen der sich herausbildenden modernen Massenkonsumgesellschaft und der Auflösung der alten bürgerlichen Ordnung.  Zur Veranschaulichung: wenn das Ideal der bürgerlichen Kultur der sich selbst beherrschende Mensch ist, so lebt die Massenkonsumgesellschaft von dem spontan unbeherrscht das oder dies Kaufenden. Der Masse an produzierten Waren muß ein massenhaftes Konsumieren folgen, damit die Waren sich verkaufen.  Dem Sparsamkeitsideal tritt der auf Raten und per Schuldenmachen Kaufende gegenüber. Es wäre überprüfenswert, ob nicht gerade die neuen Werte, weil sie funktional für das Wirtschaftsleben sind, sich durchsetzen! Daß nicht nur der Mann sondern auch jede Frau ihren Lebenssinn darin zu sehen hat, berufstätig zu sein und so Geld zu verdienen, macht ja aufs deutlichste die Kritik an dem Betreuungsgeld deutlich! Das Geld verleite Frauen dazu, statt zu arbeiten, sich den eigenen Kindern zuzuwenden und deshalb soll es wieder abgeschafft werden. Denn der Mensch und somit auch jede Frau ist in erster Linie für das Wirtschaftsleben dar. Das ist der Sinn des Lebens, der die alten Werte, wie den der Familie ablösen soll!  Die dezidiert familienfeindlichen Parteien sind so in erster Linie Parteien der Wirtschaft und des Wirtschaftslebens- diesem Wert opfern sie dann den Wert der Familie.  Versimplifiziert könnte man urteilen, daß die Überwindung des Mamgels an produzierten Waren die Massenkonsumgesellschaft schuf, die so das Ende der bürgerlichen Kultur einleitete, indem sie den Bürger und den Arbeiter und Angestellten ersetzte durch den Konsumenten. Ernst Jüngers berühmter Essay: "Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt" müßte umgeschrieben werden zu: "Der Konsument" in seiner Spannung von dem Ideal des selbstbestimmten Konsumierens und des faktischen Bestimntseins durch die produzierten Waren.  Der Philosoph Frank Lisson rekonstruiert diese Spannung des postmodernen Menschen brillant in seinem Doppelwerk: Der "homo absolutus"  (der Konsument als reine Selbstbestimmung) und als "homo viator" (als bestimmt Werdender).  
Man braucht sich nur einmal diese Kontrollfrage vor Augen zu halten: was geschähe, wenn alle deutschen Konsumenten getreu der asketischen Maxime, weniger ist mehr!, maßvoll konsumierten? Die Wirtschaft wäre in Kürze ruiniert und die Gesellschaft kollabierte, weil im Verhältnis zur massenhaften Produktion dann zuwenig konsumiert würde. Könnte es sein, daß die 68er (ganz unanhängig von ihren subjektiven Intentionen) einfach mithalfen, den für das Funktionieren der postmodernen Gesellschaft passenden Menschen zu schaffen durch diese Kulturrevolution? Vielleicht zeichnet sich unsere Gesellschaft so sehr durch den Primat der Ökonomie aus, daß deshalb ihr Werte- und  Normemhimmel der der ökonomischen Bedürfnisse geworden ist. 
Ist nicht oft der Katholischen Kirche der Vorwurf gemacht worden, daß sie nicht zur bürgerlichen Gesellschaft passe -gerade mit ihrer Morallehre und daß nur der Protestantismus die zeitgemäße Christentumsauffassung sei? Nur, daß jetzt mit dem Erlöschen der Moderne auch der Protestantismus zu Grunde geht! 
Wir erleben die Etablierung eines neuen Werte- und Normenhimmels über dem einstigen christlichen Abendland. Nietzsches neue Werte besiegen so das Christentum als die öffentliche Religion- aber was bleibt dann noch für die christliche Religion übrig?               


1 Kommentar:

  1. Warum Europa und Amerika auf eine neue Diktatur zusteuern

    Der Mann hat Recht! Aber wenn man bedenkt, dass in Europa seit Jahrtausenden ausschliesslich Diktaturen über die Menschen geherrscht haben, bis hin zur Sklaverei und Leibeigenschaft der grössten Teile der Bevölkerung, ist das alles halb so schlimm. Wir sinds ja gewöhnt, dass diktatorisch über uns bestimmt wird. So what?

    AntwortenLöschen