Samstag, 7. März 2015

Das Urchristentum-Wider die Ursprungsmythenbildung

Anmerkungen zu einem Feind der Kirche, dem Pastoraltheologen L. Karrer/ Die Stunde der Laien

Eine der liebsten Argumente aller Kulturkritik ist das Argument, früher war alles besser und diese Argumentationsfigur erfreut sich nicht nur unter Conservativen größter Beliebtheit. Der revolutionäre Denker schlechthin, Karl Marx konstruierte ja das Telos der Geschichtsentwickelung, das Ende der Geschichte als Rückkehr zu dem verlorenen Ausgangspunkt der menschlichen Geschichte, dem Urkommunismus, nur nicht einfach als einfache Wiederherstellung des Ursprungszustandes sondern -hegelianisierend -als Aufhebung, als Reproduktion auf höherem Niveau. Der Mythos vom guten Urzustand, der dann korrumpiert worden sei, ist unter zeitgenössischen Theologen geradezu zu der Lieblingsvorstellung der aktuellen Kirchenkritik avanciert. Und es war auch nicht Luther, der diese Argumentationsfigur erfand, als er reaktionär, wie er nun mal war, ein Zurück zu dem Anfangszustand forderte und dies Reform nannte. 
Wer glaubt, daß Worte und Begriffe eindeutig seien, als wäre jedem Begriff immer ein Sachverhalt eindeutig zugeordnet, der möge sich sagen lassen, daß jeder Begriff seine Bedeutung erst durch seinen Kontext erlangt. Der Begriff der Reform bedeutet unter der Voraussetzung, daß die räumlich-zeitliche Entfernung vom Ursprung immer eine Depravation ist, ein Zurück zum guten Ursprung und eine Purifizierung von dem, was unerlaubt dazu gekommen ist im Prozeß des Sichentfernens vom Ursprung. Seit aber wir das Weiterschreiten in der Zeit als ein Sichentwickeln verstehen, als ein Sichemporentwickeln aus primitiven Anfängen zu lichten Höhen, bedeutet Reform, daß gemäß der allgemeinen Fortschrittsentwickelung Bereiche, die nicht sich auf der Höhe der Entwickelungsstufe stehen, nachgebessert werden müssen, um auf dem Niveau der Zeit sich zu befinden. Die Gegenbegriffe wären dann das Conservative, daß die Entwicklungsstufe, die erreichte bewahren will, sodaß das notwendige Weiterentwickeln blockiert wird und das Reaktionäre, das eine Zurückentwickelung fordert, die Repristination eines schon untergegangenen Stadiums der Entwickelung und das Revolutuonäre, das den natürlichen Fortschritt beschleunigen will! Während diese drei Vorstellungen von conservativ, reaktionär und revolutuonär geprägt sind von der ihnen zugrunde liegenden Vorstellung, daß es einen unumkehrbaren Zeitstrom gibt, der sich als immer höher und immer besser beschreiben läßt. bekam im deutschen Sprachraum nach der Reformeuphorie zu Zeiten des Kanzlers Brandt der Begriff der Reform unter dem Kanzler Schmidt eine ganz entgegengesetzte  Bedeutung, nämlich die, das Wünschbare auf das Mach-und Finanzierbare zu reduzieren.So verwirrend ist die Bedeutungsvielfalt des Begriffes der Reform. 
Aber unsere Kirchenkritiker lieben solche Kompexität nicht. Sie lieben den Glauben an den guten Ursprung und an die Geschichte vom Abfall von diesem Uranfang, verbunden mit der Aufgabe des Zurücks zu den Roots! Erstaunlich nur, daß dies gerade Liberale und Modernisten vertreten und nicht etwa Reaktionäre der Kirche! 
Wie paßt das zusammen: eine zutiefst reaktionäre Konzeption, die des Glaubens an den guten, aber verloren gegangenen Ursprung zu verbinden mit dem Reformruf der Modernisierung der Kirche?Versuchen wir, diese Konfusion zu rekonstruieren. 
L. Karrers Buch, "Die Stunde der Laien" bietet uns dafür, ohne sich darin durch besondere Originalität oder Kreativität auszuzeichnen, ein gediegenes Anschauungsmaterial. Deshalb sie unser Augenmerk auf dieses Werk gerichtet, aber auch, weil dieser Pastoraltheologe eben auch ein sehr einflußreicher Theologe war und ist und so großes leistete zur Destruktion der Kirche!
