Samstag, 29. November 2014

Die Kirche und der Islam

Der Papst und der Islam
Irritationen und Verwirrungen

Befremdliches hören und lesen wir. Der hl. Vater sprach in der Türkei in eigentümlicher Weise über und zum Islam. Da erwähnt er „Extremisten“ und „Fanatiker“, die Andersgläubige um ihres Glaubens willen umbringen, aber er erwähnt mit keinem Worte, daß es islamische „Extremisten“ und „Fanatiker“ sind. Er meinte damit den Terror des „Islamischen Staates“ und anderer Islamisten, aber er sagt es nicht. Stattdessen spricht er als Oberhaupt einer Religion zu den Führern anderer Religionen, insbesondere des Islam,daß Gewalt kein Mittel der Religion sein dürfe. Aber wie nun, wenn andere Religionen das anders sehen, wenn für sie die Gewalt ein legitimes Mittel ist?
Angefangen haben die Irritationen ja schon mit der konziliaren Erklärung: „Nostra aetate“ zu den nichtchristlichen Religionen. Mit einem Paukenschlag beginnt die Darlegung des Verhältnisses der Katholischen Kirche zur islamischen Religion. „Mit Wertschätzung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den einzigen Gott anbeten, den lebendigen und für sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde“. (DH 4179) Eine Frage drängt sich uns hier geradezu gewaltsam auf. Warum urteilte hier Jesus Christus so völlig anders? Geben wir ihm das Wort : „Wer den Sohn nicht ehrt, ehrt auch den Vater nicht, der ihn gesandt hat“.
(Joh. 5, 23b) Eindeutiger kann es der Heiland doch nicht sagen.Es ist nicht so, daß wir Christen, so wie die beiden anderen monotheistischen Religionen Gott anbeten und ehren, den Gott Abrahams und dann in Differenz zu ihnen noch zusätzlich den Sohn und den Hl. Geist, als Zusatzprogramm, sodaß wir urteilen könnten: in der Sache sind wir eins, wir wie ihr seid Monotheisten und unser Zusatzprogramm ist nicht so wichtig. Nein, es ist geradezu ein Herzensanliegen des Heilandes, klar das Verhältnis der christlichen Gottesverehrung zu der jüdischen, und damit zu allen anderen rein monotheistischen Gottesverehrungen zu bestimmen. Sie beten in ihren Synagogen Gott nicht an, sie ehren ihn da nicht, lautet das eindeutige Urteil des Lehrers der Wahrheit.
Religionsphänomelogisch könnten wir das ganz anders sehen: alle Religionen ehren und beten irgendwie Götter an und damit sind sie immer auch wahr, weil in ihnen Götter angebetet werden. Wahrer dagegen sind alle monotheistischen Religionen, weil sie die Erkenntnisstufe, daß es nur einen Gott gibt, schon erstiegen haben. Die volle Wahrheit wäre dann erst die christliche Gottesverehrung, aber vom Polytheismus bis zum Monotheismus gäbe es eben Stufen, die immer näher zur wahren Gottesverehrung hinaufführten! Aber dies Stufenmodell würde immer noch die Intention in sich tragen, daß alle, auf welcher Stufe sie auch sich befinden, daß sie emporsteigen zur höchsten Erkenntnis Nur in der Vemittelung der höchsten Erkenntnis würde die Mission immer anknüpfen an dem Erkenntnisstand der schon erreichten Stufe. Aber nichts davon. Stattdessen lesen wir: „fordert das Hochheilige Konzil alle auf, daß sie sich,[...]aufrichtig um wechselseitiges Verstehen mühen und gemeinsam soziale Gerechtigkeit, sittliche Güter und auch Frieden und Freiheit für alle Menschen schützen und fördern.“ (DH 4179).
Nicht das Ringen um die wahre Gotteserkenntnis soll das Ziel und der Inhalt des Dialoges zwischen dem Islam und dem Christentum sein-nein, man solle sich darauf beschränken, wechselseitig sich zu verstehen! Und dann schauen wir auf auf das große Ziel des interreligiösen Dialoges: Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit und sittliche Güter. Offenkundig haben diese hehren Ziele mit dem Besonderen der christlichen Religion nichts zu tun-es reiche die Gemeinsamkeit eines monotheistischen Glaubens aus, um gemeinsam für Frieden und Gerechtigkeit und Freiheit zu arbeiten. Das höchste Ziel der Religionen ist somit der weltliche Friede in Freiheit und Gerechtigkeit. Und dazu ist die christliche Religion als christliche eigentlich überflüssig-es reichte ein auf einen einfachen Monotheismus reduziertes Christentum.
Warum hat das die Kirche nicht schon immer gewußt, daß das höchste Ziel die Humanisierung der Welt die Aufgabe der christlichen und aller nichtchridstlichen Religionen ist und daß man dies hehre Ziel auch mit Atheisten zusammen erstreben könne, denn das wäre ja das summum bonum des Menschen.
Ach, wie wunderbar hätten da doch die Urchristen, statt Juden zu missionieren sagen können: Wir glauben als Christen und Juden an den einen Gott und nun wollen wir uns gemeinsam für eine friedliche und gerechte Lösung des Problemes der Unterdrückung des Volkes Israel durch die Römer einsetzen-gemeinsam Frieden und Gerechtigkeit hier erwirken! Und der Apostelfürst Paulus hätte, statt den Gott Jesu Christi den Athenern zu verkündigen, ausgerufen: Laßt uns gemeinsam Athen und die Römische Welt humanisieren, auf daß in ihr Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit erblühe. Was für Sternstunden gelebter Humanität sind uns entgangen, weil da so „Fundamentalisten“ Jesus Christus als die Wahrheit verkündeten, statt Beiträge zur Humanisierung der Welt zu liefern, daß jeder in seiner Religion bleibe und alle gemeinsam die Welt optimieren.
Das böse Wort der „Weltbeglückiungsökomene“ drängt sich da unvermeidlich auf! Und mehr hat der hl. Vater in der Türkei über und zu dem Islam auch nicht zu sagen.Einfacher gesagt: irgendwie glauben wir doch alle an den selben Gott und jetzt machen wir „Weltbeglückung“. Seltsam nur, daß der Heiland von diesem Projekt gar nichts wußte, daß es die vorrangigste Aufgabe der Kirche sei, in Cooperation mit den allen anderen monotheistischen Religionen Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit universal zu verwirklichen! Und daß um dieses großen Zieles willen so Belanglosigkeiten wie die, daß Jesus Christus die Wahrheit ist, ruhig bei Seiten gelegt werden kann. Ja, ich frage mich, wozu wir denn überhaupt die Offenbarung Gottes in Jesus Christus gebrauchen, wenn es uns als Christen nur noch um so rein weltliche Belange geht, wie das der Humanisierung der Welt?
Verbildete eingefleischte Verschwörungstheoretiker würden hier wohl ein oder das Projekt des Freimeurertums wittern: alle Religionen für gleichgültig zu erklären und sie, alle Religionen dem großen Ziel der Welteinheit mit einer Welteinheitsregierung und einer Welteinheitsreligion unterzuordnen. Aber solche Spekulationen wollen wir hier auf sich beruhen lassen.Wir wenden uns einfacheren Fragen zu. Meinen die Oberen der Katholischen Kirche mit ihren Experten für den interreligiösen Dialog wirklich,was sie da so von sich geben? Klingt es nicht irgendwie wie eine Lobrede auf den Vegetarismus, von Schafen vorgetragen im Angesichte hungriger Wölfe, um es mal bildlich auszudrücken? Daß da nicht eine Realität beschrieben wird, sondern herbeibeschwört werden soll, könnte die Wahrheit solcher performativer Sprechakte sein. Der König sagt: „Du bist mein Minister!“, nicht weil der so Angesprochene es ist, sondern damit er es durch diesen ausgesprochenen Satz wird! Denn zu offenkundig ist es doch, daß der Islam seine eigene Vorstellung von der zukünftigen Weltgetaltung hat, daß eben die ganze Welt islamisch werden soll. Von diesem Ziel scheint der Islam noch weit entfernt zu sein, ja er erscheint ja uns eher in Anlehnung von Ernst Noltes Islamstudie eine reaktive Widerstandsform gegen den westlichen Imperialismus zu sein, dem unbedingten Willen, die ganze Welt zu verwestlichen.( Ausdrücklich möchte ich hier auf die sehr feinsinnige Studie von Ernst Nolte: Dritte radikale Widerstandsbewegung: der Islamismus verweisen!) Man verwechsele Verwestlichung nicht mit Verchristlichung der Welt-das war die Idee des konstantinischen Zeitalters, des Thron-und Altarbündnisses, theologisch grundgelegt in der Bulle: Unam Sanctam“ Papst Bonifatius VIII. (DH 870-875).Andere Mächte erstreben jetzt die Weltherrschaft: bis zur Implosion 1989 der Kommunismus und jetzt der angloamerikanische Imperialismus in der Gestalt des Globalisierungskonzeptes .Die Katholische Kirche dagegen gehört zu den Verlieren: sie versucht nur noch, sich zu bewahren gegen die Anstürme ihrer vielen Feinde. Dem Islam gegenüber würde so eine klassische Appeasementpolitik betrieben: nachgeben und nachgeben und so viel wie möglich zu retten vor dem sich revitalisierenden Islam.
Um diese komplexe Konzeption mal etwas allgemeiverständlich auszudrücken:man stelle sich einen Senioren im Zugabteil vor, er hat gerade mühsam seinen Rollator abgestellt und sich hingesetzt, da kommen zwei junge Männer, wohl gerade aus dem Fitnesscenter, vor Kraft kaum noch laufen könnend-sie stecken sich Zigaretten an und rauchen genüßlich. „Meine Herren, das Rauchen ist in Zügen nicht mehr erlaubt!“, äußert unser Rentner, vorsichtig und leise. Die geballte Faust wird ihm darauf entgegengehalten. „Bitte, meine Herren, Gewalt ist doch keine Art, die Probleme zwischen Rauchern und Nichtrauchern zu lösen. Wir könnten doch vernünftig drüber reden!“ Aber was interessiert den Gewaltmenschen die Vernunft? Er vertraut auf die Durchschlagskraft von durchtrainierten Armen und Fäusten. „Halts Maul, sonst gibt’s was...“ Zweifelt wer an dem Ausgang dieses „Dialoges“, daß sich die rohe Gewalt gegen den akademisch gebildeten Senior durchsetzt und der Klügere nachgibt? Ist es wirklich eine völlige Fehlsicht, wenn uns der militante Islam wie diese zwei „Halbstarken“ vorkommt, die sich aber effektiv gegen das Christentum im vergreisten Seniorenalter durchsetzen? Und der moralische Protest, daß man doch bitte Konflikte zwischen Christen und Islamisten nicht per Brachialgewalt lösen möge, sondern durchs vernünftige Dialogisieren, ist er in den Augen der Starken nicht nur ein deutliches Symptom der Schwäche der Christen ? Wir haben die Macht auf unserer Seite!, können sie dann getrost sich zurufen.
Der große Schriftsteller Ernst Jünger schrieb einmal etwas, was wir vielleicht auch auf den radicalen Islam beziehen können:
Jede Haltung, der ein wirkliches Verhältnis zur Macht gegeben ist, läßt sich auch daran erkennen, daß sie den Menschen nicht als das Ziel, sondern als ein Mittel, als den Träger sowohl der Macht wie der Freiheit begreift. Der Mensch entfaltet seine höchste Kraft, entfaltet Herrschaft überall dort, wo er im Dienste steht. Es ist das Geheimnis der echten Befehlssprache, daß sie nicht Versprechungen macht, sondern Forderungen stellt. Das tiefste Glück des Menschen besteht darin,daß er geopfert wird, und die höchste Befehlskunst besteht darin, Ziele zu zeigen, die des Opfers würdig sind.“1 (Hervorhebung durch mich) Macht das die Ausstrahlungskraft des Islam gerade für junge Menschen aus?-während die älter Gewordenen das „Herdenglück“ des friedlichen Miteinandergrasens auf grünen Auen bevorzugen, um es nitzscheanisierend zu sagen. Könnte es sein, daß es Menschen gibt, die lieber ein Raubtier sein wollen, als ein behütetes Schafsleben zu führen?

Dem christlich-islamische Dialog hängt so etwas Dunkles an- als wenn der eine Dialogpartner nur darauf warten würde, daß wenn er stark genug ist, mit seinen Fäusten zu argumentieren und der andere hofft, solange mit ihm zu dialogisieren, bis er auch ermüdet von den vielen Reden für den Frieden in Gerechtigkeit und Humanität votiert, statt um den Kampf um die Macht anzutreten. Und die Wahrheit geht in diese diplomatisch geführten Dialogen als erstes unter. Fing das mit dem 2.Vaticanum schon an, die Vorherrschaft der Sprache der Diplomatie? .

1Jünger, Ernst, Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt, Erstausgabe 1932 , Kapitel 22, Auflage 1982, S.74.

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