Donnerstag, 1. Januar 2015

Gefährdete Freiheit? (Teil 1)

Determination und Freiheit
Gottes Regieren und die menschliche Freiheit
oder gefährliche Gedanken

Wer kennt nicht diesen Satz des Römerbriefes? „Wir wissen, daß Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt“,wobei meist weggelassen wird: bei denen, die nac seinem ewigen Plan berufen sind;“ Röm 8,28. Aber verstehen wir diese Aussage auch? Zur Veranschaulichung der Problematil nehmen wir den Fall einer vergewaltigten Frau. Nehmen wir an, daß sie eine praktizierende Katholikin ist. Unter „Alles“ fällt nun auch dieses Widerfahrnis, daß sie vergewaltigt worden ist. Wenn das „Alles“ alle Negativererignisse ausschlösse, dann wäre diese Aussage ja ziemlich trivial, daß alles Gute Gott uns zum Guten führe. Allerdings schreibt Paulus im Hohen Lied der Liebe, daß die Liebe alles glaubt, (1.Kor.13,7.) Hier müssen wir wohl ergänzen zu allem Wahren, denn was wäre das für eine Liebe, wenn sie auch allen Unwahrheiten Glauben schenken würde. Hier kann Paulus mit dem Alles nicht alles gemeint haben!
Führt allso ihr Vergewaltigtsein ihr zum Guten? Bekannt sind solche Geschichten: ich bewarb mich um die Stelle A, es wäre mein Traumjob gewesen, aber ich wurde abgelehnt. 2 Monate später bekam ich eine andere-und die war für mich viel besser als die erste. Als ich abgelehnt wurde, da fing ich an zu zweifeln, ob mein Gott mich verlassen habe, denn ich brauchte doch als Familienvater unbedingt die Stelle, weil es mit dem Hartz 4 einfach so nicht weiterging..aber jetzt sehe ich, daß Gott es gut mit mir und meiner Familie gemeint hatte, daß er mir die erste Stelle nicht gab, weil er mir die zweite geben wollte. Die Moral von solchen Beispielgeschichten: auch wenn du es jetzt noch nicht begreifst, warum dir so ein Unglück widerfahren ist, Gott wird sich dabei etwas für dich Gutes dabei gedacht haben, sonst hätte er dies Unglück nicht zugelassen oder gar selbst gewirkt.
Aber ist das auch auf diesen Exremfall der Vergewaltigung anwendbar? Zu beachten ist dabei ja, daß es nicht heißt, daß jedes Widerfahrnis aus sich heraus zum Guten gedeiht, sondern daß diese Frucht erst durch Gottes Wirken aus den Widerfahrnissen erwächst. Aber was für eine gute Frucht sollte und könnte Gott einer Frau aus ihrem Vergewaltigtwordensein erwachsen lassen? Das soll jetzt keine rhetorische Frage sein, aber sie soll erstmal so in der Luft stehen bleiben, uns ratlos vor ihr stehen lassend.
Allen, die ihn(Gott) lieben“-diese kleine Einschränkung überlesen wir gern. Nur denen, die Gott lieben gilt diese Verheißung. Jetzt nähern wir uns einem gefährlichen Gedanken. Ich könnte so urteilen: wenn die Frau Gott wirklich geliebt hätte, wäre sie nicht vergewaltigt worden, denn Gott hätte ein so großes Unglück von ihr ferngehalten, weil aus einem Verbrechen wider diese Frau nichts Gutes für die Frau erwachsen kann. Die Selbstbefragung der betroffenen Frau hätte dann das Resultat: wenn ich Gott wirklich geliebt hätte, wäre mir das nicht widerfahren; weil es mir widerfahren ist, war meine Liebe zu Gott nicht eine wahre Liebe, eine in Gottes Urteil genügende. Es geht in dieser Aussage ja nicht um die Liebe, die Gott zu uns Menschen hat, sondern um die unserige zu ihm! Und niemand wird doch wohl behaupten wollen, daß alle Menschen Gott lieben!
