Freitag, 6. Februar 2015

Anpassung an die Welt eine Miniatur dazu

Idealisten und Realisten-
oder die Lust an die Einpassung an das Jetzt und Hier


Es ist ein erstaunliches Phänomen, daß wir in vielen Beiträgen zur Lage der Kirche auf eine Unterscheidungsbegtrifflichkeit stoßen, die uns aus dem parteipolitischen Leben vertraut ist. Da sprach man bei den Grünen von Realos und Fundis, in der CDU von Modernisieren und Conservativen, selbst in der noch kaum etablierten Partei AfD von liberalen und nationalconservsativen. Stets sind dabei die Reformer oder Modernisierer -so in der veröffentlichten Meinung der Massenmedien die Guten und die Bösen die Bremser der Reformbewegung. Gibt es da subkutan Verbindungen und Zusammenhänge? 
Vielleicht könnte man diese Differenz begreifen als die von Idealismus und Realismus. Unter Idealismus sei hier dann eine Handlungskonzeption verstanden, die das Handeln als Realisieren von Ideen versteht. Das Normative ist diesem Handlungstyp das Ideele und das Reale das Mittel, durch das das Ideele zu realisieren ist. Der Realismus dagegen sieht das, was ist und will eine Anpassung der Handlungsziele an das Reale, das real Mögliche. Ihm soll das Reale das Normative sein. Das Leben oder gar die Wirklichkeit nach Ideen zu gestalten, ist dem Realisten schwärmerischer Utopismus, der immer an der Macht des Faktischen scheitert. 
Was hat das nun aber mit der Kirche zu tun? Auf den ersten Blick: sehr wenig. Aber wenn man als das Handlungsziel das Reich Gottes bedenkt, sieht es doch etwas anders aus. Die Kirche richtet sich in ihrer Praxis auf dies Reich Gottes auch, schon in ihrer elementarsten Praxis: was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen? Es soll nun die Grundorientierung kirchlicher Praxis versuchsweise bestimmt werden. Auf der Zeitachse orientiert sie sich an die Verheißung des zukünftigen Reich Gottes als dem Ende der uns bekannten Geschichte und sie schaut zurück auf ihre Entstehung in der Vergangenheit   und auf der Raumachse nach "unten", indem sie sich an der Natur als Schöpfung Gottes orientiert und nach "oben", indem sie sich in Relation zum Himmlischen versteht, etwa als Abbild des himmlischen Gottesdienstes.  So ist die Kirche immer in der Spannung von dem Sichzrückorientieren auf ihre Geburt und ihre Zukunftsausrichtung auf das Reich Gottes. Und sie lebt in der Spannung von Natur und Himmel als den beiden Orientierungspolen von "unten" und "oben". Das Jetzt und Nun ist bei dieser vierfachen Ausrichtung das schwächste Moment. Denn die Natur ist ja nicht das Augenblickliche sondern das Fundierende von Allem, was jetzt und hier erscheint.  Diese Struktur kann man nun tatsächlich auch im politischen Raum wiederfinden als Orientierung an Dauerhaftem, das es gilt zu realisieren in dem es immer wieder conserviert wird.
Zum Beispiel: Der Begriff der Nation ist so etwas, das sich auf einen Grund jenseits der Gegenwart bezieht, dem eine natürliche Basis zu eigen ist, die Blutsverwandschsaft und dem ein ideeler Pol gegenübersteht, die Idee des Volkstumes als Auftrag für das Volk und eine Zukunft als das, wozu ein Volk ist, seine Berufung. 
Der Realismus sieht das Handeln des Menschen ganz anders: der Mensch ist in einem Hier und Jetzt und sein Tun ergibt sich aus seiner Zeit- und Raumlage. Nicht soll die Vergangenheit ihn bestimmen noch Zukünftiges, sondern getreu der Maxime: carpe die soll nur das Gegenwärtige zählen.Der Vorstellung, die Wirklichkeit nach Ideen zu gestalten wird das Ideal der Mimikry entgegengesetzt. Nur, was ist das Gegenwärtige? Und hier scheinen sich alle Modernisierer und Realisten eins zu sein: so wie es ist, ist die Wirklichkeit gut. Nur, daß es eben noch Einstellungen gibt, die das Gutsein des Realen nicht erfassen wolle. Man könnte meinen, Hegel triumphiere hier mit dem Ausruf: was ist, das ist das Vernünftige und das Vernünftige ist das, was ist. Dieser Antiutopismus sieht in dem Hier und Jetzt das realisiert, was die Geschichte zu realisieren hatte und wir stehen jetzt am Ende der Geschichtsentwickelung.  Und nun gälte es nur noch, daß wir zur Einsicht in das Verwirklichtsein des Vernünftigen im Hier und Jetzt kommen. Mit dem ist dann selbstredend die "westliche Welt" gemeint und man konzidiert dann gern, daß die sogenannten Entwicklungslönder noch einen Nachholbedarf hätten. Erst wenn das Hier und Jetzt so "eschatologisch" aufgeladen wird als die Realisierung des zu Realisierenden, kann es zu der Norm der Praxis für den Menschen werden.
Wie kann es dann aber eine Modernisiererrichtung in der Kirche geben? Es muß sich etwas grundlegend in der Orientierungsstruktur der Kirche geändert haben: aus der Vergangenheit, dem Ursprung der Kirche wird -durch das historische Bewußtsein eine Realisierungsgestalt der christlichen Religion, die sosehr als zeit-und raumbedingt gedeutet wird, daß sie keine normative Kraft mehr für uns Jetzige besitzt. Als bekannte Beispiele dafür sei an die Selbstverständlichkeit erinnert, mit der die gesamte exorzistische Praxis der Urgemeinde als  Abergläubisch abgetan wird oder daß die Nichtzulassung von Frauen zum Priesteramt als bloß historisches Ereignis gesehen wird -also als bloß zeitbedingtes. Die Reich Gottes Ausrichtung verblaßte schon in den Anfängen der Kirche durch die Schwerpunktsetzung auf den individuellen Tod und das Eingehen in das ewige postmortale Leben. Die Natur als die Norm für die kirchliche Praxis fiel der Moderne zum Opfer, weil nun die Natur nur noch den Status eines noch zu bearbeitenden Rohstoffes erhielt und das himmlisch Jenseitige wurde ersetzt durch die Orientierung auf den Fortschritt. Erst nach dieser Umstrukturierung konnte das Jetzt und Hier zu der Norm der Kirche werden, indem nun das Jetzige als die realisierte Entwicklung verstanden wird. 
Es fehlt also dem realistischen Denken die Vergangenheit als Ursprungsnorm, und die Utopie des Reich Gottes als Zukunftsnorm und die Natur und der Himmel als "unten"-"oben"-Normpolarität. Stattdesen heißt es nur noch: so ist es und so soll es sein und die Praxis hat sich dem einzupassen. In der Politik wie in der Kirche gilt es so als höchste Tugend, die Gegenwat, so wie sie jetzt ist, zu affirmieren und so in ihr zu handeln, daß sie so erhalten bleibt. Das Reformieren und Modernisieren ist so im Kern ein Abbau vom idealistischen Denken und allen kritischen Potentialen: es sollte doch eigentlich ganz anders sein!
Dies verändert nun aber auch die Gottesvorstellung. Gott ist nicht mehr der Herr der Geschichte, der Zukünfte eröffnet, sondern ein rein statisches Gott. Das Symbol, das dieses Gottesverständnis am treffendsten zum Ausdruck bringt ist der Vergleich Gottes mit der Sonne: unbewegt strahlt sie ihr Sonnenlicht auf alles Leben und so strahlt Gott auch seine Liebe aus. Gott reduziert sich auf das Gefühl, so, wie ich bin, sagt Gott zu mir sein Ja! -und das und nicht mehr ist Gott. Und wir Menschen können dann vergangenheits-und zukunftslos im bloßen Hier und Jetzt als Bejahte leben.  
Anders gedacht: einer der Reichsgottesverkündigung Jesu Christi sich verpflichtet wissende Kirche kann nie eine sich zur Realität rein affirmativ verhaltende Kirche sein, die so gerade auch allen radicalen Veränderungsbewegungen gegenüber eine Geistesverwandschaft nicht leugnen kann. Aber genau diese Affinität zum radicalen Verändern mißtraut die Bewegung der Reformer und Modernisierer, indem sie nur noch von einem Sicheinpassen in die moderne Welt träumen.Aber das können sie auch wiederum nur, weil ihnen-hegelisch influenziert?- die Moderne als die bestmögliche aller denkbaren Welten erscheint, in der eigentlich alle positiven Gehalte der christlichen Religion realisiert sind als die "Grundwerte" von Freiheit, Individualität und Menschenwürde und so weiter...
als wäre die Moderne, das Jetzt und Hier realisiertes Christentum.              
     

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