Freitag, 30. Januar 2015

Erste Erfolge islamistischer Militanz. Die Unterwerfung beginnt!

Die Junge Freiheit berictete am 30.Jänner 2015 über staatsanwaltliche Ermittelungen gegen den evangelischen Pfarrer Latzel. Er hatte gepredigt:

Es gibt nur einen wahren Gott. Wir können keine Gemeinsamkeit mit dem Islam haben. Das ist Sünde. Das darf nicht sein. Davon müssen wir uns reinigen. Der Islam gehört nicht zu Deutschland“, predigte Latzel. Scharfe Kritik kam von der Bremischen Evangelischen Kirche. Latzel betreibe „geistige Brandstiftung“, sagte deren Schriftführer Renke Brahms: „Die Formulierungen sind unerträglich und dazu geeignet, Gewalt gegen Fremde, Andersgläubige oder Asylbewerbern Vorschub zu leisten.“ Kirchensprecherin Jeanette Querfurt verurteilte die Äußerungen als nicht mit dem evangelischen Glauben übereinstimmend: „Hier wird Hass gepredigt!“
Die SPD und die Linkspsartei und die Grünen verurteilten die Predigt wie auch die Bremische „Landeskirche“. Wenn man sich unter der „Islamisierung“ Deutschlands den direkten Machtantritt des Islams vorstellt, würde man verkennen, daß schon im vorauslaufenden Gehorsam dieser mächtigen Religion gegenüber bei uns die Meinungsfreiheit eingeschränkt wird und auch und gerade die freie Verkündigung der christlichen Religion durch den Staat unterbunden werden soll. Man sieht, wie das hier gemacht wird: aus einer theologischen Kritik des Islam wird ein Vorschubleisten von Gewalt gegen Andersgläubige! Damit wäre faktisch jede theologische Kritik am Islam strafbar. Beeindruckend auch der Opportunismus der evangelischen „Kirche“ in Bremen. Sie setzt einfach Kritik am Islam mit Haß gleich und verteufelt so jede Islamkritik.
Gelegentlich wird vom „Irrationalismus“ und dem „Fanatismus“ islamistischer Terroristen geredet, als wäre jede Gewaltanwendung etwas rein Unvernünftiges.Man redet so, als hätte man nie vom Primat der Politik über den Krieg bei Clausewitz gelesen und wäre unfähig, das politisch-strategische Kalkül von Gewaltanwendungen im Kampf um die Vorherrschaft einer Religion wahrzunehmen. Der Terroranschlag zeitigt aber erste Erfolge aus Sicht der Initiatoren. In Frankreich wird ein Kinofilm verboten, weil er zum Inhalt die Bekehrung eines Mohamedaners zum Christentum zum Thema hat-aus Furcht vor militanten Reaktionen der „Friedensreligion“ und in Deutschland erhält ein katholischer Priester Predigtverbot durch den Bischof ob islamkritischer Äußerungem und jetzt ermittelt gar die Staatsanwaltschaft gegen eine evangelische Predigt! Das Demonstrationsverbot gegen Pegida in Dresden war dann der Anfang der deutschen Unterwerfung unter den Islam. Und man kann nicht umhin, einzuräumen, daß diese Anfangserfolge den militanten Islam stärken werden: Seht, wir haben Erfolge! Man kuscht vor uns, weil wir Gewalt anwenden!
Bürgerlich Sozialisierten ist es das selbstverständlichste, daß Gewalt kein Mittel zur Lösung von Problemen sein darf, daß ihnen selbst schon die Staatsgewalt als ein moralisches Problem erscheint.Man möge doch bitte alles durch vernünftiges Miteinander-dadrüber-Reden klären und alle Konflikte so lösen. Das klingt schön und gut. Aber was, wenn diese Ideal in Konflikt gerät mit einer Moral, dessen Grundsatz der ist, daß der (heilige) Zweck jedes Mittel rechtfertigt und die Effizienz angewandter Gewalt den Militanten recht gibt? Machte einst Heinrich Mann den deutschen „Untertan“ lächerlich mit seiner Obrigkeitsfixierung, so müßte diese Kritik jetzt fortgeschrieben werden: die Herrscharen von deutschen „Untertanen“ des Zeitgeistes, jederzeit mobilisierbar von den Herrschenden zum Kampf gegen jede Opposition und als Kritik der Führungskräfte, sich jetzt schon dem Islam zu unterwerfen und die großen Errungenschaften des Rechtsstaates mit seinen garantierten Grundrechten aufzugeben, weil der Islam gerade ob seines militanten Flügels schon vor den Toren der Macht steht. Daß dabei die traditionell antichristlich orientierten Linksparteien , Grüne und die Linke federführend sind, erstaunt uns nun nicht -daß nun aber selbst die eigentlich seit dem Godesberger Programm verbürgerlichte einst klassenkämpferisch ausgerichtete SPD nun sich ihrer Ursprünge besinnt und mitmacht, schon eher. Die militanten Islamisten ernten nun reichlich die Früchte ihres Terrors. Das wird sie nur beflügeln zum: Weiter so!


Donnerstag, 29. Januar 2015

"Wir leben heute in einer ganz neuen Ordnung" Houellebecq

Alles ändert sich Ein neuer Wertehimmel?

„Zu Lebzeiten Djerzinskis [das meint unsere Zeit] war man größtenteils der Meinung, die Philosophie besäße keinerlei praktische Bedeutung, ja nicht einmal einen Gegenstand.In Wirklichkeit bestimmt die unter den Mitgliedern einer Gesellschaft zu einem gegebenen Zeitpunkt am weitesten verbreitete Weltanschauung deren Wirtschaft, Politik und Sitten.“ schreibt Houellebecq1 „Die metaphysischen Wandlungen-das heißt, die radikalen, globalen Veränderungen der von der Mehrzahl der Menschen geteilten Weltanschauung-sind in der Geschichte der Menschheit selten. Als Beispiel einer solchen kann das Aufkommen des Christentums angeführt werden.“ führt Houlebecq fort2. Philosophie, Metaphysik und Weltanschauung, das sind für das Meinen unserer Zeit Plesierchens von weltfremden Gedankenmenschen, die mit dem realen Leben nun gar nichts zu tun haben. Nur, vielleicht ist diese Meinung ja gerade ein Moment der unserigen Weltanschauung, daß wir genau so denken! Wenn das Christentum eine metaphysische Wandlung in der Geschichte des Abendlandes erbrachte, wie Houellebecq hier urteilt, dann meint das erstmal, daß die Grundlage der europäischen Kultur das Christentum bildete und diese Grundlage ist von metaphysischer Natur, weil es die Fragen nach dem Ursprung, dem Ersten und nach dem Letzten, dem Endziel stellt und beantwortet und in den so eröffneten Vorstellungsraum das Leben der Menschen mit all seinem Wirken einzeichnet. Houellebecq sieht nun-was nicht überrascht-das Ende dieser metaphysisch-christlichen Fundierung unserer Kultur gekommen und das Anbrechen eine neuen metaphysischen Ordnung kommen.
Conservative Kulturkritiker sehen dagegen oft nur die Auflösung des alten Wertehimmels, eingeleitet durch die Parole vom Tode Gottes, den Zerfall des Alten, aber nicht die Geburt des Neuen. Aber es ist für die Kirche eine wesentliche Frage, ob sie vor einer Welt ohne Werte und Normen steht, eine Welt ohne eine metaphysische Grundordnung, sodaß sie in einen Leerraum hinein zu wirken hätte, oder ob sie einer neuen Werteordnung gegenübersteht, zu der sie entweder in Konkurrenz oder in Anlehnung an ihr zu wirken hat. Daß faktisch die Kirche kein von der Welt vollkommen separiertes Wesen ist, wird sie dann auch das außerhalb der Mauern von ihr Anzutreffende auch in sich vorfinden und gerade deshalb gilt es zu fragen: was für ein neuer metaphysischer Himmel an Werten und Normen breitet sich über uns postmodernen Menschen aus und wie verhält sich dazu die Wahrheit der christlichen Religion?
Wohl unbeabsichtigt liefert uns R. Müller in der FAZ in seinem Kommentar: „Das deutsche Tabu“ dazu ein paar bedenkenswerte Anregungen3. Er urteilt, daß wie in allen Religionen es etwas Heiliges gäbe, so müsse es auch für jedes Sozialwesen Tabus geben. Ein Tabu ist dem öffentlichen Diskurs und des Widerstreites der Meinungen enthoben-es darf nicht zerredet werden, weil es sozusagen das Fundament eines Sozialwesens ausmache. Ein einfacher Vergleich möge dies uns veranschaulichen: auf einem Schiff darf auf keinen Fall Löcher in den Boden geschlagen werden, auch wenn das noch so kreativ gemeint ist, weil so das Schiff sinken und versinken würde. Die metaphysische Fundierung einer Gesellschaft wäre so gesehen ihr Fundament, ohne das sie einstürzen würde. Es ist eine Weise des Denkens, die das ganze Leben eines Gemeinwesens bestimmt. Das Blasphemiegesetz, das es in Deutschland noch gibt, auch wenn es nicht oder kaum noch angewendet wird, wie Müller erfreut feststellt, erinnert uns daran, daß einst Gott der höchste Wert unserer abendländischen Kultur war und daß deshalb auch die Staaten in Europa es als ihre Aufgabe und Pflicht ansahen, diesen höchsten Wert mit staatlichen Mitteln zu schützen.Aber Gott ist tot.Das besagt jetzt nicht, daß der christliche Glaube verschwunden wäre, noch weniger, daß es wirklich keinen Gott gäbe, sondern meint viel oberflächlicher: daß Gott für den öffentlichen Diskurs keine Größe mehr ist. Wenn Gottgläubige ihr religiös fundiertes Anliegen , (weil Gott die Liebe ist, darf das oder jenes nicht geschehen) in den öffentlichen Diskurs einbringen wollen, dann müssen sie dies in eine säkularisierte Aussageform übersetzen, in der Gott nicht mehr vorkommt! Gott „lebt“ sozusagen nur noch innerkirchlich oder in religiösen Milieus.Aber was ist jetzt der höchste Wert, von dem aus sich der neue Werte und Normen Himmel des einstigen Abendlandes fundiert.Müller sagt: es ist der Holocaust. Der Holocaust ist das Tabu der deutschen Gesellschaft. Und weil er das Tabu ist, ist er auch der Meinungsfreiheit entzogen. Es herrsche bei uns -zu recht-nur eine eingeschränkte Meinungsfreiheit, denn eine Gesellschaft dürfe es nicht dulden, daß ihr metaphysisches Fundament durch die Meinungsfreiheit zersetzt wird. Die christliche Religion ist der Meinungsfreiheit ausgesetzt und darum darf die Satire Alles gegen diese Religion. Alles darf die Satire-weniger als Alles wäre eine unzumutbare Einschränkung!, tönt es jetzt aus allen Munden seit dem Pariser Attentat. Aber das gilt nicht für das Tabu, die metaphysische Fundierung unserer Gesellschaft. Wer den Holocaust verleugnet oder verharmlost, oder gar billigt, mißbraucht die Meinungsfreiheit und ist zu bestrafen, mit Geld-oder gar mit Gefängnisstrafen. Daß in einem Rechtsstaat Menschen wegen einer Meinungsäußerung bestraft werden, sei aber kein Widerspruch zum Rechtsstaat und den Grundrechten, denn der Staat dürfe und müsse -um des Erhaltes des Sozialwesens willen- die metaphysische Fundierung schützen durch die Tabuisierung und somit durch die Einschränkung der Meinungsfreiheit, so Müller in der FAZ. Auch hier erweist sich die FAZ mal wieder als ein Schlachtschiff der Politischen Korrektheit. Und die FAZ weißt zurecht darauf hin, daß dieses Sichindinstnehmen für die herrschende Weltanschauung nichts mit dem zu tun hat, was der Volksmund die „Lügenpresse“ nennt.
Aber, und nun fangen erst die eigentlichen Fragen an: wie kann ein historisches Ereignis eine metaphysische Ordnung fundieren? Es gibt darauf nur eine mögliche Antwort: wir haben es bei dem Holocaust um einen Begriff zu tun, der zwei ganz verschiedenen Ordnungen angehört und somit auch etwas ganz anderes meint. Einmal benennt es ein Ereignis der Geschichte und wäre so ein Objekt der Geschichtswissenschaft. Das andere Mal ist der Holocaust der Zentralbegriff der Weltanschauung der Politischen Korrektheit. Als weltanschaulicher Begriff fundiert er nun seine metaphysische Funktion, die der Letztbegründung von Gut und Böse. Damit dieser Begriff seine metaphysische Funktion erfüllen kann, darf er im Raume der Geschichtswissenschaft nicht historisch kritisiert werden. Einfach:in einer theokratisch verfaßten Gesellschaft darf die Kritik der Gottesbeweise, ist Gott wirklich?, nicht Bestandteil der legitimem Wissenschaften sein. Was für eine theokratisch verfaßte Gesellschaft das Verbot der Gotteskritik ist, ist für unsere auf den Holocaust aufgebaute Werte und Normen Ordnung die Tabuisierung des Holocaustes. Er darf nicht durch eine historische Kritik geleugnet oder verharmlost werden Ketzer ist, wer gegen dies Tabu verstößt, indem er eine uneingeschränkte Meinungsfreiheit einfordert, ja sogar Forschungsfreiheit.Dieser Ketzer werden so als „Revisionisten“ verunglimpft. Dieser Begriff ist nun selbst sehr spannend. Er entstammt der Kritik an Eduard Bernstein, dem Ketzer schlechthin imnnerhalb der marxistischen Orthodoxie! Ihm wird vorgeworfen, das große Ziel, die klassenlose Gesellschaft als unerreichbar abgewertet zu haben und stattdessen einen unendlich währenden Reformprozeß vorgesehen zu haben, in dem die Gesellschaft Schritt für Schritt optimiert wird, statt durch die Revolution zu erlösen. Der Revisionist ist dem Marxisten, was dem Christen ein Häretiker ist. Mit diesem Begriff belegt nun die orthodoxe Zunft der Historiker die Häretiker unter den Historikern. Sie mißbrauchen die Meinungsfreiheit, weil sie die Einschränkung der Freiheit nicht akzeptieren, daß der Holocaust das Tabu unserer Gesellschaft ist.
Damit ist aber eines mitausgesagt: das Christentum bildet nicht mehr das weltanschauliche Fundament unseres Gemeinwesens. Es ist somit enttabuisiert-jeder darf es kritisieren, wie es ihm Spaß macht.Im Prinzip befindet sich der Islam in Deutschland in der selben Lage-auch er darf kritisiert werden, und die Satire darf alles gegen Mohammed wie gegen Jesus. Nur, es gibt einen Unterschied: der Islam reagiert auf Blasphemisches, als blasphemisch Empfundenes mit Militanz und Gewalt und aus Angst und Furcht vor dieser Militanz schränkt sich jetzt die Meinungsfreiheit selbst ein. Das Verbot der Pegida-Kundgbung in Dresden war so der Erfolg des militanten Islam.Auch im jetzt anlaufenden Karneval wird das aufmerksame Auge Zeichen der Selbstzensurais Furcht vor dem Islam finden.Ganz anders der Umgang mit der christlichen Religion-hier gilt die Parole: Feuer frei-Alles ist erlaubt. Wer nun aber meint, das läge daran, daß wir in einer völlig enttabuisierten Gesellschaft lebten, in der alles erlaubt sei, der irrt. Die alten Tabus der alten christlichen Wertordnung sind alle entwertet worden, um jetzt Raum zu schaffen für die neue metaphysische Ordnung. Ob ein Sozialwesen ohne eine metaphysische Grundordnung auskommt, ist eine schwer zu beantwortende Frage, denn wir kennen keine so strukturierte Gesellschaft. Der Einzlmensch mag und kann ohne so eine Ordnung auskommen, aber sobald er seine Haustüre verläßt, lebt er in einer Gesellschaft, die metaphysisch fundiert ist. Nur, daß diese Weltanschauung ihm so selbstverständlich zur Sehbrille seines Lebens geworden ist, daß er ihren weltanschaulichen Charakter gar nicht mehr wahrnimmt. Das Christentum dagegen wird als eine besondere Weltanschauung wahrgenommen, weil sie sich von der herrschenden unterscheidet und ihr Sein der herrschenden gegenüber zu legitimieren hat. Das Christentum ist zu einer beliebigen Option geworden, weil unsere Gesellschaft sich eine neue alle verpflichtende metaphysische Ordnung schon gegeben hat, die als ausreichend für das Leben dieser Gesellschaft reicht. Das ist unsere Lage.
1Houellebecq, M., Elementarteilchen, 8.Auflage 2003, S.7.
2Houellebecq, a.a,O., S7f-

3Müller, R., das deutsche Tabu, in FAZ, 27.1.2015.

Dienstag, 27. Januar 2015

Über ein wahres Jesusbild

Gottesbilder-Gott ist anders als unsere Bilder von ihm?
Oder eine kleine Anmerkung zum Bild des Barmherzigkeits-Jesus

Eine beliebige Kunststaustellung-religiöse Bilder werden gezeigt, Gottesbilder. Ein Kundiger führt durch die Ausstellung: so stellte man sich Gott vor-und beachten Sie den besonderen Malstil dieser Epoche und ...Wir stellen den Ton ab und stellen uns Fragen. Sollten nicht Bilder etwas aussagen über das, was da gemalt worden ist? Wir hören wieder auf den Kunstführer. Nein, das kommt nicht vor in den Vorträgen, die er redegewandt vor jedem Bild hält. Die religiösen Bilder, ja die ganze christliche Kunst dokumentiert nur, wie Künstler Gott sahen im Kontext ihrer Zeit. Sie sind Manifestationen vergangener Frömmigkeiten, die irgendwie uns auch noch ansprechen könnten, oder gar noch ansprechen.
Wir dehnen jetzt den Begriff des Gottesbildes auf auf den Bereich der religiösen Texte, also der Bibel und der christlichen Tradition. Was für ein Gottesbild begegnet uns da in diesem oder jenem Text?, lautet dann die religionspädagogische Standartfrage, und darauf folgt die obligatorische Zusatzfrage: spricht mich dies Bild an, ist es mir irgendwie hilfreich? Die Voraussetzung solchen Fragens ist selbstverständlich die Vorstellung, daß ein Kunstwerk ein Ausdruck des Künstlers ist für etwas ihm Innerliches. Das heißt dann immer auch, was ist das eigentlich Innerliche und wie authentisch gelingt es, dies Innerliche auszudrücken, da nun mal die Formen des Ausdrückens soziale sind, in der Gesellschaft eingebundene -etwa die Muttersprache des Künstlers, die Malstile seiner Zeit?
Nur ein Verständnis des Kunstbildes ist uns abhanden gekommen, vielleicht, weil es durch die Technik des Photographierens ersetzt worden ist: die, daß Bilder etwas Objektives wiedergeben.
Auf die Gottesbilder übertragen heiß das: Gottesbilder sind Manifestationen individueller oder kollektiver Frömmigkeit. Aber sie sagen uns über Gott, wie er an sich ist, nichts aus.Niemand hat Gott je gesehen, ist dann das Standartargument wider alle Gottesbilder und wieder alle Gotteslehren, daß Gott, weil er Gott unbegreiflich sei, er auch im Denken nicht begriffen werden könne.
Aber was für eine Abstrusität! Gott hat sich uns Menschen offenbart und der religiöse Mensch der Postmoderne erklärt nun, daß alle Bilder Gottes, die diese Selbstoffenbarung bezeugen, uns nur sagen sollen, daß Gott für uns unerkenn- und unbegreifbar wäre. Unser religiöser Geschmack erwählt sich dann die ihm entsprechenden Gottesbilder für seine und toleriert eben, daß andere sich andere Bilder erwählen. Daß gilt zumindestens für die Theorie; im praktischen Leben wird dagegen ein Gottesbild, das praktizierte Homosexuslität als Sünde ansieht und Frauen vom Priestertum ausschließt, als inakzeptabel verurteilt. So ein altmodisches Gottesbild dürfe man nicht (mehr) teilen.

Was machten wir nun aber, wenn Gott unser Bildpluralismus kein Grund zur Freude wäre und er uns sagte: so sollt ihr euch mich vorstellen? Das wäre ja das Ende unserer Freiheit, uns beliebige Gottesbilder zu erstellen und nur das uns gefällige zu akzeptieren. Aber verfügen wir nicht über ein ganzes Bilderbuch Gottes, in Schrift und Tradition, in dem uns Gott sich selbst vor Augen gemalt hat? Das sei ferne, sagt uns die historische Kritik. Aus der Banalität, daß jede menschliche Äußerung in Raum und Zeit von Menschen hervorgebracht wurde und wird, wird die These des durch unser Menschsein in Raum und Zeit Bedingtseins dieser Aussage. Sie ist so eben nicht mehr objektiv, sondern subjektiv ob ihres Seins in Zeit und Raum. Aber wenn nun Gott trotzdem um unser Heil willen ein Bild von sich in die Welt setzen würde mit der Aufforderung: in diesem Bilde sollt ihr mich ehren? Und es gibt den Verdacht, daß dies tatsächlich geschehen sein soll! Hören wir auf die Stimme der hl. Faustyna:


Am Abend, als ich in der Zelle war, erblickte ich Jesus, den Herrn, in einem weißen Gewand. Eine Hand war zum Segnen erhoben, die andere berührte das Gewand auf der Brust. Von der Öffnung des Gewandes an der Brust gingen zwei große Strahlen aus, ein roter und ein blasser. Schweigend betrachtete ich den Herrn; meine Seele war von Furcht, aber auch von großer Freude durchdrungen. Nach einer Weile sagte Jesus zu mir: Male ein Bild, nach dem, das du siehst, mit der Unterschrift: Jesus, ich vertraue auf Dich. (…) Ich verspreche, daß jene Seele, die dieses Bild verehrt, nicht verlorengeht. Ich verspreche auch, hier schon auf Erden, den Sieg über Feinde, besonders in der Stunde des Todes.“
So können wir es in dem Tagebuch dieser Heiligen nachlesen. Gott sei es gedankt, gibt es nun unter Christen kluge Köpfe. Sie zitieren 1.Kor 11,14, Lehrt euch nicht schon die Natur, daß es für den Mann eine Schande, für die Frau eine Ehre ist, lange Haare zu tragen?, um dann auf die langen Haare des Jesusbildes, das nach der Vision der hl. Faustyna gemalt worden ist, zu verweisen: so kann der Jesus nicht ausgesehen haben. Deshalb wollen wir mit diesem Bild des Sohnes Gottes nichts zu schaffen haben. Auch das Argument, daß wohl ab dem 3. oder 4. Jshrhundert Jesus Christus immer mit langen Haaren gemalt wurde, intertessiert dann nicht. Das sei Alles ein einziger Irrtum. Auch das Argument, daß der Apostelfürst Jesus vor Ostern nie gesehen hat, sodaß er aus eigener Anschauung gewußt hätte, daß er einen Kurzhaarschnitt getragen habe, interessiert nicht. Wir wissen zwar nicht, wie er aussah, nur trug er keine langen Haare und so erachten wir alle Jesusbilder für falsch, die ihn mit langem Haar zeigen!
Nun könnten wir uns doch fragen: welches Jesus-Bild ist für uns Christen das bedeutsamste, das, was wir nach unserem Wissen konstruieren, einen Jesus ohne lange Haare oder das Bild, wie sich Jesus selbst der hl. Faustyna vorgestellt hat mit der Beauftragung: so will und soll ich gemalt werden, damit die Menschen mich in diesem Bilde-zu ihrem Heile-ehren? Aber trotzköpfig lieben auch viele Christen ihre eigenen Jesusbilder mehr als das Bild, in dem sich der Sohn Gottes uns zur Kenntnis gebracht hat. Jesus Christus sagt ja nicht zur hl. Faustyna, daß sie das Bild nur für ihre Privatfrömmigkeit nutzen soll, sondern es soll ein Bild für alle sein.
Diese Praxis des: ich lieb mein Jesusbild mehr als das, was mir Gott selbst in der Schrift und der Tradition vor Augen malt, erfreut sich nun doch übrerall größter Beliebtheit.Das Bild des vom Himmel wiederkommenden Richters, zu richten die Lebenden und die Toten-darauf verzichtet man gern. Und was sonst noch alles da stört. Es ist tatsächlich ein asketischer Akt, dem göttlichen Bilderverbot zu gehorchen und auf das Produzieren von Eigenbildern von Jesus Christus und Gott zu verzichten, um sich offen zu halten, für das Bild, was Gott uns selbst vor Augen malen will.
Der obligatorische Einwand, es handle sich hier doch nur um eine Privatoffenbarung, ist wirklich ernst zu nehmen, aber es muß auch darauf hingewiesen werden: darf denn die Kirche Gott untersagen, sich Menschen auch jetzt noch zu offenbaren und Gewichtiges mitzuteilen? Das Anliegen der Kirche, etwas als bloße Privatoffenbarung zu benoten, soll ja in erster Linie die Gläubigen davor bewahren, neben der Schtrift und der Tradition und dem Lehramt andere Offenbarungsquellen zu stellen, denen sie dann gar mehr Glauben schenken als den dreien.  Wenn aber, wie bei Fatima und auch bei der hl. Faustyna eine Erscheinung und eine Vision als echt von der Kirche anerkannt wurde, und das geschah ja im Falle der hl Faustyna, denn wären die Visionen ein Betrug oder nur ein subjektiver Irrtum dieser Nonne, sie wäre nicht heilig gesprochen worden, dann dürfen und sollen wir dem gewiß nicht den selben Status zuerkennen wie der hl. Schrift, der Tradition und dem Lehramt-aber stehen wir in einer Bildergalerie voller Jesusbilder, dann ist es im Sinne der Kirche, daß wir das Bild, das uns Jesus Christus selbst vor Augen malt in einer Privatoffrnbarung, die kirchlich anerkannt ist, mehr schätzen als die anderen Phantasiebilder.     


Montag, 26. Januar 2015

Überwindbarkeit der Entfremdung?

Ich und die Welt
was man mal Entfremdung nannte und als politische Aufgabe verstand


„Daß ich mittellos und arm war, schien mir noch das am leichtesten zu ertragende zu sein, aber schwerer war es, daß ich nun einmal zu den Namenlosen zählte, einer von Millionen war, die der Zufall leben läßt, oder aus dem Dasein wieder (besser hieße es:wider)-ruft, ohne daß auch nur die nächste Umwelt davon Kenntnis zu nehmen geruht.“ So schrieb ein Niemand, der später zu etwas wurde. Nicht soll dieser Aspekt des späteren Reüssierens dieser Person nun in den Vordergrund gestellt werden, sondern gefragt werden, ob nicht diese Selbstauskunft, diese so nüchterne und doch so realistische die vieler Zeitgenossen ist. Nicht, daß viele sich als mittellos und arm bezeichnen würden, aber doch als Namenlose, die zufällig leben und zufällig sterben werden.

Ganz anders beurteilt ein zum Starphilosophen Avancierender seine Situation: „Man frage mich nicht, wer ich bin,und man sage mir nicht, ich solle der gleiche bleiben: das ist eine Moral des Personenstandes; sie beherrscht unsere Papiere. Sie soll uns frei lassen, wenn es sich darum handelt,zu schreiben.“ Die Welt, seine Umwelt definiert ihn, um ihm zu sagen, daß er diese Identität
zu bewahren habe. So ist dieser Etwas geworden und das ist seine Unfreiheit, der er entfliehen will.

Wir wollen nun nicht fragen und erforschen, wer da in diesen beiden Zitaten zu uns spricht. Sehen wir auf den uns ansprechenden Menschen, der hier ein Namenloser oder ein zu einem Etwas Fixierter sein kann. Er könnte sich auch ganz anders verstehen.

Wenden wir uns einem weiteren zu, von dem zu lesen ist: „Er hatte keine Lust, Hammer oder Amboß zu sein; er wollte ein lebendiger Mensch bleiben, der vernünftig nachdenkt, die Vergnügungen und natürlichen Bequemlichkeiten genießt, von seinen körperlichen und geistigen Fähigkeiten schlecht und recht Gebrauch macht. Das phantastische, eingebildete und falsche Privileg, daß der Mensch sich anmaßt, die Wahrheit zu dozieren, vorzuschreiben und ein für allemal aufzurichten, hat er im guten Glauben endgültig abgelehnt und aufgegeben.“Nicht für andere Etwas oder ein Nichts, ein Namenloser zu sein, sondern einfach für sich zu sein, das ist das Lebenspro-gramm dieses skeptisch gewordenen Philosophen.

Und als Ergänzung soll hier nun der Lebensentwurf eines der größten deutschen Sprachvirtuosen zu Worte kommen: „Ich konnte nie mehr als drei Wege, glücklicher (nicht glücklich) zu werden, auskundschaften. Der erste, der in die Höhe geht, ist: so weit über das Gewölke des Lebens hinauszudringen, daß man die ganze äußere Welt mit ihren Wolfsgruben, Beinhäusern und Gewitterableitern von weitem unter seinen Füßen nur wie ein eingeschrumpftes Kindergärtchen liegen sieht.- der zweite ist: -gerade herabzufallen ins Gärtchen und da sich so einheimisch in ein Furche einzunisten,daß, wenn man aus seinem warmen Lerchennest heraussieht, man ebenfalls keine Wolfsgruben, Beinhäuser und Stangen, sondern nur Ähren erblickt, deren jede für den Nestvogel ein Baum und ein Sonnen- und ein Regenschirm ist.-Der dritte endlich- den ich für den schwersten und klügsten halte- ist der, mit den beiden andern zu wechseln. Hier heißt glücklicher leben, der Wirklichkeit im Makrokosmischen oder im Mikrokosmischen zu entgehen und im Wechsel dieser beiden Perspektiven der Tristesse des Wirklichen auszuweichen.

Ganz auf sich kapriziert, ganz auf sich zurückgeworfen steht der Mensch als problematischer Heldeines Romanes als reines: Ich da und wartet auf seine bildungsbürgerliche Integration in das bejahenswerte Normalleben. Aus Steppenwolfexistenzen sollen, um es mit Kunze zu sagenverhausschweinte Domestiken werden.1 Aber die Integration findet nicht statt; so unterschiedlich und berühmt alle diese Zitierten wurden, sie blieben im Tiefsten Außenseiter. Iche, die zuviel vom Leben erwarten, die sich nicht damit begnügen, bedeutungsloses namenloses Leben zu führen, Menschen, die der Fixierung auf eine Normalbiographie entweichen wollen, die aber in der Ichkonzentration zu scheitern drohen in einer Reduktion des Lebens nur auf sich oder im Ausweichen vor der Lebenswirklichkeit, gerade aber weil sie in ihrer Dürftigkeit dem abenteuerlichen Herzen nicht genügt.

Dieser radikale Gegensatz von Mensch und der Welt, von Individuum und Gesellschaft ist nach Lukacs die Voraussetzung der literarischen Gattung des Romanes: die moderne Gesellschaft.2Wir hätten es so gesehen bei all diesen Zitaten um mögliche Ausgangspunkte eines modern-bürgerlichen Bildungsromanes zu tun, dessen Lebenselexier diese Grundspannung ist. Geben wir Goldmann das Wort, um diesen Gedanken zu erhellen: „Die von Lukacs analysierte Romanform wird, wie wir es bereits gesagt haben, gleichzeitig durch die Gemeinschaft und den radikalen Antagonismus zwischen dem Helden und der Welt charakterisiert, wobei die Gemeinschaft auf der gemeinsamen Degradierung beider in Hinblick auf die echten, das Werk beherrschenden Werte, das Absolute, gründen, und der Antagonismus auf die unterschiedliche und sogar entgegengesetzte Natur dieser beiden Degradierunsprozesse.“3 Lukacs unterscheidet so die normativen Werte des Romanes, die im Roman beschriebene Außenwelt des Protagonisten, die gemessen an den Idealen konventionell und degradiert wirkt, die beschriebene Außenwelt „kennt kein Vaterland, keine Heimat für die Seele.“4 Der Protagonist bleibt mit diesen Idealen im Kontrast zur Umwelt von ihm in Beziehung, woraus sich dann die Romanhandlung generiert. Der Roman konzipiert so mögliche Lösungen dieser Beziehungsstörung. Und diese Beziehungsstörungen beleuchten die obigen Zitate auch in unterschiedlichster Weise. Unbekannte mit Idealen geraten in scheinbar unlösbare Widerstreite mit ihren Lebensumwelten: der Wille zur Bedeutsamkeit und die allgemeine Nichtwahrnehmung, die Sehnsucht nach Freiheit und das Fixiertwerden auf zugeschriebene Identität, der Anspruch auf Allgemeingültigkeit und der Wunsch, nur persönlich sein zu wollen, die Tristesse des Alltagslebens und die Flucht in Refugien gelingenden Lebens jenseits der Realität.

Der aufmerksame Leser wird bei der Aussage der Heimatlosigkeit der Seele, daß ihr kein Vaterland ist, aufgemerkt haben. Lukacs drückt diese Gestimmtheit der Entfremdung so aus: „Kants Sternenhimmel glänzt nicht mehr in der dunklen Nacht der Erkenntnis und erhellt keinem einsamen Wanderer- und in der Neuen Welt heißt Mensch-sein: einsam sein- mehr die Pfade. Und das innere Licht gibt nur dem nächsten Schritt die Evidenz der Sicherheit oder -ihren Schein. Von innen strahlt kein Licht mehr in die Welt der Geschehnisse und in ihre seelenfremde Verschlungenheit.“5 Heimatverlust. War dieser G.Lukacs nicht ein marxistisch orientierter Intellektueller und steht Lucien Goldmann dem Marxismus nicht auch sehr nahe, obgleich oder gerade weil er eine Melange aus marxistischen und strukturalistischen Theoriekonzepten versucht. Sehr lesenswert ist: L. Goldmanns: Soziologie des Romans 1964 und: Der verborgene Gott. Studie über die tragische Weltanschauung Pensees Pascals und im Theater Racines 1955, beides ins Deutsche übersetzt.

Aber man muß sich, wenn man Deutschland verläßt und sich ausländischen Büchern zuwendet , auf Überraschungen gefaßt machen. Nicht überall gilt die Gleichung: Links= antinational! Tatsächlich kann hier auf geistvolle Weise die Moderne auch als Verlust von der Beheimatung des Ichs im Gemeinschaftsleben diskutiert werden, der Roman als Typus der literarisch-symbolischer Versuche einer Repatrierung des heimatlos Gewordenen in die moderne Welt. Dieser literarisch- symbolischer Versöhnungscharkter weist nun von selbst über sich hinaus zur realen und das heißt politischen Versöhnung.

Die Diastase zwischen Mensch und Welt, zwischen Individuum und Gesellschaft wird so nicht betrachtet als eine metaphysische Naturkonstante sondern als etwas geschichtlich kontingent gewordenes: es ereignete sich eine Entfremdung. In rechten Diskurs spricht man dann lieber von der Zersetzung der organischen Gemeinschaft in atomisierte Privategozentrismen. Wir könnten auch von der Auflösung der traditionellen Gemeinschaftsordnung hin zur modernen Vetragsgesellschaft sprechen. Wichtig ist dabei, daß hier die politische Rechte auch von der traditionellen Linken lernen kann, nicht von der neuen Linken, von der sich mit guten Argumenten
Elsässer, einst Aktivist des Kommunistischen Bundes in seinem auch für Rechte lesenswerten Buch:
so energisch absetzt, insofern die neue Linke durch ihr Konzept die Vervielfältigung potentieller revolutionärer Subjekte, jede Randgruppe eine neue Hoffnung auf Umgestaltung, faktisch nur die Modernisierung der Gesellschaft forziert, indem sie alle traditionellen Vergemeinschaftungs-strukturen auflöst (Ehe, Familie, Verein, das Ideal des Lebensberufes, etc) und das rein abstrakte Individuum übrigläßt, das sich immer neu inszenieren kann, wie es Elsässer so treffend formuliert in seiner M. Foucault Kritik, einem der Meisterdenker der neuen Linken: „damit auch noch das Individuum selbst zerspalten wird und sich- je nach Marktlage- beständig selbst „dekonstruiert“, gestern als Familienvater, heute also Sado-Maso-Swinger, morgen als verheirateter Schwuler.“6 Zitat. Die traditionelle Linke setzt dagegen auf das Konzept, durch eine Radikalisierung der Antagonismen einer kapitalistischen Gesellschaft die Zerrissenheit selbst wieder aufzuheben und so neu Gemeinschaft zu konstituieren. Beachtenswert ist dabei für die Rechte die Einsicht, daß die Zerreißung der organischen Gemeinschaft nicht einfach auf ein falsches ideologisches Denken rückführbar sei und daß es nur eines neuen Gemeinschaftssinnes und Gemeinschaftsgefühles bedürfe, um die inneren Zerreißungen der Moderne zu beseitigen. Selbstverständlich darf hier nun nicht das Kind mit dem Badewasser ausgeschüttet werden. Daß die Ideologie der Menschenrechte,
und das betont Marx selber (und eben nicht nur die kapitalistische Modernisierung) die Auflösung der von F. Tönnies beschriebenen Gemeinschaft aus sich heraussetzt, darf nicht übersehen werden:
„Die praktische Nutzanwendung des Menschenrechtes der Freiheit ist das Menschenrecht des Privateigentums.“ „Das Menschenrecht des Privateigentums ist also das Recht, willkürlich, ohne
Beziehung auf andre Menschen, unabhängig von der Gesellschaft, sein Vermögen zu genießen und über dasselbe zu disponieren, das Recht des Eigennutzes. Jene individuelle Freiheit, wie diese Nutzanwendung derselben, bilden die Grundlage der bürgerlichen Gesellschaft. Sie läßt jeden Menschen im andern Menschen nicht die Verwirklichung, sondern vielmehr die Schranke seiner Freiheit finden.“7 In diesem Zitat manifestiert sich en passant angemerkt auch ein wisssenschaftstheoretisch hoch brisantes Problem: wie verhalten sich hier Aussagesätze zur bestehenden kapitalistischen Gesellschaftsordnung zu den moralischen Werturteilen, der Verurteilung des Egoismus als Grundlage des Miteinanders, wobei der Mitmensch nur noch als Schranke individueller Freiheit wahrgenommen wird. Impliziert liegt dem ein bürgerlich humanistisches Menschenbild zu Grunde, an dem gemessen die bürgerliche Gesellschaft selbst als inhuman erwiesen wird.8 Die Auflösung aller sozialen Bande durch eine radikale Merkantilisierung und Ökonomisierung aller Lebensbereiche bis hin zur Auflösung von Familie, Heimat und Nation
ist so auch eine Folge dieser kapitalistischen Modernisierung und nicht nur eine falschen ideologischen Denkens. Deshalb wird auch die politische Rechte in Erinnerung an Denktraditionen des dritten Weges zwischen Kapitalismus und Kommunismus nach Möglichkeiten der Überwindung der ökonomisch bedingten Auflösung des nationalen Gemeinwesens nachdenken müssen, damit, um es romantheoretisch auszudrücken, die Seele, das Individuum wieder eine Heimat finden kann. Anders formuliert: daß der Mensch eben nicht ab ovo nichts, ein Namenloser ist, der erst durch soziale Erfolge ein etwas wird, sondern daß er ob seiner Geburt, seiner Abstammung und Herkunft schon etwas ist, ein Glied seines Volkes, das an dem Reichtum und den
Erfolgen seiner Gemeinschaft schon ab ovo partizipiert und dem der Andere nicht primär der Konkurrent und die Grenze seiner Freiheit ist sondern ein Kamerad.
Das, was in der Gattung des Romanes, die Aussöhnung des Individuumes mit seiner problematischen Umwelt nur symbolisch, wenn überhaupt gelingt, das sollte so als eine politische Aufgabe verstanden werden: die einer wirklichen Aufhebung des Antagonismus von Individuum und Gesellschaft in und durch die Gemeinschaft Aber das Desillusionierende: die großen Konzepte der Aufhebung der Entfremdung des Menschen durch eine neu gestiftete, politisch gestaltete Gemeinschaft scheiterten alle, sowohl das kommunistische Konzept der klassenlosen Gesellschaft wie auch das der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft.
Bleibt also nur die bürgerliche Ordnung übrig, in der der Nächste nur respektiert wird als Mittel der Befriedigung von meinem Interessen? Wir könnten nun meinen, daß gerade die Kirche nun der Ort sein könnte, wo das zur Lebensrealität wird, was das bürgerlich-gesellschaftliche Leben negiert: das Leben als Leben in Gemeinschaft. Aber gerade jeder Blick in eine beliebige Ordensgeschichte der Katholischen Kirche führt zu der ernüchternden Einsicht, daß gerade hier- nach kurzer Anfangseuphorie, herbvorgerufen durch Reformer des Ordenslebens- das Ideal gemeinschaftlichen Lebens doch verfehlt wurde: es ging und geht gerade hinter den Mauern der Klöster oft erschreckend weltlich zu. Ist also die Überwindung der Entfremdung eine Utopie, die uns erst im Jenseits zur Lebenswirklichkeit wird?
1Vgl: Kunze, K., Mut zur Freiheit- Ruf zur Ordnung, 1995 Der verhausschweinte Konsument S. 125-130.
2Vgl: Goldmann, L., Zu Georg Lukacs: Die Theorie des Romans, in: Goldmann, Dialektische Untersuchungen
1966 S.296; G.Lukacs, Die Seele und die Formen 1911, Die Theorie des Romans 1916.
3Goldmann S.298.
4Goldmann, S.299.
5Lukacs, Theorie des Romans, 1965 S.30; Vgl Dannemann, R., Georg Lukacs zur Einführung 1.Auflage 1997.
6Elsässer,J., Angriff der Heuschrecken. Zerstörung der Nationen und globaler Krieg 2007 S.41f.
7Thonas, R., Marxismus und Sowjetkommunismus Teil 1 Grundzüge des Marxismus 1975 S.41f (MEW 1, 364,369f)

8Vgl dazu: Althusser, L. Für Marx 1965.