Ja, wem gilt dann diese Verheißung? Schaue ich auf mich und befrage mich: liebe ich Gott? Und wenn die Johannesoffenbarung von der lauen Liebe zu Gott zu sprechen weiß, dann muß hinzugefügt werden: liebe ich Gott genug oder doch nur lau und reicht eine laue Liebe? Was wissen wir über die, die Gott lieben? Paulus sagt über sie:die, die er im Vorau+ dazu bestimmt hat, an Wesen und Gestalt seine+ Sohne+ teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei.“ (Röm 8,29). Das Gott Lieben ist damit gemeint, an Wesen und Gestalt Jesu teilzuhaben! Also: Gott hat Menschen dazu erwählt, Gott zu lieben und die er dazu erwählt hat, die lieben Gott auch, sodaß ihnen diese Verheißung gilt-den Nichterwählten gilt sie nicht. Und woran erkenne ich, daß ich ein Erwählter Gottes bin? An meiner Liebe zu Gott-und woran erkenne ich, daß ich Gott liebe? Daran, daß mir nichts widerfährt, das mir nicht -durch Gottes Wirken-zum Guten gereichen würde! Jetzt sind wir -konfessionskundlich gesprochen-im amerikanisierten Calvinismus gelandet, der besagt: wen Gott erwählt hat, den bewahrt er vor Niederlagen und hilft ihm zum Erfolg, so daß ich an meinem weltimmanent erkennbaren Erfolg mein Erwähltsein erkennen kann. Wichtig: nicht weil ich erfolgreich bin, bin ich erwählt-sondern: weil ich ein Erwählter bin, gewährt mir mein Gott Erfolge und bewahrt mich vor wirklichenUnglücksfällen, aus denen mir nichts Gutes erwachsen kann! Nebenbei:ohne diesen veramerikanisierten Calvinismus wird Amerika nie begriffen werden mit seiner uns Kontinentaleuropäern so selbstverständlichen Gleichsetzung von Erfolg haben und Recht haben.Gott ist mit Amerika, weil es eben die erfolgreichste Nation ist und in ihr sind die Erfolgreichen die Erwählten Gottes und die Armen eben nicht. Amerikanisch ist dabei die Identifizierung des „zum Guten mit einem weltimmanent erkennbaren Erfolg bzw dem Ausbleiben von wirklichen Mißerfolgen. Das Zum Guten könnte Paulus ja auch rein eschatologisch gemeint haben!
Aber jetzt sind wir doch noch etwas oberflächlich geblieben! Wie ist denn Gott zu denken, daß diese Verheißung wahr sein kann? Gott erwählt bestimmte Menschen-nicht alle. Für diese Erwählten soll nun gelten: egal, was ihnen widerfährt, es gedeiht ihnen zum Guten -durch Gott. Das könnte so gedeutet werden: Gott regiert so die Welt, daß seinen Erwählten nur das an Negativem widerfährt, woraus ihnen dann etwas Gutes erwächst. Dem hl Ignatius von Loyola zerschmetterte eine Kanonenkugel das Knie-bettlägrig las er Heiligenviten, in Ermangelung von weltlichen Romanen, die er hätte lesen wollen, aber sie gab es nicht im Spital-er las also und dadurch wurde er bekehrt! Zwei Widerfahrnisse gereichten ihm zum Glück: die Kanonenkugel und das Fehlen der Wunschliteratur.Gott wirkte aber nicht nur äußerlich, durch diese zwei Widerfahrnisse, sondern er erleuchtete ihn auch innerlich, sodaß so erst das äußerlich Gelesene ihm zum Heil wurde. (Nachlesbar in dem nicht hoch genug zu würdigendem Meisterwerk: „Maria, meine Zuflucht und mein Trost, von M. Sintzel, 1919, S.668)
Nur, die Geschichte ist uns doch eine komplexe Serie von zufälligen, kontingenten Ereignissen, daß die Kanonenkugel ihn traf und zwar so traf, und daß gerade in diesem Spital der Verletzte keine weltlichen Romane vorfand! Sollen wir jetzt urteilen: was uns als zufällig erscheint, ist durch Gott so gewirkt, daß es so geschah? Determiniert Gott die menschliche Geschichte, sodaß deshalb gilt, daß den Erwählten nichts wirklich Negative trifft? Gilt dies göttliche Determinierung der Gesamtgeschichte der Menschheit und jedem Einzelereignis oder nur besonderen Geschichten in der Geschichte? Also: alle Kanonenkugeln trafen oder trafen auch nicht, aber die eine, die den Ignatius treffen sollte, die traf, weil Gott sie so gelenkt hat?
Und wie verhält es sich nun das Erwähltsein durch Gott zu dem Gott Lieben? Offenkundig war Ignatius schon ein Erwählter, bevor er sich bekehrte-aber daß er sich bekehrte, das war die Frucht seines Erwähltseins, denn deshalb erleuchtete Gott ihn, als er die frommen Bücher las, sodaß sie ihm zum Heile wirkten!
Hiermit stoßen wir auf eines der größten Probleme der Theologie: wie verhält sich das Erwähltsein durch Gott zu unserer Freiheit! Könnte es den Fall geben, daß ein Mensch zur Liebe zu Gott von Gott erwählt und bestimmt ist und daß dieser kraft seiner Freiheit sich gegen diese Erwählung zur Nichtliebe selbst bestimmt? Könnte es den Fall geben, daß ein Nichterwählter anfängt, Gott zu lieben oder können das nur von Gott Erwählte? Kann ich selbst erkennen, ob ich ein Erwählter oder ein Nichterwählter bin?
