Freitag, 13. Februar 2015

Christ und Vegetarier?

Eigentlich ist das doch eine klare Angelegenheit. "Schlachte und iß"sagt Gott zu Petrus. Eine Vision: Petrus sah "eine Schale auf die Erde herabkommen, die aussah wie ein großes Leinentuch, das an den vier Ecken gehalten wurde. Darin lagen alle möglichen Vierfüßler, Kriechtiere der Erde und Vögel des Himmels. Und eine Stimme rief ihm zu: Steh auf, Petrus, schlachte und iß!" Auch die hl. Schrift diskutiert die Frage, was der Menschen essen darf und was nicht. Petrus verweigert sich diesem göttlichen Befehl. Zu diesem Zeitpunkt ist er schon der Stellvertreter Christi auf Erden und trotzdem zeigt er sich hier als ungehorsamer. Merke: Auch das Papstamt macht nicht automatisch den Amtsinhaber zu einem unfehlbar immer das Richtige Tuenden. Aber Gott erklärt alle Speise für rein und so bleibt es bei dem göttlichen Auftrag: "Schlachte und iß!" 
Der Christ, der vegetarisch sich ernährt, bleibt stehen im Ungehorsam des Petrus. Mit ihm sagt er Nein zum Fleischverzehr. Ein moderner christlicher Vegetarierer wird das wohl anders als Petrus begründen-oder welcher Vegetarier würde das Fleisch als "unheilig" und "unrein"dysqualifizieren. Es sei nun an den Noachbund erinnert, daß dem Menschen alle Pflanzen und alles Fleisch zur Nahrung dienen soll. Und ganz realistisch heißt es dann da: "Furcht und Schrecken vor euch soll sich auf alle Tiere der Erde legen auf alle Vögel des Himmels, auf alles, was sich auf der Erde regt, und auf alles, was sich auf der Erde regt, und auf alle Fische des Meeres". "Euch sind sie übergeben, lautet das Resümee. (Gen 9, 2f). 
Der erste Leseindruck: die Sache ist eindeutig: Gott gibt uns alle Tiere in unsere Hand, damit sie uns zur Verspeisung dienen. Das ist die göttliche Ernährungsordnung für den Menschen. Stellen wir an passant dabei etwas Gewichtiges fest: nicht nur die Sexualität, auch die Ernährung wird religiös geregelt. Religion beginnt nicht erst bei den "höheren" Fragen menschlicher Existenz: wozu bin ich?, woher komme ich? und wohin gehe ich?, sondern die elementarsten Dinge des Lebens, des Überlebens, Nahrung und Fortpflanzung werden von Gott geregelt-um des Lebens des Menschen willen. 
Aber wie kann es dann in der christlichen Religion zu der religiösen Praxis des Fleischverzichtes kommen? Offenkundig widerspricht doch das Nein zum Fleischverzehr der göttlichen Ordnung. Und der Meinung, daß dann man ja Tiere töten müsse, um das Tierfleisch zu essen, und daß das ein Grund zum Verzicht auf den Fleischkonsum sein soll, widerspricht die göttliche Ordnung eindeutig. "Schlachte!" sagt Gott zu Petrus. Die Tiere werden sich vor den Menschen fürchten und der Mensch wird bei den Tieren Schrecken hervorrufen-aber das soll so sein! Als wenn der Verfasser dieses Textes des Noachbundes den Einwand, der Mensch dürfe doch keine Tiere töten und wenn er es täte, wäre das Verhältnis der Tiere zum Menschen unaufhebbar gestört, gekannt hätte, reprobiert er ihn mit dem stärksten Argument der Religion: Gott will es so! 
Trotzdem verzichtet der Katholik Freitags, besonders aber am Karfreitag und Aschermittwoch auf Fleisch-ja, es gibt Orden, etwa die als besonders fromm geltenden Karthäuser, die nie Fleisch zu sich nehmen und es gibt Christen, die Vegetarierer sind. Sind das nun alles religiöse Praktiken und Gebräuche, die der Ordnung Gottes widersprechen?
Kann etwas Gott wohlgefällig sein, was seiner Ordnung widerspricht?
Nun fügen manche Christen rein säkulare Argumente für einen Fleischverzicht an. Das Gerede von der Ungesundheit des Fleischkonsumes wird da gern angeführt. Aber, hier muß der Christ fragen: kann es denn sein, daß Gott selbst uns etwas zu essen anbefiehlt, was ungesund und schädlich für den Menschen ist? Ja. im Zentrum des christlichen Kultus steht der Verzehr von dem Fleisch und dem Blute Christi im heiligen Mahl der Eucharistie. Nun kann man nicht überhören, daß wohl in Rücksicht auf verzärtelte Nervenkostüme feinfühligster Menschen, wie man heuer keine Blut-sondern nur noch Rotwurst kaufen kann, man davon redet, daß uns in der Eucharistie die Liebe Gottes begegnet, um nicht mehr von Fleisch und Blut reden zu müssen, aber theologisch bleibt es dabei: das Heil des Menschen ist auch abhängig vom Verzehr des Fleisches und Blutes Christi. Wenn der Fleischverzehr immer etwas Ungutes für den Menschen wäre, warum hat der Heiland dann von dem Verzehr seines Fleisches in der Eucharistie gesprochen: "Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht eßt und sein Bluz nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch." (Joh 6,53)
Einer fatalen Verwechslung der Spezifika der modernen Krisen mit vormodernen unterliegt das ebenso bekannte wie unsinnige Argument, daß der Fleischkonsum der entwickelten Länder die Ursache des Hungers in den armen Ländern wäre.Vormoderne Krisen  waren im wesentlichen Mangelkrisen-es gab an Lebenswichtigem zu wenig und der Mensch lernte, mit solchen Mangelzuständen zu leben, von der Bereitstellung von Vorräten für den Winter bis zu den Tugenden der Sparsamkeit und Genügsamkeit.Die Krisen der Moderne sind in der Regel Überflußkrisen: ein zu viel an Angeboten steht ein zu wenig an Nachfrage gegenüber und es kommt zur Absatzkrise. Unternehmen können ihre Waren nicht absetzen und müssen im schlimmsten Falle schließen. Für die Ernährungsproblematik heißt das: es stehen ausreichend genug Nahrungsmittel weltweit zur Verfügung-aber den Hungernden fehlt es an der nötigen Kaufkraft und nur deshalb hungern sie. Die Industriealisierung der Landwirtschaft ist in den entwickelten Ländern so erfolgreich, daß für alle mehr als genug da ist, sodaß auch alle Fleisch konsumieren könnten Aber die Armen stehen vor den vollgefüllten Regalen und können sich die Nahrung nicht kaufen, weil der Geldbeutel leer ist. So einfach ist das. Wer zum Fleischbverzicht ausruft zugunsten der Armen reagiert auf eine Überflußkrise der Moderne mit den Maßnahmen, die sich in der Bewältigung vormoderner Mangelkrisen bewährt haben. Wenn zu wenig Brot da ist, gibt der, der viel hat, dem ab, der nichts hat!
Wenn das Fleischessen etwas Gutes ist, etwas so Gutes, daß uns der Heiland gar sein Fleisch als Medizin für das ewige Leben in jeder Eucharistiefeier zubereitet, wie kann dann der Verzicht etwas Gutes sein? Ich sehe darauf nur eine Antwort. Der Verzicht auf Fleisch ist ein Bußwerk! Vergegenwärtigen wir uns kurz des metaphysischen Hintergrundes der Vorstellung von der Buße.Es ist das Bild der Waage. Eine böse/sündige Tat verlangt nach der Bestrafung und das Gewicht der Bestrafung richtet sich nach der Schwere der bösen Tat. Das Ziel ist die Ausgewogenheit der beiden Schalen-in der einen liegt die Sünde als Gewicht, in der anderen das Gewicht der Strafe. Wie kann nun in dies Bild der Begriff der Buße eingezeichnet werden. Er gehört in die Schale des Gegengewichtés zur bösen Tat. Der sich als Sünder Wissende und Bekennende legt sein Bußwerk als Ersatz für sein Bestraftwerden in die Waagschale. Die Buße ist so eine Art der Selbstbestrafung. Wer sich bestraft, den bestraft Gott nicht, könnte als Grundsatz jetzt eingefügt werden. Nur, das Bild ist so noch unvollständig. Jede Sünde, jede Buße ist ein Tun oder Unterlassen wider Gott und dies Wider-Gott macht die Schwere der Sünde aus. Kein menschliches Bußwerk könnte so, liegt in der einen Waagschale eine menschliche Sünde, dies Gewicht kompensieren, weil es dafür zu leicht ist. Das christliche Verständnis der Buße ergibt sich für uns erst vollständig, wenn wir nun-um im Bilde zu bleiben-die Vorstellung vom Gewicht des Kreuzes Christi einführen. Dies Gewicht des Kreuzes legt Gott gnadenhaft zu unserem Bußwerk hinzu in die Waagschale und so ergibt sich die Ausgewogenheit der beiden Waagschalen. So wird der göttlichen Gerechtigkeit Genüge getan und Gott erweist sich gerade im Bußwerk als der gnädige Gott, indem er das Gewicht des Kreuzes Christi zu unseren Gunsten in die Waagschale hineinlegt. 
Das Bußwerk ist also ein Akt der Selbstbestrafung im Vertrauen darauf, daß Gott das Gewicht des Kreuzes Christi hinzufügen wird zu unserem Bußwerk, sodaß so der göttlichen Gerechtigkeit Genüge getan wird.
Der Verzicht auf Fleisch ist gerade deshalb so gesehen etwas Gutes, weil dieser Verzicht für den Menschen etwas Ungutes ist! Das ist die Pointe jeder Bußpraxis. Einem strengen Fasten bei Wasser und Brot hat sich niemals ein Christ unterzogen, weil er dachte, damit täte er sich selbst etwas Gutes an! Nein, gerade weil es etwas ihm nicht Guttuendes ist, fastete er so, weil er darauf hoffte und vertraute, daß Gott dies Fasten als Wiedergutmachung für seine Sünden annimmt, indem Gott das Kreuz Christi sozusagen zur Bußleistung des Büßenden hinzuaddiert und so der göttlichen Gerechtigkeit Genüge getan wird. Diese Gesamktkonzeption mit der besonderen Stellung der Bußpraxis steht und fällt mit dem Glauben an die göttliche Gerechtigkeit, daß Gott eine metaphysische Ordnung gesetzt hat, in der das Gute von ihm belohnt und das Böse von ihm bestraft wird und daß Gott selbst diese einfache Ordnung zu einer komplexen Ordnung ausgebaut hat, indem er die Gnadenordnung in sie hineingeschrieben hat. 
Was bedeutet das nun für unsere Ausgangsfrage des Verhältnisses von Christsein und Vegetariersein? Der Verzicht auf Fleisch ist ein Gott wohlgefälliges Bußwerk, wenn dieser Verzicht als Buße praktiziert wird. Die Pointe dabei: weil dieser Verzicht unmittelbar etwas Nichtgutes für den Verzichtenden ist, ist es mittelbar für ihn gut, insofern Gott sein Bußwerk gnädig annimmt.   Wer aber Fleisch ablehnt, weil er meint, damit für sich oder andere unmittelbar etwas Gutes zu tun, verstößt gegen die Ordnung Gottes, in der uns Gott das Fleisch der Tiere zur Nahrung gibt!             