Samstag, 24. Januar 2015

Wenn es nur noch ein Leben gibt!

Die Gesundheit-das höchste Gut?

Manchmal sagen kleine Begebenheiten mehr über uns Menschen aus als die Debatten um die großen Fragen des Daseins. Einst saß ein Reisender in einem Zugabteil, er hatte sich das Nichtraucherabtei ausgesucht und genoß nun die Zugfahrt. Im selben Zug saß im Raucherabtei auch ein Reisender, genüßlich seine Pfeife rauchend. Zwei zufriedene Menschen und sie konnten zufrieden miteinander leben, weil sie getrennt von einander reisten. Der Nichtraucherwagon war separiert vom Raucherwagon, so daß der Nichtraucher nicht durch den Tabakduft des Rauchenden gestört wurde und der Raucher konnte sein Plesierchen nachgehen, Eigentlich könnten wir hier das archetypische Modell der Konfliktbeseitigung durch Grenzziehungen erblicken. Damit jeder so leben kann, wie er möchte, muß er seinen Lebensraum abgrenzen von dem der Anderen, sodaß jeder in seinem nach seinen Wünschen leben kann. Es verlangte aber auch den Verzicht auf eine „missionarische“ Existenz, daß der Nichtraucher ins Raucherabtei ging, um dort die Menschen aufzufordern, das Rauchen einzustellen, weil sie damit ihre Gesundheit gefährden. Das gilt auch umgekehrt für den Raucher;auch er muß auf den Versuch, die Freuden des Tabakgenusses Nichtrauchern gegenüber zu propagieren, verzichten. Wie halte ich es mit dem Ideal des Strebens nach einem Maximum an Gesundheit und dem Wunsche nach viel oder intensiven Genuß?
Solange der Mensch noch höhere Werte als den der Gesundheit kannte, konnte diese Frage entspannt erörtert und verschieden beantwortet werden: der eine rauchte um des Genusses willen und nahm damit ein gewisses Gesundheitsrisiko ein und der andere verzichtete auf diesen Genuß ob des Gesundheitsrisikos. So lebten Raucher und Nichtraucher friedlich miteinander in einem Zug und alle waren zufrieden.
Aber jetzt: die Raucherabteile sind aus den Zügen verschwunden, stattdessen erlebt oder erleidet man gelegentlich raucherfüllte Zugtoiletten und Verbotsschilder überall: Rauchen verboten!
Was hat sich geändert? Warum ist es auf einmal dem Nichtraucher eine Unzumutbarkeit, wenn in einem anderen Zugabteil geraucht wird? Eine Gefährdung seiner Gesundheit durch die vermeintlichen Gefahren des Passivrauchens ist ausgeschlossen durch die Abseparierung des Raucherabteils von den Nichtraucherabteilen! Trotzdem verlangt der Nichtraucher einen völlig rauchfreien Zug, auch wenn für seine Gesundheit ein rauchfreies Abteil genügte. Die von politisch Korrekten bejubelte Tugend der Toleranz würde, auf diese Causa appliziert, bedeuten, daß dem Nichtraucher sein Nichtraucherraum und dem Raucher sein Raucherraum gewährt wird! Aber mitnichten. Im Namen der Toleranz verlangt der Nichtraucher völlig rauchfreie Züge und auch völlig rauchfreie Restaurationen und Diskotheken.
Ein Verdacht drängt sich auf: weil die Gesundheit zum höchsten Gut avanciert ist, hört hier jede Toleranz auf. Jetzt wird der Raucher zum „Feind“ der Gesundheit erklärt, der nicht mehr tolerierbar ist, selbst wenn er in einem vom Nichtraucherraum abgetrennten Raum seinen Tabakgenuß frönt. Denn zum Schutz des Nichtrauchers vor den vermeintlichen Gefährdungen des Passivrauchens reichte ja die Abtrennung des Rauchers- von dem Nichtraucherraum. Aber wenn die Gesundheit zum höchsten Gut erklärt wird, dann ist damit der Toleranz in Gesundheitsfragen das Ende bereitet. Und so findet sich eine breite Zustimmung zur Diskriminierung von Rauchern in einer Zeit, deren liebste Parole die der Toleranz ist.
Ein zweiter Verdacht drängt sich uns auf: nur in Bereichen, die nicht als besonders wichtig angesehen werden, wird die so bejubelte Tugend der Toleranz wirklich praktiziert. Daß in allen Fragen, die die Religion betreffen, unbedingte Toleranz eingefordert wird, besagt somit nur, daß die Religion als unwichtig angesehen wird. Und darum und nur darum soll hier auch das Prinzip der Tolerierung von jeder religiösen Vorstellung praktiziert werden. Das jetzt von politisch Korrekten heiß und innig ersehnte Konzept eines „europäischen Islams“ wäre so die Anforderung auch an diese Religion zu akzeptieren, daß in postmodernen Gesellschaften die Religion nicht das höchste Gut sein soll und kann. Das heißt nun nicht, wie es Conservative gern sehen, daß wir nun in einer Gesellschaft ohne Werte lebten-mitnichten. Wir haben und leben längst schon postmoderne Werte, die die christlichen ersetzt haben. Das führt zum Beispiel zu solchen Abstrusitäten, daß die kirchlichen Fastenzeiten als Zeiten für Gesundheitsdiäten „verkauft“ werden, als wäre der Zweck des Fastens, dieses Bußwerkes die Steigerung der Gesundheit! Da kann man dann selbst aus christlichen Mündern hören, daß der Fleischverzicht in der Fastenzeit der Gesundheit diene, weil zu viel Fleisch der Gesundheit abträglich wäre!
Und es drängt sich ein weiterer Verdacht auf: wenn es absolute Werte gibt, wie jetzt der der Gesundheit, gibt es wieder etwas, in dessen Namen man guten Gewissens intolerant sein darf. Die totalen Rauchverbote in Zügen und Restaurationen beweisen das gerade in Bayern. Intoleranz bedeutet dann, daß man es dem Mitmenschen nicht gönnt, daß ihm etwas Vergnügen bereitet. Christlich Sozialisierten ist die Vorstellung der Mitfreude am Glück und Wohlbehagen anderer eine Selbstverständlichkeit-aber das ist eben ein Produkt christlicher Erziehung. Genauso ursprünglich ist dem postlapsarischen Menschen die Freude am Schlechtergehen des Mitmenschen, von der kleinen Schadenfreude bis hin zur Häme. Wir kennen ja den Weisheitsspruch: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen!
Einst rauchte ich selbst noch und gönnte mir nach der hl.Messe ein Zigarettchen. „Wir Raucher sind doch die letzten, die noch an die Auferstehung der Toten und ein ewiges Leben glauben“ scherzte man dann im Tabakgenuß. Tatsächlich ist es einsichtig, daß wenn der Glaube an das ewige Leben verloren geht, und wir nur noch eines hier auf Erden haben, daß dann die Gesundheit zum höchsten Gut werden kann, ja wird, wenn die traditionelle Vorstellung von einem Weiterleben in den eigenen Kindern verblaßt wie auch die des Weiterlebens im eigenen Volke. Erst dann sieht sich der Einzelmensch ganz auf ein kurzes, viel zu kurzes Erdenleben zurückgeworfen und reduziert, das er nun so weit wie möglich ausdehnen will!
Gäbe es eine Statistik, die bewiese, daß der regelmäßige Meßbeduch die durchschnittliche Lebenserwartung um 10 Lebensjahre steigerte, unsere Kirchen wären voll- aber von der Medizin zum ewigen Leben, der Eucharistie will kaum mehr jemand etwas wissen, selbst 90% der Katholiken nicht, wahrscheinlich sogar noch mehr, die die Sonntagsmesse nicht aufsuchen!
Wenn es das Hoffen auf das jenseitige Leben nach dem Tode nicht mehr gibt, dann muß sich auch unser Verhältnis zum Tode wie auch zur Krankheit ändern! Aus der Wahrheit: weil wir zum Sterbenmüssen verurteilt sind, kommen die Krankheiten als Vorboten des Todesschicksales wird: weil es Krankheiten gibt, müssen wir sterben. Im Kampfe um die Gesundheit und also im Kampfe gegen die Krankheit steckt so immer auch ein säkularisierter Versuch der Todesschicksalsüberwindung! Und man halte das jetzt nicht bloß für eine reine Allmachtsphantasie. Der französische Starautor Houellebecq, jetzt in aller Munde ob seines islamkritischen Romanes über die zukünftige Machtübernahme des Islam in Frankreich hat, inspiriert von der Sekte der Raelisten in seinem Roman, „Die Möglichkeit einer Insel“ ja gedanklich die technische Möglichkeit künstlicher „Unsterblichkeit“ schon durchgespielt: durch Klonen und durch einen Bewußtseinstransfer des alten sterbenden Menschen in seinen Klon-als Datenspeicherübertragungsproblem. Erschreckende Horrorvisionen oder doch menschliche Möglichkeiten des gottlos gewordenen Menschen, der sich nun selbst technisch ein ewiges Leben in Gesundheit verschaffen will? Wer hier zu schnell Houellebecq als Phantasten abschreiben will,möge eines bedenken: was würde Goethe sagen, sähe er, wie heute seine Schriftstellerkollegen am Computer schreiben und die Texte per ePost versenden!

Gerade der Verlust des Glaubens an das jenseitige Leben führt nicht nur zur Resignation und dem Willen, dies Erdenleben, weil es so kurz ist, optimal auszuleben, es evoziert auch den dunkleren und abgründigeren Gedanken der Beseitigung des Todes durch eine verewigte Gesundheit. Erst dadurch wird verständlich,warum gerade der Wert der Gesundheit in postmodernen Zeiten zu dem höchsten Wert avancieren konnte.Dabei wäre der „Gral der Unsterblichkeit“ doch so leicht zu finden-in jeder heiligen Messe ist er da für uns!                           

Sehschule des Glaubens

Du siehst nur, was Du kennst-
oder: was könnte ich in der Eucharistiefeier sehen?