Man könnte sich das nun einfach machen, indem geurteilt wird, daß Gott alle Menschen liebe und so jeden dazu bestimmt habe, daß er Gott liebe, sodaß ihm alles zum Guten gereichen wird, nur daß der Mensch dann sich gegen seine Erwählung entscheidet und es so allein auf sein Sichentscheiden ankäme, ob er Gott lieben wolle oder nicht, denn Gott gibt jedem die Möglichkeit, sich für oder gegen Gott zu entscheiden!
Oder wollen wir denn nun doch calvinistisch werden und sagen: am Erfolg erkennen wir das?
Ein Mensch kann Gutes erleben oder Böses erleiden. Wie nun, wenn wir das „Alles“ so deuten, daß was auch immer mir zufällig, oder besser gesagt kontingent geschieht, ob es gut oder böse ist, mir zum Guten wird, weil Gott das kontingente Widerfahrnis mir immer zum Guten werden läßt. Das hieße, daß das Unglück, das mich traf, mich auch nicht hätte treffen müssen,daß zur indikativischen Aussage, das geschah, die konjunktivische, es hätte sich auch anders ereignen können, hinzutritt, weil die Geschichte nicht determiniert ist, Nur, daß Gott nun mir verheißt, daß, egal, was mir geschieht, er es mir zum Guten werden läßt und daß dies in der Regel etwas Gutes in Hinsicht auf das ewige Leben meint.
Nur, das könnte nun doch Gott deistisch verflüchtigen, daß Gott zwar die Welt geschaffen habe, aber nun nur noch ein Zuguckgott ist, der das Welttheater sich anschaut, um am Ende alle Schauspieler zu belohnen oder auch nicht.
Bleiben wir im Bilde des Welttheaters, daß Gott die Welt als Theater geschaffen hat und jedem Menschen eine Rolle in dem Theater gegeben hat mit all dem, was er laut dem Regieplan des aufzuführenden Stückes zu tun und zu erleiden habe. Die Erwählten wären dann die, die nach der göttlichen Regie die wären, die dazu bestimmt sind, die Rolle der Gläubigen zu spielen und das Theaterstück sieht dann vor, daß ihnen im Stück alles zum Guten gedeiht. Das wäre eine Welt, in der alles durch den göttlichen Regisseur determiniert wäre-eine Welt ohne Freiheit, so wie es Luther und Calvin sich gedacht haben als Reformatoren. (Für Luther nachlesbar in seiner seiner Meinung nach wichtigsten Schrift, die wider den freien Willen und Calvin in seinem Unterricht der christlichen Religion-das zur Kenntnisnahme isb. für ökomenisch Engagierte!) Wenn aber der Mensch als zur Freiheit Bestimmter gedacht sein soll, dann müßte dies Bild des Welttheaters anders gedacht werden: daß Gott Rollen den Menschen gibt, die der Mensch dann frei interpretieren kann als Schauspieler. Der Mensch spielte frei seine Rolle, so wie er sie spielen will.
Das macht dann die Aussage aus dem Römerbrief sehr kompliziert.Ob ich ein Gott Liebender bin, hängt dann davon ab, ob Gott mich dazu bestimmt hat und ob ich mich dann auch gemäß dieser göttlichen Bestimmung selbst dazu bestimmt habe! Und ich stehe somit immer auch vor der Anfrage: liebe ich wirklich Gott so, daß mir diese Verheißung auch gilt? Jetzt einfach in den Himmel springen und zu sagen: ich weiß aber, daß Gott mich erwählt hat, das ist kein erlaubter Sprung, denn ich kann, solange ich hier auf Erden lebe, nicht wissen, ob ich wirklich ein Erwählter bin! Weder weltimmanente Erfolge noch weltimmanente Mißerfolge zeigen mir mein Erwähltsein noch mein Nichterwähtsein!

Eines kann aber gesagt werden: diese Verheißung verlangt keinen göttlichen Determinismus, um wahr zu sein. Selbst wenn alles sich in der Geschichte kontingnt ereignete, könnte Gott alles seinen Erwählten zum Guten gedeihen lassen, sofern das Gute dann streng eschatologisch gedacht wird. Aber es kann auch nicht wegdiskutiert werden, daß es für Paulus Menschen gibt, dcnen diese Verheißung nicht gilt, weil sie Gott nicht lieben, auch wenn der letzte Grund ihrer Nichtliebe zu Gott dann ihr Nichterwähltsein ist, es sei denn, man meinte, daß auch ein Nichterwählter auch Gott lieben könne.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen