Montag, 22. September 2014

Sympathie

Sympathie for the devil

Immer noch singen die Rolling Stones ihr: „Sympathie for the devil“, aber in der Kirche hört man von diesem Antigott kaum noch etwas. Er ist in der Hochkultur außer Mode gekommen und spukt höchstens noch in der Schwermetallmusik oder in Horrorromanen. Die Welt ist nicht besser geworden, seit dem der „Abschied vom Teufel“ vollzogen worden ist, aber feindlos. Der letzte Grund des Bösen ist verschwunden, aber das Böse bleibt.

Uns ist die Versuchungsgeschichte Jesu bekannt, ja vielleicht schon zu bekannt, als daß wir hier noch rechtens erschreckt werden. Da spricht der Teufel zu Jesus Christus, nachdem er ihm alle Reiche der Welt gezeigt hatte: „Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest.“ (Matthäus 1, 9). Eine Frage drängt sich sofort auf: Warum antwortet Jesus nicht mit dem Glaubensbekenntnis, daß Gott, sein Vater allein der Herr auch dieser Welt ist, sodaß er und nicht der Teufel die Mächte der Welt vergeben kann. „Teufel, du versprichst mir etwas, was du nicht einhalten kannst!“ Und damit wäre diese Versuchung als plumpe Täuschung entlarvt und für Jesus überhaupt keine Versuchung. Aber Jesus geht in diesem Augenblick der Versuchung davon aus, daß der Teufel das, was er hier verspricht, auch wirklich einhalten kann. Nur so ist ihm dieser Teufelspakt eine Versuchung, der er dann widersteht. Christus ist hier der Antitypus zu Adam, der in der Versuchung des Teufels fiel; es war sozusagen Jesu Meisterprüfung, um dann öffentlich wirken zu dürfen.

Goethe läßt seinen . Faust noch durch den Teufel verführen, Thomas Mann präsentiert in seinem Roman: Dr. Faustus tiefsinnig über Genialität und Teufelspakt, aber so sehr die Vorstellung vom Teufel einst auch Bestandteil unserer Hochkultur gewesen ist, man denke nur an „Des Teufels Elixiere“ von E: T. A. Hoffmann, so radikal ist diese Vorstellung nun verschwunden-aber, eingedenk der Binsenweisheit, wo man den Glauben zur Türe hinauswirft, da schleicht der Aberglaube durchs Fenster hinein: unsere Medienwelt ist erfüllt von Ersatzteufeln. Menschen werden verteufelt, um als Ersatz für den wahren Antigott zu fungieren. Aber dem Menschen ist es nicht gegeben, so gut zu sein wie Gott, Jesus sagt: was nennst du mich gut, gut ist allein Gott und nicht so böse zu sein wie der Antigott, der Teufel.

Nur, wer so redet, mag er noch so viele Zitate aus der Hl. Schrift und von anerkannten Kirchenlehrern anführen, evoziert den Vorwurf, daß er halt nicht nur hoffnungslos fundamemtalistisch sei, sondern ohne Verstand und Vernunftgebrauch glaube.

Ist die Vorstellung eines Antigottes zu widervernünftig, daß jede Bibelexegese und jede ernstgenommen werden wollende Theologie diese Spukgestalt zu eliminieren hat?

Wie anders urteilt aber der Judasbrief über die Irrlehrer in der Kirche, die den Teufel lästern und die überirdischen Mächte verachten! Selbst der Erzengel Michael, als er wider den Teufel stritt, wagte nicht, diesen zu lästern. Und zu dem, der ist, zu sagen, er sei nicht, heißt, ihn zu lästern. Aber auch dieser Brief steht so unter dem Generalverdacht, mythologische Absurditäten zu erzählen, die für den modernen Christen unzumutbar sind, wie schon der Heilige aller zeitgenössischen Exegeten, Bulltmann urteilte.

Gehört die Satanologie, wenn sie überhaupt ein Lehrstück innerhalb der Kirchenlehre ist, in den Bereich der übernatürlichen Offenbarungswahrheiten oder gehört sie wenigstens teilweise auch in den Bereich der natürlichen Gotteserkenntnis? Es ist wohl kein überzogender Kulturpessimismus, daß, wenn man nach den letzten Gründen für diese Welt, so wie sie jetzt ist, frägt, angesichts des Guten in der Welt auf ein gutes, angesichts des Bösen und Negativen in der Welt auf ein böses Ursprungsprinzip stößt- auf einen Dualismus zweier sich wechselseitig ausschließender Grundprinzipien. Jedem Monotheismus, jeder monistischen Lehre dagegen fällt es schwer, die reale Dualität in der Welt, Gut und Böse, Wahrheit und Lüge, Licht und Finsternis auf einen Grund zurückzuführen und dann diese Realpugnanz zwischen Gut und Böse auf den einen Ursprung zurückzuführen und aus ihm zu deduzieren. Das Böse als nichtseiend, als Mangel an Sein zu vertehen, ist unserem Jahrhundert angesichts der Vitalität des Bösen nicht mehr möglich- es wäre doch eine indiskutable Verharmlosung der Grauen unserer Zeit. Das nicht nur das Christentum in seiner Glaubwürdigkeit bedrängende Theodizeeproblem existiert ja nur ob der Voraussetzung, daß alles, was ist, sich einem guten Urprinzip verdankt.