Ja, es gibt wohl Heilige, oder irgendwie sonst von Gott Begünstigte, die erleben etwas Außergewöhnliches in der Eucharistie, wenn der Priester die Wandlungsworte spricht oder sie machen intensive beglückende Erfahrungen vor dem Tabernakel. Einst offenbarte sich Gott dem Mose gar im brennenden Dornbusch, Menschen begegneten Jesus und erlebten in ihm Gottes Liebe.
Aber ich nicht! Warum erlebe ich nicht, was anderen vergönnt ist? Und lese ich authentische Berichte solcher Erlebnisse von anderen Menschen, was nützt es mir, stellt sich bei mir nichts davon ein? Was tun? Hier soll nun ein Weg aufgezeigt werden für die, die ihrem eigenen Empfinden nach, immer leer ausgehen. Es soll mit fast Null angefangen werden, um dann Schritt für Schritt zum Reichtum der Eucharistie voranzuschreiten.
1. Der Verlust
Ein evangelischer Abendmahlsgottesdienst. Der Vikar der Gemeinde teilt Brot und Wein an die um den Abendmahlstisch im Kreis stehenden Gläubigen aus. Jeder sei eingeladen, am Abendmahl teilzunehmen, egal welcher Konfession er angehöre. Jeder empfängt so ein Stück Brot und danach aus dem einen Kelch den Wein. Beim Austeilen sagt der Vikar nichts; die Handlung soll für sich sprechen.
Ja, früher habe er beim Austeilen, „Leib Christi“, „Blut Christi“, gesagt, aber da habe ihm gesagt der Ausbildungspfarrer kritisiert: das wäre nicht in Ordnung. Da könnte man ja meinen, daß Jesus irgendwie da gegenwärtig sei, gar in dem Brot und dem Wein. Da die Austeilungsformel, Blut Christi, Leib Christi nicht eindeutig sei, sei auf sie zu verzichten. Sonst müßte ja erklärt werden, daß uns das Brot und der Wein nur an Jesu Abendmähler und insbesondere an sein letztes Abendmahl erinnern solle. Früher, in voraufklärerischen Zeiten, meinten Christen ja noch, Jesu sei realiter von den Toten auferstanden, er säße zur Rechten Gottes, und dann könne er, obwohl er zur Rechten Gottes im Himmel säße, irgendwie auch in der Gemeindefeier seines letzten Abendmahles gegenwärtig sein. Ganz vulgär meinte Thomas von Aquin gar: in, Brot und Wein würden gewandelt in den Leib und das Blut Christi..Aber das haben wir hinter uns! Inzwischen sei man ganz auf der Höhe der Aufklärung angelangt. Deshalb seien die mythologischen Vorstellungen abzustreifen, wie ein aus der Mode geratenes Gewand. Wir konzentrieren uns nun auf das Leben Jesu, das was sein Leben bestimmte. Wir erinnern uns an Jesu Lebensideale in dieser Feier. So wollen auch wir leben. Mehr sei die Abendmahlsfeier nicht für moderne evangelische Christen. Es ist eine -leider unbestreitbare Tatsache-daß dies Unverständnis des Abendmahles Christi, forciert durch die Ökomene auch in das katholische Christentum eingedrungen ist und so zu unserem Problem geworden ist. Der Weg zur Tradition ist uns versperrt worden durch modernistische Ideen.
2. Wa+ bleibt vom letzten Abendmahl Jesu übrig?
Nichts, außer einem entleerten Ritual mit einem moralischen Appell: lebe anständig gemäß dem Vorbild Jesu. Es war ein langer Irrweg, den uns im christlichen Glauben Verbundene gingen, bis am Ende nichts mehr übrig blieb. Am Anfang standen Zweifel und Fragen: Kann den Jesus in Brot und Wein gegenwärtig sein? Reicht es nicht, zu glauben, daß er irgendwie da ist, wenn seine Gemeinde an ihn denkt, indem sie sein Abendmahl nachfeiert. Das Abendmahl soll ein Opfer sein, von der Kirche Gott dargebracht-gar zur Sühne? Wie abscheulich ist doch diese Vorstellung! So eine Opfervorstellung paßt nicht zu uns Christen. Ach,und einst konnten nur von Gott besonders talentierte Männer das Opfer, das Meßopfer darbringen. Das ist diskriminierend gegen Frauen und alle Laien! Weg damit! Jeder, der will, kann Vorsteher der Abendmahlsfeier sein, auch ein nichtgeweihter und nichtordinierter evangelischer Vikar. So wird uns die Eucharistiefeier zu einem substanzlosen Etwas. Als Katholliken verlieren wir, was wir einst hatten, indem wir so blind werden für das, was da in dieser Feier wirklich sich ereignet.
3. Betrieb+blindheit
Den Wert von etwas begreifen wir erst, wenn wir ihn verloren haben. Meint wer, das wäre wohl eine etwas zu überspannte Aussage, der möge sich dies vorstellen: Morgen erwachst du, wie immer, wenn es Zeit für dich ist. Du machst die Augen auf, verschlafen und siehst nichts. Es dauert bis du vor der entsetzlichen Tatsache stehst: ich bin -über Nacht-blind geworden. Nichts kann ich mehr sehen! Wer zweifelt, das dem Betroffenem nun: Wieder sehen können!, das schönste und wunderbarste Geschenk Gottes wäre. Aber er ist blind. Und jetzt erst begreift er, wie wunderbar es ist, mit den Augen sehen zu können! Gerade das hier grob skizzierte Verständnis des Abendmahles Christi im modernen Protestantismus könnte uns so behilflich sein, daß wieder zu sehen, was wir in dieser Feier wirklich haben. Nur, wir Katholiken sind so reich, daß wir die tägliche Eucharistiefeier in der Kirche haben, daß wir vor lauter Reichtum den Reichtum nicht mehr sehen! Das ist unser Sehproblem.Es ist uns zu selbstverständlich, daß da auf dem Altar Brot in den Leib Christi und Wein in das Blut Christi gewandelt wird durch den dazu geweihten Priester, als daß wir dies Wunder noch sehen könnten! Die Gewöhnung an das Wunder ist der Tod für seine Wahrnehmbarkeit!
4.Eine Scule de+ Sehen+
Aus unserer Betriebsblindheit aufwachen, damit wir wieder sehen, welch ein großes Wunder Gott uns in jeder Meßfeier bereitet, das ist unsere Aufgabe. Ursprünglich nannte man das „Exerzitien“.
Übung macht den Meister. Soldaten exerzieren und exerzieren, damit sie im Ernstfall können, was sie sollen. Und so ist es kein Zufall, daß ein Exsoldat, der Ignatius, nachdem er Soldat Christi wurde, der Schöpfer der Exerzitien wurde, die auch heute noch die meist praktizierten in der Kirche sind.
Ginge es nicht einfacher? Daß da ein Gläubiger zu mir tritt, mir authentisch erzählt, wie er im Glauben Jesu Dasein in Brot und Wein erfahren hat, ja, daß da nicht mehr Brot und Wein ist, sondern unter den Gestalten von Brot und Wein der Leib Christi und sein Blut wahrhaftig ist? Wenn mir jemand ganz authentisch und ergriffen erzählte, wie bedeutsam für ihn die Eucharistie ist, müßte mich das nicht anstecken: das möchte ich so auch erleben? Das erzählte Erlebnis bleibt aber das des Erzählers. Mag er dies noch so wortgewaltig und kraftvoll zum Ausdruck bringen, es wird nicht zu meinem Erlebnis. Zudem: die Enttäuschung ist vorprogramiert: denn warum sollte ich das so erleben, wie es der authentische Zeuge darlegt, sehe und erlebe ich das dann doch nicht mit seinen sondern mit meinen Augen! Mit diesem Einwand stünden wir auch nicht alleine dar. So fragte schon der ungläubige Thomas: Was nützt es mir, wenn ihr den Auferstandenen gesehen habt, ich aber nicht? Dürfte ich da so nicht auch mit dem ungläubigen Thomas fragen: Was nützt es mir, wenn das nur eine Erfahrung von Anderen ist und nicht die meine! Wenn ich nichts erlebe außer dem mir ausgeteilten Brot, was hilft mir da das Glaubenszeugnis anderer, daß für sie das alles ganz und gar anders ist. Wenn ich, obgleich ich katholisch bin, die Eucharistie nur evangelisch als ritualisiertes Einnehmen von Brot und Wein erlebe?
Fangen wir beim Nullpunkt an: da ist dann nur noch eine Feier,in der Brot und Wein ausgeteilt wird, damit wir Jünger Jesu uns an ihn erinnern. Weil Jesus so gern mit seinen Freunden aß und trank, denken auch wir jetzt an ihn, wenn wir essen und trinken. Jesus ist dann für mich nur ein Abwesender, an den ich mich erinnere, wie an einen lieben Verstorbenen. Ich sehe etwas, was ihm wichtig war und das erinnert mich an ihn.
5. Der Ort: der Tempel-die Kirce
Aber sollte Jesus nicht mehr für mich und seine Gläubigen übrig haben als ein bloßes Sich-In-Erinnerung -Bringen durch eine Gemeindefeier? Ja, die hl. Schrift und die Kirche sagt: Jesus Christus will bei euch, mitten unter euch sein und nicht nur in eurem Sicherinnern an mich! Wie war es im Alten Bund? Da sagte Gott zu Salomon, als der König den neu erbauten Tempel einweihte: dies ist der Ort, an dem ich meinen Namen wohnen lassen werde. Hier bin ich für dich da. Hier bin ich für dich erreichbar, weil ich hier mit meinem Namen für dich anrufbar bin. Einmalig offenbarte sich Gott dem Mose im Dornbusch. Aber was nützt das dem Volk Israel, daß er da einmalig für Mose war. Im Tempel ist Gott immer da für jeden Gläubigen, der ihn anruft. Und im Neuen Bund? Sollen wir da ärmer dran sein, als das Volk Israel im Alten Bund? Sollte Gott uns Christen nicht gewähren, was er seiner ersten Liebe gewährte: daß er uns einen Ort gibt: Hier bin ich für dich da?
Schon haben wir die ersten Schritte der Schule des Sehens beschritten! „Du siehst nur, was Du kennst!!“ Damit warb ein Reiseführer auf recht intelligente Art für sich. Das geschulte Auge kennt die Verheißung Gottes an den Tempel: hier lasse ich meinen Namen für dich wohnen. Und dann sieht es in jedem Tabernakel den Ort des Neuen Bundes, wo Gott seine Verheißung erfüllt. Hier wohnt meine Name für euch, damit ihr hier mich anrufen könnt
.Das Zentrum des Tabernakels ist die konsekrierte Hostie, das in den Leib Christi gewandelte Brot der Eucharistiefeier. Das ewige Licht verkündet es: hier läßt Gott seinen Namen für dich wohnen.Nicht an einem beliebigen Ort ist der Tabernakel. In der Kirche ist er. Und die Kirche ist das, was im Alten Bund der Tempel war. Gott läßt sein Volk nicht tempellos sein.
Schaute ich nur auf die Abendmahlsfeier mit dem Priester, den Ministranten und dem Volk und sähe den Ort des Ereignisses nicht, nie könnte ich das Ereignis wirklich sehen. Der Ort des Ereignisses gehört unbedingt dazu. Wie der Tempel so ist auch die Kirche der Ort der Gegenwart Gottes für uns. Da wohnt Gottes Name für uns. Was ist Gottes Name? Sein Name ist:Jesus Christus. Sehe ich den Ort der Eucharistie nicht, weil ich ganz unmittelbar nur die Eucharistie sehen und erleben möchte, sehe ich das Wesentliche nicht. Zu nah bin ich dann, um noch etwas erkennen zu können! Ein Tempel ohne einen dort anwesenden Gott, das wäre kein Tempel, sondern ein Museum toter Exponate. Nur, Gott ist kein toter Gegenstand, sondern ein sich als lebendiger Gott Exponierender!
6.Der Tempel, der Priester und da+ Opfer
Ich sehe und versehe mich. Jede will sehen, wie es wirklich ist, und doch versehen wir uns oft. Einen heiligen Priester, der im Tempel Gott wohlgefällige Opfer darbringt, da sehen unsere Augen. Ein Gnerallverdach drängt sich auf: die Erzählung vom Priesterbetrug. Priester hätten einen zornigen Gott erfunden, dem Opfer darzubringen seien, um ihren Beruf und die Abgaben an sie zu rechtfertigen. Priester wollten Macht für sich und erfanden dann den dazu passenden Gott. Unter Christen wird dazu noch ergänzend das Märchen vom Jesus von Nazareth erzählt, der ein Gegner des Priestertumes gewesen wäre, ja der den Tempel, das Opfer und die Priester abschaffen wollte. Er habe uns in seiner Person gezeigt, daß sein Gott, der allein der wahre ist, der Gott der Liebe sei,der so Opfer, Tempel und Priester verabscheue.
So verbildet kann ich nicht mehr wahrnehmen, was in der Feier der Eucharistie wirklich geschieht.Mit der falschen Brille sehe ich Trugbilder. Mir entsteht ein Zerrbild. Entweder, daß ich Menschen sehe, die sich ein Amt anmaßen, daß ihnen nicht zusteht, weil Jesus es abgeschafft hat und die etwas tun, was wider Gottes Willen ist, nämlich, daß sie Opfer simulieren. Oder ich sehe einen Gemeindevorsteher, liturgische Farben tragend, der einer Abendmahlsfeier vorsteht, die uns an die Liebe Gottes erinnern soll. Alles andere wäre für mein verbildetes Auge ein Rückfall ins dunkelste Mittelalter.
Der Augenblick der Eucharistie verlangt so von mir die Kunst der Unterscheidung der Geister! Welcher Geist gibt mir die Erzählungen vom Priesterbetrug ein? Wer flüstert mir ein, daß Tempel, Priester und Opfer mittelalterliche Vorstellungen seien, die uns modernen Menschen nichts mehr angingen? Wer sagt mir, daß ich zu wählen hätte zwischen der Vorstellung eines primitiven Gottes, der Priester und Opfer will und der Vorstellung, daß Gott nur die Liebe sei und so keine Priester und kein Opfer wolle?
Hier gilt es für mich: reinige deine Gedanken! Asketische Gedankenarbeit ist gefordert. Wir müssen üben, exerzieren. Man sage jetzt nicht, daß Gott aus Gnade oder Liebe uns all das schon gratis geben werde, daß es dagegen unsere höchste Tugend wäre, nichts zu tun und einfach darauf zu warten, daß Gott uns begnade und beschenke. Nein, Gott will uns als Mitwirkende, nicht einfach als rein passiv Empfangende.
Lassen wir uns durch die Bibel belehren. Es ist kein Zufall, sondern ein Akt der göttlichen Pädagogik, daß zuerst im Alten Bund der Tempel, die Priester und das Opfer waren und uns vor Augen gestellt werden, lesen wir die Bibel von Anfang an, der Reihe nach. Das ist der Vorbereitungsunterricht für uns, damit wir danach die Eucharistie begreifen können, nicht als Anfänger der Glaubens, sondern als schon Fortgeschrittene. Wer nun stattdessen, auf der Überholspur fahrend, gleich mit dem Höhepunkt anfangen will, der wundere sich, daß er vor der Feier der Eucharistie steht und sieht und doch nichts sieht!
Erst wenn ich in der Feier der Eucharistie das alte Bild des Tempels, des Priesters und des Opfers wiedererkenne, dann erst kann ich sehen und erleben, was die Eucharistie wirklich ist. Die Eucharistie ist nichts für eilige Leser, die nur das Ende eines Romanes lesen wollen, hoffend so Zeit einsparend doch das Ganze begreifen zu können.
7. Wa+ sehe ic, wenn der Priester die konsekrierte Hostie emporhebt?
Jetzt stehen wir vor dem Höhepunkt der Eucharistiefeier: der Elevation. Der Priester bringt Gott das wohlgefällige Opfer dar. Sehe ich das, erlebe ich das? Eines müßte mich, frage ich so, stutzig machen. Hörte ich nicht, daß wir im Glauben und noch nicht im Schauen leben? Der Glaube vertraut auf das, was er noch nicht sieht. Er hofft darauf, daß er einst sehen wird, was er jetzt nichtsehend doch schon glaubt!
Ja, zu unserem christlichen Glauben gehört das Enttäuschtwerden notwendig dazu. Wir möchten sehen, Gott selbst verheißt uns, daß wir ihn schauen werden, aber diese Verheißungen erfüllt er uns im Regellfall nicht in unserem Erdenleben. Wenigen Heiligen ist es gegeben, hier auf Erden schon schauen zu dürfen, was uns für den Himmel verheißen ist.
8 Wa+ können wir dann sehen?
Wir müssen unser Auge zuerst reinigen von den falschen Bildern, die uns den Zugang zur Eucharistie verwehren. Das ist das Zerrbild eines Jesus, der halt gerne Brot und Wein zu sich nahm und der uns gebot: denkt an mich, wenn ich nicht mehr unter euch bin, wenn ihr das Abendessen zu euch nimmt in der feierlichen Form des letzten Abendmahles. Wir müssen unsere Augen frei machen von den Zerrbildern des Priesters, daß der Priester etwas ist, was Gott nicht will. Unsere Augen sollen, wenn sie so den Priester sehen, nach dem Opfer Ausschau halten. Denn nur wo ein Opfer ist, da ist auch ein Priester. Dann werden wir in der konsekrierten Hostie das Opfer des Alten Bundes wiedererkennen, im Pfarrer den Priester des Alten Bundes und im Tisch, hinter dem der Pfarrer agiert , den Altar. Diese kraftvollen Bilder des Alten Bundes, das sind unsere Sehhilfen für die Eucharistie. Darum gab sie uns Gott.
Und jetzt erst wollen und sollen wir unser Augenmerk auf die konsekrierte Hostie richten. Nicht unmittelbar, sondern wie ein Bergsteiger, der hinaufklettert, bis er am Ende die Spitze des Berges erreicht. Und jetzt gilt uns, was der hl. Thomas so wunderbar vollkommen so formuliert: „Jesus, den verborgen jetzt mein Auge sieht, stille mein Verlangen, das mich heißt durchglüht: laß die Schleier fallen einst in deinem Licht, daß ich selig schaue, Herr, dein Angesicht.“
Mein Auge sieht und schaut noch nicht. Das ist die Verheißung und auch die notwendige Enttäuschung in jeder Eucharistiefeier. Wir können in der Feier, geschult durch die Bilder des Alten Bundes den Priester sehen, der in der Kirche, dem Tempel des Neuen Bundes, Gott das wohlgefällige Opfer darbringt, sehen und dies Opfer kann und ist niemand anders als Jesus Christus. Aber wir können ihn noch nicht schauen. Das ist uns für den Himmel verheißen!
Warum sehen wir da in der Hostie, in der Gestalt des Brotes Jesus Christus? Verführerisch könnte uns der Gedanke überkommen: das Brot, das da erhoben wird, solle uns nur an Jesus erinnern, der so gern Brot mit seinen Freunden aß zum Abendmahl! Ich nehme nur an einer Erinnerungsfeier an den längst Verstorbenen fest. Nur, jetzt kann ich diesen Gedanken befragen. Wenn du recht hättest, was brächte denn dann der Priester Gott als Opfer dar? Er brächte nichts da, nur erinnerte er an das Opfer Christi. Dann wäre er aber kein Priester sondern nur ein Geschichtenerzähler, der seine Erzählung mit anschaulichen Handlungen unterstützte! Dann wäre die Kirche auch keine Kirche mehr, denn Kirche ist nur der Begriff für den Tempel des Neuen Bundes. Wir wären nur eine Versammlung von Nostalgikern, die sich an eine bedeutsame religiöse Persönlichkeit erinnerten, die jetzt noch für uns irgendwie bedeutsam ist.
9.Aber sehe ic auc, wa+ ic sehen könnte?
Denken wir daran: man sieht nur, was man kennt. Ist mir mein Wissen um Tempel, Priester, Opfer präsent, vergegenwärtige ich es mir, dann sehe ich in der Eucharistiefeier das Bild des Opfers, daß hier ein geweihter Priester Jesus Christus Gott als Opfer darbringt. Dies Bild kann ich sehen. Nicht sehe ich schon das Opfer Christi selbst. Das ist mir für den Himmel verheißen.Aber sein Bild kann ich hier in der Kirche schon sehen. Das meint der hl. Thomas, wenn er vom Sehen in der Eucharistie spricht.
Was ich kann, das kann ich auch verfehlen. Und wie oft verfehle ich es! Und warum? Ich sehe nur, was ich kenne. All meine Kenntnisse nützen mir nichts, vergegenwärtige ich meine Kenntnisse nicht und wende sie nicht an auf das von mir Gesehene. Nicht verschließt Gott mir meine Augen, daß ich nichts sehe, noch müßte ich Gott um eine außergewöhnliche Gnade bitten! Nein, Gott gibt mir alles durch die Kirche, die Bibel und die Tradition und das Lehramt, damit ich in jeder Eucharistie das sehen kann, was mein Glaube zu sehen ersehnt: meinen Heiland als das Gott wohlgefällige Opfer. Nur, wenn ich diese Sehhilfen nicht nutze, ungeübt in der Handhabung bin, dann sehe ich nichts außer dem täuschenden Schein einer bloßen Eß-und Trinkfeier in sehr ritualisierter Gestalt.
Das größte Hindernis für unser Sehen ist aber die Konsumentenhaltung. Da soll es nichts geben, was ich erst durch mein Tun aktiv in mir aufnehme. Da soll mir alles gut aufbereitet, bequem einfach einnehmbar serviert werden. Wird mir die Messe dann nicht zu einem wahren Erlebnis, dann war der religiöse Service nicht gut genug. Der Gottesdienst müsse dann „menschennäher“ gestaltet werden, zeitgemäßer, so lautet das dann in Reformerkreisen. Wir kennen diese Parolen der Religionskonsumenten. Aber das Heilige ist nicht konsumierbar und ist schon gar kein Event. Sehen ist eine Kunst, die eingeübt sein will, wie jede Kunstpädagogik weiß! Autozufahren, einen Computer benutzen zu können, all das verlangt vom Anfänger viel üben, bis es klappt. Wie komme ich nur auf die Idee, daß Gott zu begegnen dagegen etwas ganz Einfaches wäre? Ist es nicht so in unserem Leben, daß uns nur das Unwichtige zufällt und alles Bedeutsame errungen sein will? Sprechen wir also ganz bewußt von der Kunst der Gotteserfahrung.
Der Apostelfürst Paulus schreibt, daß das Gesetz der Pädagoge auf Christus hin ist. Es ist hier nicht der Ort, Paulus komplexe Lehre vom Gesetz darzulegen. Jetzt soll nur auf dies geachtet werden. Nicht gibt es einen unmittelbaren Zugang zu Christus. Wenn die Hörer Jesus sich frugen, ob dieser Jesus wirklich der Messias ist, dann wußten sie schon aus der religiösen Tradition, was der Messias ist, um dann zu fragen: ist er der Erhoffte? Jesus erkennen, heißt, in ihm die schon gekannte und vorausgewußte Größe wiederzuerkennen. Wer die religiöse Tradition der Messiasvorstellung gar nicht kennen würde, wie sollte er dann die Aussage Jesu: Ich bin der Messias“ verstehen. Er könnte mit ihr nichts anfangen, er verstünde nur Bahnhof. Nur wenn mir die Tradition vertraut und bekannt ist, kann ich das sehen, was ein Ereignis im Strom der Tradition ist. Wem das unverständlich vorkommt, der mache dies einfache Experiment. Er nehme einen beliebigen Roman, schlage in der Mitte auf, das nächste Kapitel des Romanes und versuche das jetzt Gelesene zu verstehen. Den Höhepunkt der religiösen Entwicklung, das Meßopfer der Kirche begreifen zu wollen unter Absehung und Mißachtung aller Vorbereitungslektionen, das geht in der Regel daneben wie der Versuch, mitten in einem Roman mit dem Lesen anzufangen! Aber statt auf unsere unzureichende Vorbereitung zu schauen, sehen wir die Schuld lieber bei den Anderen!
Gern schieben wir so die Schuld, wenn uns die Eucharistiefeier zu keinem großen religiösen Erlebnis wird, gar zu keinem Event, auf die Priester, die Gemeinde, die Gestalt der Kirche und die unfrommen Glaubensbrüder-und Schwestern. Nur unseren Fehler sehen wir nicht: daß wir die Sehhilfen nicht recht benutzen. Uns fehlt die Praxis der Sehschule, die Exerzitien des Sehens. Selbstredend muß eingeräumt werden, daß durch die Liturgiereform uns das Sehen erschwert worden ist.Dadurch, daß der Priester selbst im Akt des Opferns der Gemeinde zugewendet ist, evoziert das den Eindruck, daß auch dies priesterliche Tun eines für die Gemeinde ist. Das Wesen der Handlung, daß Gott geopfert wird, und die äußerliche Gestalt treten so wider einander. So ist für den Anfänger der Schule des Sehens die alte Messe vielleicht eine Hilfe, um so später auch in der reformierten Gestalt das Wesentliche sehen zu können. Aber da nun die Reformmesse die Regelgestalt ist, verlangt sie umso mehr unser Einüben in das rechte Sehen!
Wie macht man das? Das Üben des Sehens? Die Bibel ist uns da der erste und beste Lehrmeister. Lassen wir uns in der Schule des Alten Bundes einweisen in die Kunst, in der Eucharistiefeier das Opfer Jesu Christi zu erkennen. Lektion für Lektion. Was ist der Tempel? Er ist der Ort, wo Gott seinen Namen wohnen läßt. Wo Gott anrufbar ist für uns, da bringen Priester ihm das wohlgefällige Opfer dar.Was ist das Gott wohlgefällige Opfer? Die Opfer des Alten Bundes sind die Vorbilder des wahren Opfers Jesu Christi. In der Kirche bringt dies Opfer der Priester des Neuen Bundes dar. Das geschieht in der Eucharistie. Diese einfachen Lektionen sind vertiefbar durch ein solides Studium der hl. Schrift und der Tradition: was sagt die Kirche über die Eucharistie.Eines ist aber gewiß: unvorbereitet, ohne Kenntnis dessen, was die Eucharistie ist, sehe ich nichts außer dem trügerischen Schein. Aber die Wahrheit ist verborgen unter dem äußerlichen Schein. Die religiöse Haltung ist immer eine metaphysische. Das meint, daß das Eigentliche verborgen hinter dem Schein zu suchen ist. Wo der Konsument, der Adressat der Unterhaltungsindustrie immer nur auf den Schein konzentriert ist, er immer nur Events möchte, als intensivst unterhalten werden, weiß der religiöse Mensch, daß ohne die Fähigkeit zum Dahintersehen, zum Ergründen ihm die Welt nur eine Täuschung ist.
„Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns- und wir sahen seine Herrlichkeit“ heißt es im Anfang des Johannesevangeliums. Unsere Augen sehen nur das Fleisch der Eucharistie, damit wir die Herrlichkeit sehen können, bedarf es der Sehhilfen, damit auch wir Sehende werden.Und der Weg dazu: üben! Exerzitien! Für den Anfänger der Schule des Sehens sei angemerkt, daß die Werktagsmesse oft geeigneter ist als die Sonntagsmesse. Hier bleibt er häufiger von kreativen Einfallen der Gestaltung des Gottesdienstes verschont. Die Messe ist, gerade auch, wenn sie nur gelesen wird und kein Gemeindegesang ablenkt, aufs Wesentliche konzentrierter. Auch das Fehlen der Predigt führt dazu, daß dem Anfänger es leichter wird, sich auf den Kern der Messe zu konzentrieren. Wer dann von dieser konzentrierten Messe wieder zur üppiger ausgestaltenen Messe zurückkommt, dem gelingt es dann auch leichter, hier sich aufs Eigentliche zu konzentrieren, auf das Meßopfer.
Ist das nur Theorie,oder klappt das auch. Als Anfänger dieser Exerzitien kann ich sagen: mein Üben bringt Frucht! Ich sehe schon, oft noch verschwommen, aber mein Sehen wird klarer! Aber diese Beteuerung wird dem Leser nicht viel nützten. Warum sollte er auch dem Schreiber dieser Zeilen Glauben schenken. Nein, es gibt einen besseren Weg: es selbst mit Exerzitien zu versuchen, mit ihnen anzufangen: was sehe ich, wenn ich die Eucharistiefeier sehe? Was könnte ich sehen, machte ich mich frei von den falschen Bildern und Vorstellungen? Welche Sehhilfen nehme ich mit zum Gottesdienst! Es gibt für uns eine große Verheißung: wer sucht, der wird Gott auch finden! Aber suchen sollen wir.