     
         

2 Kommentare:

  1. «Der Gebrauch des Weines hat mit dem Fleischessen angefangen nach der Sintflut. Der Genuss des Tierfleisches war bis zur Sintflut unbekannt, aber seit der Sintflut hat man uns die Fasern und die übelriechenden Säfte des Tierfleisches in den Mund gestopft, wie man in der Wüste dem murrenden, sinnlichen Volke Wachteln zuwarf. Jesus Christus, welcher erschien, als die Zeit erfüllt war, hat das Ende wieder mit dem Anfang [Genesis 1:29] verknüpft, sodass es uns jetzt nicht mehr erlaubt ist, Tierfleisch zu essen ...»
    Heiliger Hieronymus von Bethlehem (347 - 420), Kirchenvater

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  2. «Der Gebrauch des Weines hat mit dem Fleischessen angefangen nach der Sintflut. Der Genuss des Tierfleisches war bis zur Sintflut unbekannt, aber seit der Sintflut hat man uns die Fasern und die übelriechenden Säfte des Tierfleisches in den Mund gestopft, wie man in der Wüste dem murrenden, sinnlichen Volke Wachteln zuwarf. Jesus Christus, welcher erschien, als die Zeit erfüllt war, hat das Ende wieder mit dem Anfang [Genesis 1:29] verknüpft, sodass es uns jetzt nicht mehr erlaubt ist, Tierfleisch zu essen ...»
    Heiliger Hieronymus von Bethlehem (347 - 420), Kirchenvater

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