Karrer konstruiert zuerst den  Anfangspunkt des Urchristentums, dem dann eine Abfallgeschichte nachgeordnet wird, aufgehellt nur durch wenige lichtvolle Reformansätze.  Den roten Faden bildet dabei die große Erzählung von der Einheit von Lauen und Klerikern im Ursprungszustand und der Auseinanderentwickelung dieser Einheit als einer Geschichte der Unterdrückung der Laien durch den Klerus  und des Kampfes der Laien gegen diese Unterdrückung mit dem Ziel der Wiederherstellung der verloren gegangenen Einheit, in der es eigentlich diese Differenz nicht mehr geben darf.Daß als einer der Lichtpunkte dann die Ketzerbewegung der Reformatoren aufgeführt wird, verblüfft dann nicht. Das liest sich dann in dem Buch. "Die Stunde der Laien" (1999, S.46) so: " Die refomatorischen Anliegen erfüllten die Forderungen, wie sie im Rahmen der Laienbewegung erhoben wurden: Bibelübersetzungen, Gottesdienste in der Sprache des Volkes, Laienkelch, allgemeines Prietertum, die Überwindung der Trennung von Klerikern und Laien als "verschiedene Christen", die fundamentale Gleichheit der Kinder Gottes usw". Leider reagierte das Trienter Konzil dann nicht positiv darauf sondern verfestigte die Klerikalisierung der Kirche. 
(Warum der so vom Protestantismus angetane katholische Pastoraltheologe angesichts dieser kirchenhistorischen Einsicht nicht einfach zum Protestantismus konvertierte und die Katholische Kirche Katholisch sein läßt, ist ersteinmal für den aufmerksamen Leser des Buches nicht nachvollziehbar)
Wie sah nun der Anfang aus? Einfach: die urchristlichen Gemeinden kannten in sich keine Differenzierung: alle waren eins, ein Volk, das als Einheit der heidnischen Welt gegenüberstand. Alle waren Laien, Glieder des Volkes Gottes. Die Kirche sei zutiefst laikal geprägt und nicht klerikal! Ungeschickterweise erwähnt Karrer dann aus dem 1. Petrusbrief, 5,3, daß Kapitel, das überschrieben ist -sachgemäß-mit: Hirt und Herde (Einheitsübersetzung) und das an die Hirten appelliert, ihre Gemeinden recht zu hüten! "Sorgt als Hirten für die eich anvertraute Herde Gottes". 
Eine kleine Ausschweifung zum Hirtenmotiv. Das Hirtenmotiv, der König als guter Hirte hat zwei unterschiedliche Sitze im Leben: einerseits manifestiert sich hierin der normative Anspruch des regierten Volkes, daß es von seinem König gut regiert werden möchte, wobei dem eine idealisierte Vorstellung vom Hirten zugrunde liegt, der selbstlos allein für das Wohl seiner Schafe wirkt und andererseits manifestiert sich in dem Hirtenmotiv eine Königsideologie wieder: weil ich, euer König der gute Hirte bin, habt ihr, mein Volk mir zu folgen.  Radical herrschaftskritisch wird das Hirtenmotiv, wenn es aussagt, daß nur Gott selbst ein guter Hirte sein kann und herrschaftslegitimierend wird es, wenn die menschlichen Hirten als Stellvertreter des waren einzigen göttlichen Hirten auftreten. Jetzt wird aus der Herde, die menschliche Hirten weiden, von dem wahren Hirten, Gott eingesetzte Hirten, denen Gott seine Herde anvertraut als stellvertredende Hirten.  Genau dies Amtsverständnis manifestiert sich nun in dem 1. Petrusbrief, in dem die Hirten nicht als von der Gemeinde Beauftragte erscheinen zur Leitung, sondern als von Gott Berufene. Das Gemeinsame der sehr unterschiedlichen Hirtenmotive ist die Grundvoraussetzung, daß eine Herde sich nicht selbst weiden kann sondern daß sie der Leitung durch einen Hirten bedarf. Das größte denkbare Unglück für eine Herde ist so, ohne Hirten zu sein. Und darum setzt Jesus Christus ja auch vor seiner Himmelfahrt Petrus als den Hirten des Volkes Gottes ein, und  er sagt nicht, daß die Herde sich selbst weiden soll, weil sie keines Hirten bedarf, oder weil der himmlische Hirte, Gott selbst jedes menschliche Hirtenamt überflüssig mache.
So abstrus es auch klingt: Karrers Konszruktion des Ursprungschristentums leidet von Anfang an an einem prinzipiellen Problem: das von ihm als Ideal konstruierte Urchristentum hat es in der Geschichte nie gegeben! Schon das Ursprungsverhältnis, daß von Jesus als dem Lehrer zu seinen Schülern,ist ein hierachisches, das sich prolongiert in der Ausdifferenzierung von Aposteln und Schülern, in dem von Amt und Nichtamt!  Der theoretische Status gleicht dem der Konstruktion des Ursprungskommunismus in der marxistischen Theorie. Er dient nur dazu, alle Entwicklung in der Geschichte des Urchristentums als Abfall und Depravation zu deuten!  
Karrer appliziert dann eine unter historisch-kritisch engagierten Theologen sehr beliebte Vorstellung. 
