Montag, 3. November 2014

Warum Wahrheit plötzlich nicht mehr erkennbar sein soll

Ein Versuch über die Krise der Kirche als Folge einer „problematischen“ Theologie

Oder: Die Lust am Skeptizismus; Wahrheit war gestern und Wahrheitserkenntnis führt zum Fundamentalismus.


These: Das Unbehagen der Postmoderne an der Vorstellung einer erkennbaren und erkannten Wahrheit als Bedrohung von Freiheit ist die Luft, in der wir Heutigen leben und atmen- diese Luft ist tödlich für die Theologie und die Kirche.

Den Emergenzpunkt bildet die Erfahrung des innerchristlichen Religionskrieges des 17. Jahrhundertes- für Deutschland der 30 jährige Krieg. Die philiosophische Aufklärung, deren Höhepunkt wir in Kant vor Augen haben, stellt den Versuch der Domestikation der christlichen Religion durch die Vernunft dar, indem alle kontroverstheologischen Fragen zwischen den christlichen Konfessionen als gegenstandslos entwertet werden durch den Glauben an die drei Postulate der Praktischen Vernunft: Gott, Seele, Freiheit.Alles andere wird einer ekenntnistheoretischen Kritik unterzogen, um als nicht glaubwürdig und irrelevant ausgelöscht zu werden. Religion wird so auf die natürlich-vernünftige Religion reduziert, und die positiven Religionen aufgefordert, sic auf das Vernünftige -Natürliche zu reduzieren. Die theoretische Vernunft wird dabei in ihrem Vermögen auf Wahrheitserkenntnis radical reduziert, damit es der praktischen Vernunft vorbehalten bleibt, die denknotwendigen drei Postulate als Konsens aller positiven Religionen zu ergründen. Das ist sozusagen eine radicale Konsensökumene mit dem Ziel der Beseitigung aller Religionskontroversen.

Die Glaubensinhalte jeder positiven Religionen sollen dabei als aus erkenntnistheoretischer Sicht nicht legitiemierbare und nicht glaubwürdige Inhalte entwertet werden, damit nur diese drei Postulate der praktischen Vernunft übrigbleiben. Wahrheit soll nicht mehr erkennbar sein, damit nicht Wahrheiten als erkannte als Argument zum Konflikt mit den Andersgläubigen genutzt werden können. Das Cristentum wird so pazifiziert, indem all seine spezifiscen Glaubensinhalte als unglaubwürdige desavoiert werden. Das Übervernünftige wird zum Unglaubwürdigen. Ob der Erfahrung konkurrierender Wahrheitsansprüche mit ihrem Konfliktpotential wird die Vorstellung einer erlennbaren absoluten Wahrheit zur Bedrohung der Freiheit und des Friedens.

Wenn die Wahrheit erkennbar wäre, wie könnte dann ein Mensch noch anderes wollen als die Wahrheit. Wird seit dem Nominalismus Freiheit verstanden als Willkürwahl des So oder So-Nicht-Wollens, so verunmöglichte eine erkannte Freiheit diese Willkürfreiheit des beliebigen Auswählens. Und so urteilt dann auch Kunze: erst wenn es keine erkannte Wahrheit mehr gibt, wird es Freiheit geben „Wenn die letzte Wahrheit aus dem Felde geschlagen und die Illusion der Erkennbarkeit von irgend etwas zwischenmensclich endgültigem Wahrem begraben wird,werden wir frei sein.“1

Wenn die Theologie eine auf Wahrheitserkenntnis ausgerichtete Wissenschaft ist, so steht sie damit der philosophischen Aufklärung und der Postmoderne diamentral entgegengesetzt, weil sie als wahr ergründet, den Glauben der Kirche, die Glaubensinhalte, die aus Sicht der Aufklärung und der Postmoderne als nicht wahrheitsfähige zu dysqualifizieren sind. Die Postmoderne ist in dieser Hinsict zu deuten als Radicalisierung der Aufklärung, indem nun alle behaupteten erkannten Wahrheiten als freiheitsbedrohend kritisiert werden und als Negation der Aufklärung ob ihres erkenntnistheoretischen Agnostizismuses Nietzsche darf wohl als geistiger Urheber der Postmoderne angesehen werden mit seinem Urteil, daß uns vor lauter Interpretationen der Interpretation die Wahrheit als Urtext verstanden entschwunden ist. Jeder Wahrheitsanspruch ist so nur ein Produkt des Willens zur Macht und ein Mittel im Kampfe um Macht.

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These: die wissenscaftlice Theologie verbindet sich so mit philosophiscen Erkenntnistheorien, die prinzipiell eine Erkenntnis des Übernatürlichen, der geoffenbarten Wahrheiten für unmöglich beurteilt, um a) einen Beliebigkeitspluralismus in der Kirche zu ermöglichen und um b) so alle Geltungsansprüce der Theologie aufzulösen, sie so zu pazifizieren, weil dem postmodernen Denken Wahrheitsansprüche nur Manifestationen eines Willen+ zur Macht sind.


Mustergültig exerziert dies der Präses der EKD, wenn er in Anlehnung an Bonhoefer erklärt, daß das urchristlice Bekenntnis, Jesus ist der Christus um des Neins zur Judenmission wegen in Frage zu stellen sei. Es sei möglich, daß Jesus nicht der Messias sei, sondern daß Juden und Christen gemeinsam auf einen anderen warten und hoffen! Wäre Jesus als Christus erkennbar, dann könnte schwerlic auf die Judenmission verzichtet werden, weil er so ihr Messias sei.Aber die historisch- kritische Methode zeige, daß die Identifikation von Jesus mit dem Messias eher eine nachösterlice Gemeindebildung sei und so nicht für uns verbindlich. Um des Friedens mit den Juden willen soll nun das Bekenntnis, Jesus sei der Christus revoziert werden-ja, es ist gut, daß Jesus nicht eindeutig erkennbar sei, denn so bleibe uns die Freiheit, diese Frage offenzuhalten-ja selbst im Himmel sollten wir nicht wissen wollen, ob wir Christen oder die Juden recht gehabt hätten um des himmlischen Friedens willen. Träte Jesus im Himmel zu einem Christen und Juden und sagte, er wolle nun offenbaren, ob er der Messias sei oder auch nicht, sollte der Christ mit dem Juden zusammen erklären: auf Erden wußten wir es nicht und lebten deshalb gut miteinander, so wollen wir es auch nicht im Himmel wissen; merke: Unwissenheit macht frei, Erkenntnis bedroht die Freiheit, so der Präses der EKD!

Es ist so kein Zufall, sondern Absicht, wenn die nachkonziliare Theologie, dem Geiste des Modernismus folgend alle skeptizistisch-agnostizistiscen philosophischen Lehren ihr Gehör verleiht und alle anderen als nicht mehr zeitgemäß-nicht als nicht sachgemäß- verurteilt.Das Kriterium der Zeitgemäßheit hat das der Sachgemäßheit ersetzt.

These: Zu wenig Beachtung ist bisher in der Theologie der These P. Sloterdijks geschenkt worden, daß die heutige Theologieproduktion gemäß den Gesetzen des freien Marktes sich gestaltet, weil die Kirche nicht mehr ein „Monopolbetrieb“ sei, wie es das Christentum in der Konstantiniscen Epoche (von Kaiser Konstantin bis Kaiser Wilhelm) war. Marktwirtscaftlich heißt: die Verkaufbarkeit bestimmt, was gelehrt und produziert wird, nicht der Sachwert, also der Wahrheitsgehalt. Damit zum einzigen Kriterium des: Was hat die Kirche heute zu sagen der Verkaufswert werden kann, muß die traditionelle Theologie ihres Wahrheitsanspruches enthoben werden, um ganz aufzugehen in der Frage: was kommt heute an? Marktanalyse und Kundenbefragung, was glauben die Heutigen?, ersetzt dann die theologisce Wahrheitssuche.

Als vorzüglichstes Mittel zur Desavoierung aller Geltungsansprüche erweist sic die dabei die historisch-kritische Methode.

Die schlicte Tatsace, daß jede theologische Aussage in einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort getätigt worden ist, wird zur Kritik, daß diese Aussage so zeit-und raumbedingt ist, daß sie der Ausdruck dieser Zeit sei, aber keinen Sachgehalt enthält: Theologie manifestiere nur in wissenschaftlich abgehobener Sprache die Frömmigkeitsvorstellungen eines Individuumes, einer sozialen Gruppe oder einer Epoche, aber sind keine Sachaussagen über Gott oder Übernatürliches.Gott und alles Übernastürliche wird dabei zum prinzipiell Unbegreifbaren und das soll dann auch das Wesen Gottes ausmachen. Ein begriffener und erkannter Gott wäre kein Gott, so die Vulgärmeinung. Die höchste Einsicht wäre die in die Unbegreifbarkeit Gottes. Statt Erkenntnis gibt es dann nur noch subjektive Gotteserfahrungen, die nur Geltung für das Subjekt, der diese Erfahrung gemacht hat, hat- jede Universaliisierung dieser Erfahrung zur Erkenntnis wäre so schon ein Mißbrauch der eigenen Erfahrung.

Die historisch-kritische Methode in der Exegese ist das legitime Kind der reformatorischen Infragestellung der Geltungs- und Wahrheitsansprüche der kirchlichen Tradition im Namen der alleinigen Autorität der hl. Scrift. Ihre Negativfunktion, die der Dysqualifizierung aller kirchlichen Traditionen überträgt nun diese Methode auf die hl.Scrift selbst, indem nun selbst in ihr zwischen dem ursprünglichsten Text und seiner Übermalung durch zweite Hände unterschieden wird. Der Generalverdact wider die Kirche erhebt sich nun wider die Schrift selber, daß sie das ursprünglich Jesuanische (absichtlich /unabsichtlich) verfälscht habe, so daß nur noch der zu eruierende Urtext Wahrheitsansprüche gelten machen darf. Für Nietzsche ist so Paulus der Verfälscher, für Luther Jakobus; alle Wunder Jesu seien nachösterliche Gemeindeerfindungen usw. Ja, Jesus war selbstredend erst nur ein Mensch, seine Vergöttlichung bis zu seinem Karrierehöhepunkt im Avancieren zur 2.Person der Trinität nur eine nachösterliche (Fehl)Entwicklung). Überhaupt sei die Kirchengeschichte.in Gänze nur ein Abfall vom Ursprünglichen: Jesus verkündete das Reich Gottes, es kam aber die Kirche und der verdogmatisierte Christus- so die linksliberale Exegese, die konservativere versucht diese Entwicklung dann irgendwie als zeit-und sachbedingt zu rechtfertigen trotz der offenkundigen Differenz von Jesus zum verkündigten Christus der Kirche.

In philosophischer Hinsicht ist das die Frucht der Bejahung eines prinzipiellen erkenntnistheoretischen Skeptizismusses, daß der Mensch wie scon Pilatus es andemonstriert, bei der unbeantwortbaren Frage: Was ist Wahrheit?, stehen bleiben muß.

Konterkarriet wird dieser Agnostizismus aber durch den Einfluß der Ideologie der politischen Korrektheit: nach ihr muß und darf von Gott nur ausgesagt werden, daß Gott als Liebe ein Gott der Gleichgültigkeit ist. Ihm ist jede Religion gleich-gültig und auch den Atheisten liebt er, sofern der politisch korrekt lebt. Woher sic aber diese Gotteserkenntnis begründet, bleibt unerklärlich, wenn man den Grund dieser Gotteserkenntnis nicht erkennt in ihrer Funktionalität zur Ermöglichung einer multikulturellen-multiethniscen Gesellschaft. Diese Gottesvorstellung ist die der Ideologie der Multikultigesellschaft und ist die Gottesvorstellung der Theologie, die sic der Ideologie der politischen Korrektheit unterwirft.

