Sonntag, 28. Dezember 2014

Legitimer bewaffneter Widerstand nach dem Katechismus?

Widerstandsrecht gegen den Staat?
Verblüffendes im Katechismus

Im Katechismus lesen wir unter Nr 2243: Bewaffneter Widerstand gegen Unterdrückung durch die staatliche Gewalt ist nur dann berechtigt, wenn gleichzeitig die folgenden Bedingungen erfüllt sind:(1) daß nach sicherem Wissen Grundrechte schwerwiegend und andauernd verletzt werden; (2) daß alle anderen Hilfsmittel erschöpft sind; (3) daß dadurch nicht noch schlimmere Unordnung entsteht; (4) daß begründete Aussicht auf Erfolg besteht und (5) daß vernünftigerweise keine besseren Lösngen abzusehen sind.
Weht uns da ein Hauch von Anarchie entgegen? Aber langsam! Die erste und uns am meisten bedrängende Frage: wer entscheidet denn, ob die Punkte 1-5 in einer bestimmten Situation gegeben sind oder nicht? Der einzelne Christ-oder die Ortskirchen in dem betreffenden Gebiet oder zentral Rom für die Christen in dem in dieser Lage sich befindenden Gebiet ? Läge es in der Entscheidungskompetenz des Einzelchristen-wäre damit nicht der Willkür Tür und Tor geöffnet?Aber es ist wohl zu vermuten, daß hier der Einzelchrist gemeint ist. Ich gehe mal davon aus, daß diese Aussage vor dem Hintergrund des nationalsozialistischen Staates geschrieben worden ist unter der Doppelfrage: war es legitim, daß Christen sich an einem gewaltsamen Umsturzversuch gegen Hitler beteiligt haben und hätten nicht Christen sich -mehr-an solchem Widerstand beteiligen sollen angesichts des Charakters der nationalsozialistischen Diktatur. Dann stünde wirklich der Einzelne mit seinem Gewissen vor der Entscheidung. Oder man müßte meinen, daß die Kirche in Deutschland selbst zum Widerstand hätte aufrufen sollen! 
Um die Problematik der fünf Punkte zu verdeutlichen, wähle ich jetzt als Fallbeispiel die Abtreibungen in Deutschland. 
Zu Punkt 1: unbestreitbar ist, daß das Grundrecht auf Leben den abgetriebenen Kindern verweigert wird und daß staatliche Gesetze diese schwerwiegende Grundrechteverletzung ermöglichen und daß dies auch in quantitativer Hinsicht keine Einzelfälle sind. 
Zu Punkt 2: Wie soll ermessen werden, ob alle Hilfsmittel des Protestes gegen diese staatliche Praxis "ausgeschöpft" sind? Man könnte urteilen, daß eine Demonstration gegen diese Tötungspraxis durch eine zweite und dritte Demonstration ergänzt werden kann, sodaß das Mittel der Demonstration nie ausgeschöpft sein kann, weil nach jeder durchgeführten eine weitere durchführbar ist. Genauso könnte man über das Mittel des Aufrufes gegen die Wahl von Abtreibungsbefürworten argumentieren. Weil eine Maßnahme gegen die "schwerwiegende" Grundrechtsverletzung prinzipiell immer wiederholbar ist,kann dieses Mittel nie ausgeschöpft werden. Dann könnte man aber auch urteilen, daß Christen im Nationalsozialismus das Mittel des Gebetes hätten nutzen sollen und da dieses Mittel nie ausschöpfbar ist, hätte man nie zum Mittel der Gewalt greifen dürfen. Das ist aber nicht im Sinne einer politisch korrekten Theologie. 
Also kann das Argument der beliebigen Wiederholbarkeit keines sein gegen die These, daß alle nichtgewaltsamen Mittel ausgeschöpft seien. Es müßte der Zusatz folgen, daß es keine Aussicht auf Einstellung der schwerwiegenden Grundrechteverletzung gibt für den Fall, daß die bisherig angewandten Mittel weiterhin praktiziert werden. Dann könnte ein Lebensrechtler urteilen: nachdem wir 500 Demos gegen die Abtreibung durchgeführt haben und bei jeder Wahl aufrufen, keine Abtreibungsbefürworterpartei zu wählen und all dies nichts gefruchtet hat, ist Punkt 2 erfüllt.  Das Gegenargument käme stehenden Fusses: die Gegner dieser Praxis müssen eben in einem demokratischen Staate die Mehrheit der Wähler von ihrer Position überzeigen, und dürfen nicht zum Mittel der Gewalt greifen, weil die Demokratie hinrechend genug Mittel zum Protest bereitstellt.Damit kämen wir zu dem Ergebnis, daß in keiner Demokratie es ein solches Recht auf bewaffneten Widerstand geben kann. 
Nehmen wir jetzt ein aktuelleres Beispiel: eine bekannte ukrainische Politikerin, prowestlich hatte die Ausrottung aller Russen in der Ukraine gefordert. Sie wollte dazu gar Atombomben einsetzen. Jetzt hat die russische Bevölkerung die Flucht nach vorne angetreten und will die fast rein russisch bewohnten Gebiete der Ukraine aus diesem Staat lösen, um sich Rußland anzuschließen. Dürfen die das? Unsere Zeitungen urteilen: Nein! und verteufeln die Separatisten und den russischen Staatsmann Putin, der seinen bedrängten Landsleuten zur Hilfe kommt. Wäre es in diesem Fall erlaubt, per Gewalt sich vor dem antirussischen Staat der Ukraine zu schützen? In den westlichen Medien dagegen lautet der Tenor, daß die staatliche Souveränität der Ukraine nicht in Frage gestellt werden dürfe und russische Separatisten, die militant vorgehen, im Unrecht seien. Zudem sei diese Drohung mit der Ausrottung auch nicht ganz ernst gemeint!  Eine verworrene Lage, die nun die Gefahr eines Krieges in Europa heraufbeschwört, weil die neue ukrainische Staatsregierung eine antirussische Politik betreiben will, mit westlicher Unterstützung. Aber die Ukraine ist ein demokratischer Staat-nur eben einer, in der die Mehrheit der Ukrainer die Minderheit der Russen diskriminieren will und das ganz demokratisch vollzieht. Demokratie ist, wenn zwei Wölfe und ein Lamm darüber entscheiden, was es zu Mittag zu essen gibt. Und die angetriebenen Kinder in Deutschland sind die Lämmer, die eben ganz demokratisch getötet werden-ohne eine Chance auf Widerstand.
Zum dritten Punkt: Es ist eine Einschätzungssache, ob durch ein erfolgreiches Attentat auf Hitler noch schlimmere Unordnung entstanden wäre oder nicht. Wäre das das Kriterium für das Recht auf einen bewaffneten Widerstand, hätte man wohl auf ein Attentat auf den Führer verzichten müssen, weil die Folgen nicht eindeutig absehbar waren. Das gilt so auch für die Punkte 4 und  5.So kämen wir zu dem Ergebnis, daß realistisch gesehen nie eine Situation eintritt, in der ein bewaffneter Widerstand erlaubt sei.  Und theologisch ließe sich immer sagen, daß das Gebet, das viel vermag, weil wir auf einen barmherzigen Gott vertrauen, immer eine bessere Lösung ist, als die, Gewalt gegen die Obrigkeit anzuwenden. 
Irritierend ist dabei,daß der Katechismus es unterläßt, die paulinische Staatslehre, Röm 13 zu würdigen, daß alle Obrigkeit von Gott ist und so erstmal jeder Widerstand gegen sie ein Tun wider Gott ist. 
Es drängt sich so der Verdacht auf, daß um der politischen Korrektheit willen, daß ein gewaltsamer Widerstand gegen Diktatoren moralisch  erlaubt sein müsse, hier Formulierungen  entstanden sind, die so eigentlich nicht in einem Katholischen Katechismus stehen dürften!  Das Urteil mag hart klingen, aber müßte nicht die Frage, wer entscheidet, ob die Punkte 1-5 erfüllt sind, unbedingt eindeutig geklärt werden und daß das gewiß nicht in die Kompetenz des Einzelchristen fällt, sondern eher in  die der betroffenden Bischöfen oder die des Papst selbst. Denn sonst könnte doch jeder, wenn er in einem Staate gravierende Menschenrechtsverletzungen wahrnimmt und sieht, daß alle nichtmilitanten Mittel nicht zum Erfolg führen, den bewaffneten Widerstand ausrufen! 

                     



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