Freitag, 23. Januar 2015

Verträgt sich der Liberalismus mit der christlichen Religion?

Wärest Du doc kalt oder heiß!
Liberalismus und Religion

Feindschaft gegen Liberale gilt vielen Leuten als anstößig“, mußte schon A. Mohler in seinem Traktat: „Gegen die Liberalen“1988 konstatieren. „Sind sie denn gegen die Freiheit? Sollen die Menschen nicht nett zueinander sein?“1 Wer vermag, da mit einem: „Nein“ zu antworten? Freisein und Netzueinandersein, wenn das gelebte Liberalität ist, wer wollte dann ein antiliberaler Geist sein? Und es hält sich ja hartnäckig das Gerücht, daß dieser Jesus von Nazareth, selbstredend nicht der kirchlich dogmatisch verzerrte Gottessohn Jesus Christus auch ein wahrer Jünger gelebter und gelehrter Liberalität gewesen sein soll in seinem Dauerkonflikt mit den zeitgenössischen Dogmatikern und Scholastikern seiner Zeit, den Pharisäern und Schriftgelehrten. Und vervollständigt werden soll dieses Liberalenbild nun durch die Erinnerung an Pontius Pilatus mit seiner großen Frage: „Was ist Wahrheit?“, die ihm eine unbeantwortbare und nicht beantwortet werden sollende Frage ist im Kontrast zu den fanatisierten Volksmassen, die den Tod Jesu einfordern, so daß Pilatus agnostisch gestimmt Jesu freilassen will, da er sich so der Anfrage Jesu: „Ich bin die Wahrheit“; „Glaubst Du das?“ entziehen will.

Aber fangen wir langsam an, um hier die Zusammenhänge in den Blick zu bekommen. Heinrich R. Robben hat in dem Artikel: „Der Mensch steht im Zentrum“2 sehr feinsinnig und treffend das Fundament der Ideologie des liberalen Denkens ergründet in der These des Agnostizismuses, des Nichterkennenkönnens des Wahrheit als dem Fundament liberaler Lebenspraxis. Jede Ideologie als Weltdeutung gibt auch Rechenschaft über das Verhältnis von Denken, Ideen, Begriffen zur Realität als Fundamentierung der Bestimmung des Weltverhältnisses des Menschen. Daß auch die liberale Weltanschauung keine voraussetzungslose spontan sich ereignet habende Weltdeutung ist, sondern ideengeschichtlich gesehen auf den spätmittelalterlichen Nominalismus eines W. von Occam zurück-verweist, ist eine wirklich plausible These, die aber die Frage unbeantwortet läßt, warum denn eine so skeptizistische Erkenntnistheorie so viele zeitgenösische Jünger findet, daß sie fast schon zum Gemeinsinn und Vulgärgut aller Zeitgenossen werden konnte. Ja, daß sie selbst unter den Nachfolge-jüngern Jesu, der von sich sagt: „Ich bin die Wahrheit“ in Liebe aufgenommen wird, so sehr, daß da der bekannt- vertraute Vorwurf der lauen Liebe aus der Johannesoffenbarung nicht recht trifft ob der Feurigkeit und Leidenschaft des liberalen Ansinnens, wie es in liberal- katholischen Kreisen zelebriert wird.