Zur Veranschaulichung. Die urchristlichen Gemeinden glichen einer Gruppe von Menschen, auf dem Bahnhof auf die Einfahrt des Zuges wartend, dessen Ankunft sie in Bälde erhofften, sodaß für die kurze Wartezeit bis zum Eintritt des Reich Gottes eine Minimalordnung des Miteinanders ausreichte. Dann kam es zur Zugverspätung-die Parusieverzögerung und je länger sich der Reich Gottes-Zug verspätete, desto mehr mußte sich die Wartegemeinschaft  zu einer dauerhaften Lebensgemeinschaft umorganisieren und das war erst die Stunde der Kirche, die zugleich die Stunde der Klerikalisierung war und somit die der Unterdrückung der Laien!  Unreflektiert bleibt dabei, ob Jesus hier selbst der Ursprung dieses Irrtumes war, daß der Reich Gottes Zug eben viel später ankommt, als es Jesus selbst erwartet hatte oder ob ihn seine Schüler da mißverstandenhaben. Fast 2000 Jahre wartet so die Gemeinde Jesu auf den Reich Gottes Zug und transformierte sich während der Wartezeit um in die klerikalisierte Kirche!  Die ganze Kirchengeschichte ist so nun für diesen Pastoraltheologen nichts anderes als die Nacherzählung von der Unterdrückungsgeschichte der Laien durch den Klerus. Eine Lieblingsvorstellung ist dabei die, daß die ursprünglich voll gleichberechtigten Frauen insbesondere das Opfer der sich klerikalisierenden Kirche seien, dem Feminismus Tribut zahlend. Das liest sich dann so: " Die katechetischen, liturgischen, missionarischen und selbst die karitativen Tätigkeiten der Frauen[...]wirden zusehens zurückgedrängt." (S.25). Wenig kreativ wird uns dazu noch die Mär aufgebunden, daß aus Gemeindeleitern, angeblich demokratisch gewählten, Opferpriester wurden (S.29) "Die Presbyter wurden so immer mehr jene Opferpriester des Neuen Bundes, denen durch die sakramentale Weihe unverlierbar die Konsekrationsvollmacht übertragen war. Die eucharistische Vollmacht lag damit im Mittelpunkt des Interesses. Der Priester wurde zum unübergehbaren "Verwalter" der heiligen Gnadengaben, der Sakramente, bes. der Sündenbergebung, zum Vermittler zwischen Gott und Mensch." (S.29) Die Illegitimität dieses Vermittlerdienstes hatte ja schon die Rotte Korach (Numeri 16) erkannt und so ihre Revolte gegen die Ordnung Gottes "legitimiert", gegen das Amt Mose und Aarons- und der Pastoraltheologe Karrer erweist sich hier als einer der vielen umkreativen Epigonen dieser Aufstandstheologie! 
Mehr als diese plumpe Erzählung vom guten Anfang, der Konstruktion einer Urgemeinde nach den Idealen der Französischen Revolution, Freiheit, Gleichheit und -nein nicht Brüderlichkeit-sondern Geschwisterlichkeit, hat diese Paroraltheologie nicht aufzubieten, verbunden mit dem reaktionären Appell: zurück zu den Ursprüngen (die es so aber historisch gesehen, nie gegeben hat!)
Und die Reformagenda fällt dann ebenso dürftig wie trivial aus: die Demokratisierung der Kirche und das ist Alles!  
Eines bleibt dabei völlig unreflektiert: warum denn der Anfang, nehmen wir mal an, das Urchristentum hätte dem Selbstidealbild basisdemokratischer Selbstorganisation geglichen, normativ für die Kirche zu allen Zeiten sein soll? Oder käme irgendwer auf den Gedanken, ein auf alle vieren krabbelndes Kleinkind vor Augen, zu urteilen, daß der aufrechte Gang eine Fehlentwickelung sei und der Erwachsene doch lieber sich zum Krabbeln zurückentwickeln solle, weil er sich ursprünglich so fortbewegt habe? Die naiv daherkommende Erzählung vom guten Anfang der vollkommemnden Gleichheit und des Abfalles durch die Binnendifferenzierung kann nicht mal erzählimmanent dies Werturteil begründen. Stattdesen wird nur über den privilegierten Stand des Klerus lamentiert-eine Prise plumpesten Sozialneides ist dabei unübersehbar! Und was noch wesentlicher ist: die Frage nach der Legitimität dieser Ausdifferenzierung unterbleibt! Ja, sie muß unterbleiben! Denn diese Frage stellend, stöße die Frage unvermeidbar auf die Antwort, daß schon in der Beziehungsstruktur von Jesus und seinen Schülern das Verhältnis von Klerus und Laien präfiguriert ist und daß es um  des christlichen Kultes willen, der Eucharistiefeier willen auch unbedingt Priester geben muß um der christlichen Religion willen! 
"Die Stunde der Laien" ist somit die zigfachste Neuinszenierung des Theologenaufstandes im Geiste der Rotte Korach gegen die Ordnung Gottes, die der Priesterordnung!   Und was bietet diese Aufstandstheologie positiv an? Nichts außer der Parole: mehr Demokratie, und alles wird gut! Am demokratischen Vereinswesen wird die Kirche genesen!  Oder besser, sachgemäßer:zu Grunde gehen durch ihre totale Selbstsäkularisierung !                
             

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