Und hier deutet sich der erste Anknüpfungspunkt für eine Rekonstruktion der traditionellen Satanologie an: daß die Welt, so wie sie ist, so wie sie von uns erfahren wird, adäquater mit der Zusatzthese eines zweiten (subordinierten) Prinzipes, das dem guten entgegengesetzt ist, begriffen werden kann, als wenn die Gesamtwirklichkeit auf nur das gute Prinzip zurückzuführen wäre.Die Alternative hieße, das Negative allein auf das Vermögen des Menschen als freier Wille, das Böse zu erwählen,zurückzuführen. Aber das birgt in sich im Vorstellungsraum theologischen Denkens eine Inkonsequenz: warum führt die Theologie nicht alles Gute auf das Vermögen des freien Willens des Menschen zurück, wenn sie alles Böse auf genau diesen einen Grund zurückführt? Ist die Verneinung eines Grundes des Bösen als vom Menschen verschiedener nicht der erste Schritt dahin, auch Gott als dem Grund alles Guten zu verneinen und so den Menschen zu verabsolutieren zu der einzigen Quelle von allem Guten und allem Bösen?

Zudem: wenn alles, was ist, weder als vollkommen gut noch als vollkommen böse erscheint,liegt es dann nicht nahe, das vollkommen Gute und das vollkommen Böse als jenseitige Prinzipien zu verstehen, auf die in unserer Lebenswirklichkeit nur defizitäre Abbilder verweisen,ohne daß sie je vollkommen sich im Diesseitigen realisieren. Aber wir können das Urteil, das ist gut, das ist böse, nur fällen, indem wir das so Beurteilte als individuierte Realisation des Guten und des Bösen begreifen. Wenn ich urteile, das sei ein Baum, dann kann dieses Urteil nur wahr sein, wenn das so Begriffene wirklich eine Individuation des Begriffes des Baumes ist und ich im Begriff des Baumes so das Wesen des so begriffenen Einzeletwasses erfasse. Anders gesagt: das Urbild des Baumes realisiert sich in endlich vielen Einzelindividuationen, in denen das Abstraktum Baum zu einem bestimmten Baum wird mit bestimmten Einzeleigenschaften, während das Urbild alle möglichen Eigenschaften des Baumseins in sich trägt. Wenn wir etwas als böse beurteilen, setzten wir so in diesem Urteil die Idee des Bösen voraus und subsumieren das als Böses Beurteilte unter diese Idee. Erst im theoretischen Reflektieren nach dem Urteilen entschwindet uns wieder der im Urteilen applizierte Begriff des Bösen, wenn wir die Vorstellung vom Bösen als metaphysische Überspanntheit ablehnen.