Drei Begriffe, die der Freiheit, der Wahrheit und des Netzueinanderseins (gleich tolerantsein) sollen nun, wie sie dem liberalen Deutungsparadigma zu Grunde liegen, in ihrer wechselseitigen Bezogenheit aufeinander rekonstruiert werden, um so das zutiefst problematische und spannungs-reiche Verhältnis von liberaler Weltanschauung und dem theologischen Denken zu begreifen.Nähern wir uns dieser Problematik an, indem wir nun einen Umweg in Kauf nehmen, nicht in medias res einsteigen, sondern um von der gelebten Toleranzliberalität in der Praxis zeitgenössischen Unter-richtens her erste Einsichten und Erkenntnisse zu gewinnen.

Imaginieren wir uns eine Religionsunterrichtsstunde höherer Klassen zum Thema: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ (Markus 8,29), worauf die Schüler zwischen Interesse und Desinteresse schwankend die mannigfaltigst verschiedensten Antworten zum besten geben und der Lehrkörper, ganz angetan von der Lebendigkeit des Unterrichtes und der Vielzahl der Antworten betont, daß es wichtig sei, daß jeder und jede seine und ihre ganz persönliche Antwort auf diese Frage gäbe, daß hier nicht zwischen wahren und unwahren Aussagen zu unterscheiden sei, oder gar einige verurteilt werden dürften, sondern daß wir alle, die Klasse lernen solle, diese zu Tage tretende Mannigfaltigkeit ganz persönlichen Meinens und Glaubens als bereichernde Pluralität und Vielfalt zu bejahen. In höheren Schulklassen ist dann diese Urteilspluralität ein gediegener Anlaß, die individuelle subjektive Bedingtheit jedes persönlichen Urteilens ansichtig zu machen: jeder sähe nur durch seine Brille und so sähe jeder Jesus anders als der andere und nur dogmatisierende Fundamentalisten verstiegen sich dazu, ihrige Sicht als die allein wahre und selig machende zu behaupten, während doch die tiefste Einsicht in das Erkenntnisvermögen des Menschen die sei, daß Niemand wissen könne, was wahr sei. Und darum solle jeder Schüler jede Meinungsäußerung seines Mitschülers tolerieren und auch akzeptieren, daß es nicht die Aufgabe des Religionslehrers sei, nun zu sagen, was wahr und was unwahr sei, sondern auch der Lehrer bringe nur seine ganz persönliche Überzeugung in das Rundgespräch ein, authentisch und unverbindlich. Das pädagogische Lernziel dieser Unterrichtseinheit war ja auch nicht, wie es in vorkonziliaren Zeiten möglich war, zu erkennen, wer Jesus war und ist, sondern zu erkennen, daß diese Frage Jesu unendlich viele persönliche Antwortmöglichkeiten evoziert und daß alle irgendwie gleich wahr sind und daß jede jede andere zu akzeptieren habe als nur individuell gültige. Das Unvermögen, objektiv zu erkennen, wer denn nun wirklich dieser Jesus war und ist, erlaubt die Freiheit des unbegrenzt beliebigen Meinens, was er sei, oder für mich ist und schafft ein
Klima der Beliebigkeit, der postmodernistischen „Any thing goes“ Beliebigkeit, in der jedes Urteil akzeptiert wird. „Seid nett zu einander!“, das ist dann nur der trivial ausgedrückte Fassung des Imperatives: Streite nicht mit Deinem Nächsten über Fragen des Glaubens und der Religion, denn hier ist jeder Glaube gleich wahr und unwahr, weil es keine Möglichkeit zur sachgemäßen objektiven Erkenntnis gibt. Alles ist nur ein Ausdruck individuell persönlicher Vorlieben und Abneigungen.

Aber eine Rechenstunde, in der der Lehrer fragt: „Wieviel ist drei plus sieben?“ und die Schüler munter drauf losen antworten: 5, 6, 4, 7, und dann die Antwort käme, schön, daß ihr so mannigfaltig verschiedene Ergebnisse präsentiert, jeder so ganz spontan und persönlich, niemand wüsse eigentlich das rechte Ergebnis, das mache aber nichts, denn schuldidaktisch sei es schon ein Erfolg, daß jedes Schulkind sich einbrachte in das Unterrichtsgespräch, ist selbst bei ultraorthodoxen Liberalen unvorstellbar. Nicht dominiert im zeitgenössischen Schulbetrieb in allen Fächern der Agnostizismus, die These der Unmöglichkeit adäquater Erkenntnisse, sondern wir haben die Simultanität eines Meeres von exaktem Wissen und eines Reiches, indem alles nur willkürlich beliebiges Meinen ist, in dem jeder Wahrheitsanspruch als hybrischer Abt vermaledeit wird.

Eine Rekonstruktion der Lage des Wissens3 in Hinsicht auf die Vorliebe des liberalen Zeitgeistes für alle Spielarten eines Agnostizismuses muß also Rechenschaft darüber abgeben, warum es uns Heutigen möglich erscheint, zu errechnen, wie viele Sandkörner am Ufer eines Flusses liegen, aber die Frage, ob Gott ist, als unbeantwortbare und unwißbare Frage des Wissens reprobiert. Und so drängt sich die Mutmaßung auf, daß der sinnvolle Hinweis auf die Geburt des Nominalismuses im Spätmittelalter als Ursprung einer nicht realistischen Erkenntnistheorie nicht hinreicht, um diese in sich differenzierte Lage des Wissens zu begreifen.

Es sollen nun ein paar Thesen aufgestellt werden, in denen Vermutungen der Genese dieser jetzigen Situation des Wissens zusammengefasst werden, die so der Leserschaft zur Diskussion präsentiert werden, ohne daß damit der Anspruch erhoben werden soll, so schon das Problem vollständig begriffen zu haben.

Der Krieg, das Erleiden des Krieges genauer gesagt, ließ es als erstrebenswert erscheinen, der Religion wie auch jeder ideologischen Weltanschauung jeden Wahrheitsgeltung abzusprechen um des innerweltlichen Friedens willen. Die Religionskriege des 17. Jahrhundertes, als innerchristliche Konfessionskriege wahrgenommen und die Erfahrung des Weltanschauungskrieges des 20. Jahrhundertes, wahrgenommen als Krieg der Ideen des Kommunismuses und des Nationalsozialismuses evozierten eine Skepsis gegenüber jeder Art von weltanschaulichem Wahrheitsgeltungs-anspruch: „Wie könnte eine erkannte und gewußte Wahrheit neben sich die Nichtwahrheit tolerieren?“ „Kann Wahrheit ein Recht auf den Irrtum bejahen, um einen Weltfrieden zwischen den verschiedensten Wahrheitsansprüchen zu ermöglichen? (Daß diese Frage im 2. Vatikanum in der Debatte um das Verhältnis der Katholisch- Christlichen Religion zu den anderen Verständnissen des Christentumes und den anderen Religionen und dem Atheismus von zentraler Bedeutung war, ist unverkennbar!) Der liberale Agnostiztismus will nun, damit es keine friedensgefährenden Wahrheitsgeltungsansprüche mehr geben kann, alle religiösen und weltanschaulichen Wahrheits-ansprüche als illegitime Verabsolutierungen subjektiven Willkürmeinens delegitimieren. Nicht steht am Anfang eine Erkenntniskritik, sondern der Wille, daß es im Vorstellungsraume der Religion und der Weltanschauungen keine Wahrheitserkenntnisse geben soll, die Anspruch auf objektive universale Gültigkeit erheben. Nur die Erkenntnis, daß keine Religion und keine Weltanschauung objektiv wahr ist, soll als die Wahrheitserkenntnis von allen affirmiert werden. Die Aporie diesesStandpunktes ist unübersehbar: Wie kann erkannt werden, daß alles religiöse und weltanschauliche Wissen kein Wissen ist?4 Die philosophische Aufklärung nach dem großen innerchristlichen Religionskrieg wollte gerade in Deutschland, das am meisten unter diesem Krieg gelitten hatte, den Wahrheits-und Geltungsanspruch der differenten christlichen Kirchen so reduzieren, daß die Glaubensdifferen-zen als irrelevant zu stehen kamen. Nur, um es kantisch zu formulieren, die Vernunftreligion ist wahr und jede über das Vernünftige hinausgehende Glaubenswahrheit ist nur eine subjektiv willkürliche Dekoration dieses in jeder Religion lebenden Vernunftkernes. Die aufklärerische Erkenntniskritik gerade auch in der erfolgreichen Version Kants dient so primär dem Anliegen, den Wahrheitsan-spruch jedes kirchlichen Christentumes zu dysqualifizieren, um die Religion auf wenige Basis-wahrheiten zu reduzieren. Die Erfahrung des 2. Weltkrieges als Weltanschauungskrieg und der Erfahrung des Kalten Krieges als beinahe Selbstvernichtung der Menschheit im Atomkrieg ließ erst den postmodernen Liberalismus zu der zeitgenössischen Haltung avancieren. Der Postmoderniusmus reüssiert, indem er auf die friedensgefährdenden Auswirkungen von weltanschaulichen und religiösen Wahrheits- und Geltungsansprüchen rekurriert, um ein Leben ohne Wahrheit als Leben im Frieden zu proklamieren.

Weil das Idealpaar der Wahrheit und des Friedens als kontradiktorisches Gegensatzpaar gedeutet wird, gilt nun, daß es im Raume der Religion wie in dem der Weltanschauung keine Wahrheit mehr geben darf sondern nur noch individuell subjektiv willkürliche Präferenzen ohne einen Anspruch auf eine überindividuelle Bedeutung. Einfach gesagt: „Ich glaub das so, aber ich billige es jedem zu, es auch ganz anders zu glauben!“ Oder um es an der postmodernistischen Umformung des Luthervotums: „Hier stehe ich und kann nicht anders!“ es zu verdeutlichen: „Hier stehe ich und könnte auch anders und ich toleriere es, wenn jeder anders votiert als ich!“ Genau dieser Standpunkt ist die spezifische Lauheit des Glaubens unter dem Vorzeichen der Postmoderne. Der Glaube ist nicht heiß, weil er nicht an die allgemeingültige Verbindlichkeit der Glaubenswahrheit glaubt und er ist nicht kalt, weil er den Glauben nicht als Unwahrheit verwirft und der Glaube wird dem Gläubigen auch selbst zu einer lau unverbindlichen Haltung, weil er ihn nur als individuell frei präferierte Vorliebe ansieht. Und gerade darum kann dieser Glaube auch es gut heißen, wenn jeder andere anders wählt und glaubt.

Um des „Seid nett zueinander“ wird so jede Wahrheitsverbindlichkeit im Religiösen wie im Weltanschaulichen als erkenntnistheoretisch nicht legitime Aussage perhorrresziert. Das ist der Kern des postmodernistischen Liberalismuses, der sich darin auch signifikant vom innerkirchlich umkämpften Modernismus des 19. Jahrhundertes unterscheidet in seiner Aufgabe des Strebens nach wahrer Erkenntnis um des Friedens willen. So ist der Wille zur Vermeidung eines Krieges aus Wahrheitsgründen der letzte Grund des zeitgenössischen Agnostizismuses in der Ausgestaltung des Postmodernismuses.

Und dieser Postmodernismus findet seinen adäquaten Ausdruck im Religionsunterricht im Stuhlsitzkreis, in dem jeder, gleich weit entfernt von der unerkennbaren Wahrheit sitzt und seine Meinung einbringt in das Kreisgespräch, das immer weiter kreisend keinen Erkenntnisgewinn kennt außer der Einsicht in die Unsachgemäßheit jeder Meinungsäußerung, da jedes Meinen im Raume der Religion und der Weltanschauung nur ein subjektiv bedingtes Vorstellen ist. Und der Lehrer ist nicht mehr den Schülern Entgegengesetzte, der sie zur Wahrheit führt sondern der Kreismoderator, der für das unendliche Kreisen aller Meinungen sorgt und der jeden Wahrheitsgeltungsanspruch als unerlaubten Fundamentalismus exkommuniziert.

Solange nicht die geschichtlich kontingente Leidenserfahrung, daß Wahrheit auch gefährlich ist, weil eine erkannte Wahrheit das Nein zum Irrtum und zur Lüge in sich einschließt, mitberücksichtigt wird, wird es schwerlich gelingen die Katholisch- Christliche Religion als die wahre Religion zu bewahrheiten, weil gerade das zeitgenössische Ohr keine wahre Religion mehr haben will um des Friedens willen!
Aber Frieden ist nicht der Hauptwert der Moderne, nein, das ist unbestreitbar der Wert der Freiheit.Und es ist wohl das Frappierendste, daß um der Freiheit willen auch der Wert der Wahrheit als erstrebenswertes Ziel in Frage gestellt wird. „Freiheit statt Wahrheit“ könnte so die subkutane Parole zeitgenössischen Denkens heißen. Daß wäre dann der letzte selbst schon wieder metaphysische Grund des Ablehnung aller Wahrheitsansprüche und somit gerade auch der Christlichen Religion.

Stimmte diese Vermutung, würde jede traditionelle Apologetik des Christentumes, die die Wahrheit dieser Religion andemonstriert zum Scheitern verurteilt sein, würde sie nicht als ersten Schritt die Frage Nietzsches diskutieren: „Warum überhaupt nach Wahrheit suchen?“ Jean Paul Sarte kann uns eine Hilfe sein, dieses Problem zu erfassen. In seinem Essay: „Ist der Existentialismus ein Humanismus?“ in seiner Auseinandersetzung mit der kirkegaardschen Interpretation des Opfers Abrahams konstatiert er: „Ein Engel hat Abraham befohlen, seinen Sohn zu opfern. Alles ist in Ordnung, wenn es wirklich ein Engel ist, der gekommen ist und der gesagt hat: Du bist Abraham, du wirst deinen Sohn opfern.“5 Und kurz darauf: „Wenn eine Stimme sich an mich richtet, so bin ich es immer, der entscheidet, daß diese Stimme die des Engels ist.“ Damit ist gemeint: wüßte Abraham, daß Gott durch den Engel zu ihm spräche, opfere, dann müßte er der Stimme gehorchen, die Erkenntnis, daß da Gott spricht, hebt die Freiheit auf, sich für oder gegen den Gehorsam entscheiden zu können.