Die politische Korrektheit im Verbund mit der Holocaustreligion ist die öffentliche Religion der Postmoderne, die als Privatreligionen, vereinsmäßig organisiert, nur die anerkennt, die den Primat der öffentlich-politischen anerkennen. Unter der Parole, wider jede Art von „Integralismus“ verteidigt die zeitgenössische Theologie ihren Rückzug in eine Privatexistenz bei gleichzeitiger Anerkennung des Primates der politischen Religion der politischen Korrektheit. Als so anerkannte Privatreligion darf sie dann als Gegenleistung am öffentlichen Diskurs teilnehmen als eine beliebige Meinung neben anderen.Die Affaire: Williamson demonstrierte dabei, daß von allen Christen, wollen sie weiter legitime Teilhaber des öffentlichen Diskurses sein, die Vorgaben der politischen Korrektheit zu bejahen sind und daß auch nur Kirchenmitglied sein darf, wer diese Ideologie bejaht. Der Skandal eines reformierten Pfarrers in den Niederlanden, der predigte: Gott gibt es nicht! , und der trotzdem nach einem Synodenbeschluß der dortigen Kirche weiter Pfarrer sein kann, weil dessen gepredigter Atheismus nicht die Glaubensgrundlagen der Kirche beeinträchtigt, zeigt, daß für diese Kirche der letzte Maßstab der Zugehörigkeit zur Kirche nur noch die Anerkennung der Religion der politischen Korrektheit ist. Gott darf man leugnen, nicht aber reden wie Bischof Williamson! Die EKD erwägt, politisch Rechtsstehende auszuschließen, bzw. kirchenrechtlich zu fundieren, daß Recte ausgeschlossen werden können, weil sie politisch rechts sind. Die politische Gesinnung ist wichtiger als der Glaube. So ist der Verzicht auf die Judenmission wie auch der faktische Verzicht der Kirche auf jede Mission unter Andersgläubigen ein Zugeständnis der Kirche und der Theologie an die öffentliche Religion der Multikulturellen Gesellschaft. Mission mit ihrem Willen zur Einheit in der wahren Religion und in der einen Kirche wird als Angriff auf das Ideal der Multikulturalität gesehen und so verurteilt.

Daß die Kirche faktisch  auf jede Art von Mission verzichtet und sie durch die Sozialdiakonie und Individualdiakonie ersetzt hat, war aber auch nur möglich, weil in der Fundamentaltheologie der Erweis der Wahrheit der christkatholischen Religion als nicht mehr erbringbar angesehen wird und weil man de facto davon ausgeht, daß im Prinzip jeder Mensch von Gott unabhängig von seiner Religion geliebt wird.

Die Menschenrechtsideologie, daß Niemand ob seiner Religion diskriminiert werden dürfe, wird dabei einfach auf Gott übertragen: was kein Staat darf, Menschen ob ihrer Religion diskriminieren, das darf und kann Gott auch nicht. Die Anerkennung der Religionsfreiheit läuft so auf die Anerkennung aller Religionen und des humanistisch sich gebenden Atheismus als gleich-gültig hinaus. Woher man aber weiß, daß Alles gleichgültig ist, wenn man doch zugleich dem Skeptizismus applaudiert ist völlig unbegreiflich, wenn man die theoretische Vernunft befrägt, aber wird verständlich, wenn man es als ein Postulat der notwendigen Voraussetzungen der multikulturellen Kommunikationsgesellschaft begreift.
( in Anlehnung an Habermas Kommunikationstheorie) „Wie müssen wir Gott denken, damit die Gottesvorstellung nicht dysfunktionsal wird für das Funktionieren dieser Gesellschaft?“
Das ist zusagen der Alternativgott zu Platons Gottesvorstellung nach den Gesetzen: Wie ist Gott um der Moral willen zu glauben: daß er ist, daß er sich nicht indiffferent zum menschlicen Verhalten verhält und daß seine Gunst nicht leicht erringbar sei.

1Kunze, Klaus, Mut zur Freiheit-Ruf zur Ordnung. Der schmale Pfad zwischen Fundamentalismus und Nihilismus, 1995, S.144.   

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