Im Vorstellungsraum der Moral kann nur etwas als gut gelten, was kraft des freien Willens gewollt worden ist. Nur eine freiwillige Tat kann so eine Bestandteil der Morallehre sein. Wenn dann ein Seiendes als Gutseiendes begriffen wird, impliziert dies, daß es sich selbst durch einen Selbstbestimmungsakt als Gutes hervorgebracht hat, sonst wäre es nur ein gut Gemachtes und so gut Funktionierendes. Wenn es eine Möglichkeit zur Beantwortung der Theodizeeproblematik gibt, dann eine der Lehre vom freien Willen, wie es A. Kreiner in seinem Buch, Gott im Leid, beeindruckend entfaltet: daß der Mensch um seiner Bestimmung zur Sittlichkeit willen Gott den freien Willen gab, damit er freiwillig das Gute wähle und das könne er nur, wenn der freie Wille auch das Vermögen in sich trägt, das Nichtgute zu wählen. Das radikal Böse als Wahlmöglichkeit ermöglicht so erst die Wahl des Guten als freie Wahl und darum ließe Gott das Böse zu, damit das Gute sein kann. So könnte spekulativ die Möglichkeit des Bösen um des Guten willen ergründet werden. Das Christentum kennt nur einen relativen Dualismus; ein absoluter wäre mit dem Glauben an Gott als Allmächtigen unvereinbar. Das bedeutet, daß das derivierte negative Prinzip, das Böse nur ist, weil Gott es als Allmächtiger zugelassen hat. Gott läßt aber als Gott der Liebe nur etwas zu, das trotz seines offenkundig negativen Charakters trotzdem in irgendeiner Weise dem Guten dient und somit kompatibel ist mit der Liebe Gottes. Damit das Böse nun wirklich im moralischen Sinne böse ist, muß es als ein Etwas gedacht werden, das sich selbst dazu bestimme, das Böse zu sein, denn wäre es einfach als das Böse geschaffen, wäre das Bösesein seine Natur, für die es nicht verantwortlich wäre. Der Mythos vom Engelfall wird genau dieser spekulativen Entfaltung gerecht, indem der Mythos erzählt, wie das Böse wurde als freiwilliger Abfall von Gott dem Guten und daß der sich so zum Bösen selbstbestimmt habende Engel nun das personal Böse ist. Das Böse apersonal denken, hieße nämlich, es nicht als durch sich selbst als Böses Gesetztes zu denken und so sein Bösesein auf ein Sogeschaffensein zu reduzieren, es also nicht als ein moralisch qualifiziert Böses zu denken.
So manchem wird dieser Gedanke zu spekulativ erscheinen. Nur, es muß konstatiert werden, daß ein bloßes Insistieren darauf, daß die Hl. Schrift und die kirchliche Lehre es so bezeugen den modernen Menschen nur dazu bringen, daß er sagt: umso schlimmer für die Glaubwürdigkeit von Bibel und kirchlicher Tradition. Der christliche Glaube darf im Jahr des Glaubens nicht einfach als je meiniger Glaube bezeugt werden, ich glaube das halt so, sondern er muß auch als allgemeine, also als katholische Wahrheit begründet dargelegt werden und das geht nicht ohne spekulatives Denken, das, was die Kirche lehrt, als auch in sich vernünftig, zu begreifen und zu ergründen. Denn, das, was dem vernünftigen Denken widerspricht, kann nicht ein Element des Glaubens, der Wahrheit sein und kann auch nicht auf Dauer geglaubt werden, wenn das Zuglaubende der eigenen Vernunft widerspricht.

Nicht soll nun die Kirche den Rolling Stones zustimmen in ihrer Sympathierklärung für den Teufel, aber sie muß selbst die Existenz des Satans in Einklang bringen mit dem Glauben an Gott als den der Liebe und der allmächtig ist und sie darf um der Radikalität des Widergöttlichen willen nun das Böse nicht reduzieren auf das von Menschen nicht gut Gewollte.

Sind dies nun aber nur müßig spekulative Gedanken, oder besitzen sie auch eine Relevanz für unser Glaubensleben? Eine simple Gegenfrage: kann es für mich gleichgültig sein, ob ich Feinde habe oder nicht? Niemand wird das bejahen. Es ist eine Überlebensfrage, ob ich wirklich Feinde habe oder nicht. Es ist von lebenswichtiger Relevanz, ob man davon ausgehen kann, daß alle am innerkirchlichen Dialogprozeß Beteiligten nur das Beste für die Kirche und die Menschen wollen, nur über das Was und Wie des Besten uneins sind, oder ob selbst in diesem Dialog mit Feinden zu rechnen ist, mit Wölfen in Schafspelzen gehüllt. Und hier ist für die Kirche und unser Glaubensleben die Antwort eindeutig:seit es die Kirche gibt,kämpft ihr Feind gegen sie. Wie ich ein Schachspiel nur verstehen kann, wenn ich neben den Zügen der weißen Spielfiguren die der schwarzen beachte und sie als gegeneinander wahrnehme, so kann auch die gesamte Kirchengeschichte und ihre jetzige Situation nur begriffen werden, wenn sie als Produkt des Widereinanders von Gott und Teufel begriffen wird. Papst Paul VI war es, der ausrief: ich sah den Geruch Satans mitten in der Kirche aufsteigen. Das ist keine Überspanntheit mittelalterlichen Köhlerglaubens sondern die bittere Einsicht des hl. Vaters, wie schlimm es um die Kirche jetzt steht. Der, dessen Abschied modernistische Theologen schon längst gefeiert haben, erfolgreich kämpft er selbst im Innersten der Kirche! Ein Glaube, der ein christlicher sein will, darf so vor der bitteren Wahrheit des Feindes nicht die Augen schließen. Zum Jahr des Glaubens muß so die Einsicht in die Wahrhaftigkeit des Feindes des christlichen Glaubens dazugehören. Und wir müssen mit Menschen rechnen, die sich in den Dienst des Antigöttlichen stellen als Feinde Gottes und Feinde der Menschen. Und das sind sicher andere als so harmlose Unterhaltungsmusiker wie die Rollenden Steine!


Uwe Christian Lay

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