Abstrakter formuliert: Ist das Wahre und Gute erkannt, kann der Erkennende sich nicht mehr gegen das als wahr Erkannte entscheiden. Der freie Will folgt der Erkenntnis des Wahren. Wenn also eine Freiheit wieder gewonnen werden soll, muß die Gewißheit des Erkennens in Frage gestellt werden. Ist es ungewiß für Abraham, ob da ein Engel Gottes oder ein Daimon zu ihm spricht, hat er die Freiheit, sich zu entscheiden, ob er glauben will, daß da ein Engel spricht, so daß er der Stimme gehorcht oder daß er urteilt, hier spräche nicht Gott, so daß er nicht zu gehorchen brauche. Unter der Prämisse, daß, wenn das Gute, das Gottgewollte erkannt ist, so dann der Mensch auch nur noch gehorchen kann, kann es nur eine Wahlfreiheit geben, wenn das Gute und Wahre nicht eindeutig erkannt werden kann und jede behauptete Erkenntnis des Wahren, da spräche Gott und fordere, als freie Entscheidung des Menschen aufgelöst wird: Er habe sich frei dazu entschieden, zu glauben, daß da Gott spräche. Hier leuchtet auf einmal die tiefste Furcht des Liberalen vor der Erkenntnis des Wahren auf, es ist die Furcht vor dem Freiheitsverlust. Es ist die Einsicht, daß, wäre die Wahrheit erkennbar, dann so und nicht mehr anders gehandelt werden müßte. Pontius Pilatus könnte, hätte er im Menschen Jesus von Nazareth den Gottessohn erkannt, nicht mehr frei entscheiden, ob er ihn dem Volke ausliefert, um die Volksgunst zu gewinnen oder ob er seinem Gerechtigkeitsempfinden folgt,und den offensichtlich Unschuldigen frei läßt. Die eindeutige Erkenntnis der Wahrheit raubt dem Liberalen seine Freiheit, in Distanz zu allen stehend nur aus sich heraus dies oder das zu präferieren.
Gäbe es eine eindeutig von jedem Menschen als wahr erkennbare Religion, wie könnte dann noch positiv eine Glaubens- und Religionsfreiheit gefordert werden als Grundrecht des Menschen. Sollte es ein Grundrecht auf den Irrtum geben, auf das Recht, bewußt wissend willig die Unwahrheit für sich zu wählen in Gestalt einer eindeutig als falsch erkannten Religion? Die liberale Freiheit erheischt notwendig die Unerkennbarkeit der Wahrheit als Prämisse dafür, daß jeder frei für sich erwählen kann, was ihm als seine Privatwahrheit gelten soll. Und ist die Wahrheit reduziert als das von mir nur für mich Geltende, dann ergibt sich daraus, daß unendliche viele Privatwahrheiten friedlich- lieblich nebeneinander her existieren können, weil kein liberal Denkender verlangen kann, daß seine Privatwahrheit von dem Anderen anerkannt werden muß. Wenn Abbe Roussel definiert: „Der Liberale ist ein Unabhängigkeitsfanatiker; er rühmt die Unabhängigkeit bis zum Absurden“6 dann trifft er damit den Kern dieses Freiheitsverständnisses. Unabhängig ist der Mensch nur, wenn er nicht abhängig ist von etwas. Wenn es etwas Eindeutiges gäbe, wie etwa die Stimme Gottes, die ihm sagt, was wahr und was falsch ist, wie könnte der Hörende da noch sich als unabhängig von der Stimme der Wahrheit behaupten, dem es freistünde, zu wählen, was er zu tun habe. Nur wenn die Stimme nichts Eindeutiges wäre, wenn sie ihre Eindeutigkeit ausschließlich durch meine Entscheidung gewönne,das als Ruf Gottes zu werten, dann wäre der Mensch im liberalen Sinne frei.

Die These, daß das Katholische Christentum nicht im Raume der Vernunft als die wahre Religion erkennbar sei, ja, daß nicht einmal die Wahrheit der Aussage, daß Gott existiert, als wahre der Vernunft einsichtig ist, ermöglicht es erst, Glaubens- und Religionsfreiheit als Grundrecht des Menschen einzuklagen. Denn unter der Prämisse der Nichterkennbarkeit heißt jetzt das Recht der Religionsfreiheit, daß jeder jede beliebige Stimme als Gottes Stimme für sich erwählen und glauben darf. Glauben heißt dann, etwas zum für den Wählenden absoluten Wert zu küren. Und dieses Verständnis des Erwählens schließt jedes kognitive Moment aus: nicht wird etwas als Gott erwählt, weil es als Gott erkannt wurde, sondern es gilt, weil es durch einen rein voluntativen Akt zum Gott erwählt wurde, wird es danach als Gott erkannt. Der reine Willkürvoluntarismus schließt so ein Prä des Erkennens und den Willen als einem dem Erkenntnisalt folgendem danach aus. Gerade deshalb wird hier die klassische scholastische Metaphysik verlassen und folgt man dem spätmittelalterlichem Nominalismus mit seinem Primat des Willens.

Aber die These der Unerkennbarkeit Gottes enthält nun doch eine folgenschwere Aporie. Erinnern wir uns an Platons tiefsinnige Einsicht über die drei Grundaxiome jeder Religion!7 Daß Gott ist, daß Gott sich nicht indifferent zu den Menschen verhält und daß Gottes Gunst nicht leicht zu gewinnen sei. Wird eines dieser drei Axiome bestritten, wird dadurch automatisch die davon betroffene Religion zum Tode verurteilt. Daß die Religion den Tod Gottes nicht überlebt, ist in sich evident. Existiert Gott, gälte aber, daß es Gott gleichgültig ist, wie der Mensch lebt, kann es keine gelebte Religion geben.Nur ein Gott, von dem ausgesagt wird, daß er sich different zum differenten Verhalten der Menschenverhält, ist ein Gott, der es erlaubt, das Religiöse als von Gott Gewolltes vom Nichtreligiösen als dem Nichtgewollten sinnvoll zu unterscheiden. Unter dem Religiösen bzw. Nichtreligiösen sei hier einfach nur verstanden, daß der Mensch Gott verehrt oder nicht verehrt. Ist Gott die Religion aber selbst gleichgültig, ob und wie sie gelebt wird, verliert die Religion ihren theologischen Sinn. Wenn Gott sich nicht indifferent zum Verhalten des Menschen verhält, dann muß der Mensch wissen, was das Gott Gemäße und das Gott Nichtgemäße ist, um überhaupt religiös sinnvoll leben zu können.

Hätte der Agnostizismus Recht und müßte davon ausgegangen werden, daß, wenn es einen Gott gäbe, daß dem Gott dann das menschliche Verhalten nicht gleichgültig wäre, dann wäre die Lage des Menschen hoffnungslos: er müßte religiös sein, könnte es aber nicht, weil er nicht erkennen könnte, was die wahre Religion sei. Aber das wäre dem liberalen Denken eine zu tragische Bestimmung der Situation des Menschen. Der selbst Agnostiker, der sagt, man könne nichts Bestimmtes von Gott aussagen, weiß ganz genau, daß es Gott gleichgültig ist, ob und wie der Mensch von Gott denkt und ob er versucht, gemäß Gott zu leben oder nicht.

Frägt der Lehrer: Und für wen haltet ihr den Jesus? dann ist die Prämisse dieser Frage nicht einfach das Vorurteil, daß letztlich nichts Verbindliches über ihn gewußt werden kann, ob er Gottessohn oder nur ein jüdischer Reformprediger gewesen sei, sondern es wird auch präsumiert, daß es diesem Jesus gleichgültig ist, für wen die Menschen ihn halten und daß es auch keine Folgen für sie hat, ob sie ihn für den Messias oder für einen Rabbi halten. Und so weiß der Agnostizismus einerseits nichts von Gott, weil ihm alle Erkenntnis Gottes eine Verabsolutierung willkürlicher menschlicher Meinungen über Gott ist und andererseits weiß er fast schon fundamentalistisch anmutend, daß Gott ein Gott der Gleichgültigkeit ist. Und das kann entweder sagen, daß Gott als das Göttliche betrachtet entpersona-lisiert sich in keiner Weise als kontingent handelnd zu den Menschen vorgestellt wird oder aber daß gemeint wird, daß er von Natur aus rein natürlich der nur Liebende ist, so daß der Mensch leben kann wie er will, denn nun gilt: Weil Gott immer nur lieben kann, ist dem Menschen alles erlaubt, denn Gott kann nicht aufhören zu lieben, egal wie der Mensch lebt. Das Letztere ist die radicalste Fassung des Gleichgültigkeitsgottes in der dem Menschen liebsten Ausgestaltung. Daran wird deutlich, daß ein Gott, dessen Gunst der Mensch gar nicht verlieren kann, auch automatisch den Tod der Religion hervorruft. Die Aporie ist das völlig ungeklärte Zugleich von Nichtswissenkönnen von Gott und der These, daß man darauf vertrauen dürfe, daß Gott ein Gleichgültigkeitsgott ist, dem es egal ist, ob und wie er verehrt wird. Das Nichtwissenkönnen soll jeden religiösen Wahrheitsgeltungsanspruch dysqualifizieren und die These des indifferenten Gottes soll die Gleichgültigkeit aller Religionen und selbst des Atheismuses begründen. Nur, daß beide Thesen sich wechselseitig destruieren, aber auf keine von ihnen der Liberale verzichtet werden kann, um der liberalen Freiheit willen. So aporetisch so dieser Ansatz in sich selbst ist, so plausibel ist er dem Zeitgenossen, der um des Friedens und der Freiheit willen keine Erkenntnis des Wahren will und der zugleich die Gleichgültigkeit des Wahren als gewisse Erkenntnis will, daß es gewiß sei, daß Gott es gleichgültig sei, ob und wie er verehrt wird, damit er unbeschwert sich in Distanz zu jeder Religion verhalten kann. Aber das so Plausibele ist das Absurde dieser lauen liberalen Existenz.

Jetzt wird auch einsichtig, daß in allen lebenspraktisch relevanten Bereichen auch die enthusiastischten Erkenntniskritiker genau wissen, was wahr und was falsch ist und es auch genau wissen wollen und daß nur in dem Reiche der letzten Fragen im metaphysischen Sinne sie Liebhaber des Skeptizismuses und Agnostizismuses sein wollen, um hier jeder verbindlichen Entscheidung aus dem Wege gehen zu können. Jesus steht vor Pontius Pilatus und ist froh, daß er nicht erkennen kann, ob dieser Mensch die Wahrheit ist oder ob er es nicht ist, weil er so frei nach seinen Interessen mit Jesus umgehen kann, wie er es will. Der Liberale will darin ein wahrer Pilatusnachfolger sein.

Aber was macht der Liberale mit dieser so gewonnenen Freiheit? Pilatus macht sich zum Diener der Volksstimmung; ihm gilt: Vox populi vox Dei. Und das ist auch das Ende liberaler Kirchentheologie: Der Philosoph P. Sloterdijk hat es prägnant auf den Begriff gebracht, indem er konstatiert, daß die (post)moderne Theologie nach den Gesetzen des Marktes produziert wird: gedacht und gelehrt wird, was beim Konsumenten ankommt und die Wahrheit einer theologischen Aussage ist seine Verkaufbarkeit auf dem freien Meinungsmarkt.8 Wahr ist, was gefällt, was ankommt. Damit das zur kirchlichen Praxis werden kann, muß die Vorstellung eines sachgemäßen Bezuges jeder theologischenAussage aufgegeben werden und geglaubt werden, daß Gott jede Gottesaussage gleichgültig ist, so daß nun nur noch das Konsuminteresse zählt. Diese Ausrichtung auf den Markt läßt dann die so lieb gewordene liberale Freiheit wieder untergehen im Meer der Zwänge der Marktgesetze. Fast jedes „Bildungsprogramm“ Katholischer Exerzitienhäuser zeigt den Triumph dieser liberalen Marktfreiheit.Da wird alles angeboten, was gefällt, ganz unfreiwillig dem Marktgesetz der Konsumnachfrage folgend. Und diese Marktausrichtung der Theologie verlangt Theologen, die selbst ein laues Verhältnis zu ihrem eigenen Denken einnehmen: ich denke das so, könnte es aber auch ganz anders denken und respektiere es so, daß jeder in theologischen Fragen so denkt, wie es ihm beliebt.

1 Arnim Mohler: Gegen die Liberalen, in: Liberalenbeschimpfung 1990 S.132.
2 Heinrich R.Robben: Der Mensch steht im Zentrum KU 2/2007 S.15f.
3 Vgl: die im Gewande postmodernen Denkens vorgetragene Kritik der Möglichkeit realistischer sachgemäßer Erkenntnis: J.F. Lyotard: Das postmoderne Wissen 1986
und: J.F.Lyotard. Der Widerstreit 1987.
4 Vgl zum Selbwiderspruch eines erkenntnistheoretischen Skeptizismuses: E.Hirsch
Deutschlands Schicksal 1925 die Kritik Nietzsches S.9-14.
5 J.P. Sartre: Ist der Existentialismus ein Humanismus? in: Drei Essays 1981 S.16.
6 Zitiert nach: Heinrich R.Robben: Der Mensch steht im Zentrum KU 2/2007 S.16.
7 Platon, Nomoi 885 b Als Auslegung lesenswert: P.Sloterdijk, Sphären II, Der ontologische Kugelbeweis 1999 S.355- 428.

8 Vgl: P.Sloterdijk, H.J.Heinrichs: Die Sonne und der Tod 2001 S.33f.